Promis auf der Wiesn:Der Abschuss

Prominente und solche, die es sein wollen, treffen sich auf der Wiesn im Armbrustschützenzelt.

Von Wolfgang Görl

(SZ vom 2409.2003) - Eben noch war eine gewisse Ermattung zu verspüren, so etwas wie die Müdigkeit der Helden nach dem Gefecht - immerhin, hier wurde mit der Armbrust gekämpft -, da plötzlich erhebt sich Geschrei, freudiges Geschrei, das Gefühlsaufwallung und Verzückung verrät, und die Hektik, mit der Fotografen und Kameraleute Richtung Eingang stürmen, kann nur eines bedeuten: Soeben ist Madonna eingetroffen, die Pop-Diva, oder aber, was auch nicht weiter verwundern würde, Marilyn Monroe in geisterhafter Gestalt, begleitet von John F. Kennedy. Seltsam nur, dass Uschi-Rufe laut werden. Im ersten Moment kommt einem Uschi Glas in den Sinn, ach Gott. Aber dann wird hinter der Fotografenschar Uschi Dämmrich von Luttitz sichtbar, und man weiß nicht recht, ob man darüber erleichtert sein soll.

Die Moderatorin mit dem aristokratische "von" im Namen - sie also ist die Attraktion des Abends. Eine Dame, die uns in den vergangenen Jahren vor allem deshalb aufgefallen ist, weil sie sich mit dem Hund des Textilhändlers Moshammer gut versteht, vielleicht sogar mit Moshammer selbst. Ein paar hundert Meter weiter, im Hofbräu-Zelt, feiern Italiener, Amerikaner, Australier, Franzosen, Spanier, sogar Deutsche Verbrüderung im Geiste des Bieres, und es ist, als wäre München Hauptstadt der Welt. Hier hingegen, beim Prominentenschießen im Armbrustschützenzelt, sind die Münchner unter sich - das heißt, prominent ist da schon, wer irgendwann im Leben mal einen Prominenten interviewt hat.

Seien wir gerecht: Uschi von Dämmrich kann auch nichts dafür, dass es als Medienereignis gilt, wenn sie im geblümten Dirndl drei Schüsse auf eine Zielscheibe abgibt. Und was soll der als Sohn eines berühmten Vaters bekannte Franz Georg Strauß machen, wenn ihn alle Welt in knielanger Lederhose und Trachtenjoppe ablichten will? So ist eben München, die eine Seite von München. Wenn im Käferzelt zwei Damen aufeinander treffen, denen einst der Tennisspieler Becker näher getreten ist, dann feiert die einschlägige Presse das als gesellschaftliches Ereignis von allerhöchstem Rang. Dass die derzeitige Freundin des Tormanns Oliver Kahn sich neulich toll aufgebrezelt hat, ist ebenso Gegenstand tiefschürfender Wiesn-Kolumnen wie die Tatsache, dass die Ex-Gemahlin des selben Tormanns demonstrativ unaufgebrezelt das Oktoberfest beehrte. Beides jedenfalls, das ist ja wohl klar, waren Begebenheiten, die für den Fortbestand der glamourösen Münchner Society von enormer Wichtigkeit sind.

Zurück zum Prominentenschießen und hinab in die Niederungen der Politik. Wie vielleicht bekannt, gab es am Sonntag eine Landtagswahl, bei der vor allem die SPD ein verblüffendes Ergebnis erzielt hat. Sogar Tränen sollen unter nervenschwachen Sozis geflossen sein, und so beruhigt es doch, wenn man die geradezu buddhistische Gelassenheit betrachtet, mit der ein Mann wie der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Helmut Schmid, die Beileidsbekundungen während des Armbrustschießens entgegennimmt. "Ich bin zufrieden mit unserem Wahlergebnis in München", sagt Schmid, dessen Partei nicht ein Direktmandat gewonnen hat. "Wenn du zufrieden bist, bin ich's auch", antwortet sein CSU-Ratskollege Helmut Pfundstein, der im übrigen so über beide Ohren grinst, als wäre Stoiber soeben Bundeskanzler geworden. Später gewinnt Pfundstein dann auch noch den zweiten Preis beim Armbrustschießen, wohingegen der Genosse Schmid - aber ist das überhaupt eine Nachricht? - leer ausgeht. Auch das trägt er mit einer Haltung, die einerseits von einer vorbildlichen bayerisch-katholischen Schicksalsergebenheit zeugt und andererseits Hoffnung macht, die SPD werde auch künftig über der Zehn-Prozent-Marke bleiben.

Während die Schießübungen des ehemaligen Polizeipräsidenten Manfred Schreiber sowie des Herrgottswinkelpoeten Helmut Zöpfl weitgehend unbeachtet bleiben, bildet der Armbrust-Auftritt der dem Schlager in all seinen Grausamkeiten verpflichteten Sängerin Petra Perle einen frühen Höhepunkt. Mit einem weinroten Kostüm, an dem allerlei Goldstoffspiralen haften, und einem schwarzen Hut mit Federschmuck - möglicherweise vom Auerhahn - ist es ihr gelungen, in modischer Hinsicht den Damen und Herren der Armbrustschützengilde am nächsten zu kommen. Die wiederum sehen aus, als befänden sie sich im Dreißigjährigen Krieg, was für die Fotografen ein ebenso aufregendes Motiv ist wie der trotz diverser Affären wiedergewählte CSU-Abgeordnete Thomas Zimmermann, der just in dem historischen Moment geknipst wird, in dem er einen Krautsalat aus der Schüssel nimmt.

Den ersten Preis für Treffsicherheit verdient sich an diesem Abend Festwirt Peter Inselkammer - obwohl er gar nicht geschossen hat. Aber in seiner Begrüßungsansprache hebt er Erni Singerl hervor, als einzige unter den versammelten Viertel-, Halb- und Dreiviertelprominenten, und die Volksschauspielerin erweist sich als Meisterin der Kunst, prominent zu erscheinen, ohne sich mit allerlei Faxen wichtig zu machen. In diesem Zusammenhang herrschte allgemeines Bedauern, dass der angekündigte Musikant Roberto Blanco ebenso wenig erschienen ist wie die gleichfalls avisierte Autovermieterin Regine Sixt.

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