Projekt für drogenabhängige Mütter:Extra-Schutz für Kinder

Wenn Kinder vernachlässigt werden, ist häufig ein Elternteil drogenabhängig. Gerade Säuglinge sind dann existenziell bedroht. Die Stadt München hilft nun mit einem neuen Projekt drogenabhängigen Müttern, den Alltag zu bewältigen.

Von Sven Loerzer

Das Schicksal vernachlässigter Kinder ist mit Namen wie dem des Jungen Kevin verknüpft und es rückt vor allem in die öffentliche Aufmerksamkeit, wenn wieder ein dramatischer Fall bekannt wird. Häufig hat die Vernachlässigung mit einer Drogenabhängigkeit eines Elternteils zu tun - mit Müttern und Vätern, die Hilfe bräuchten, an die aber oft nur schwer heranzukommen ist. Um in solchen Fällen frühzeitig zu helfen, hat die Stadt im vergangenen Jahr ein neues Projekt gestartet, das eine Lücke in der Sucht- und Jugendhilfe schließt.

Schätzungen zufolge dürften bis zu 1800 Kinder und Jugendliche in München zusammen mit einem drogenabhängigen oder substituierten Elternteil leben. Gerade Säuglinge sind bei Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse sehr schnell existenziell bedroht. Besuchen sie noch keine Kindertagesstätte, können Alarmzeichen unbemerkt bleiben.

Das von der Stadt initiierte Projekt "extra - stationär" hilft seit einigen Monaten fünf jungen Frauen, bei denen eine Gefährdung entstehen könnte. Die Frauen leben mit sechs kleinen Kindern zusammen in der Wohnung des Projekts "extra - stationär" in Neuhausen. Die Mütter haben das gleiche Problem: Sie haben Drogen in einem Maß konsumiert, das Zweifel aufkommen ließ, ob sie in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. In der stationären Einrichtung des Vereins "extra - Suchthilfe für Frauen" lässt das Stadtjugendamt klären, welche Hilfen nötig sind, um sie auf dem Weg in ein drogenfreies Leben zu begleiten und die Versorgung der Kinder zu gewährleisten.

Bis zu sechs Monate bleiben die jungen Frauen dort. Überwiegend haben die Mütter illegale Drogen wie Cannabis oder Opiate konsumiert. Die Mütter im Alter zwischen 18 und 27 Jahren müssen zumindest die Entgiftung hinter sich haben oder auf Ersatzdrogen umgestiegen sein. "Sie dürfen hier nicht konsumieren", sagt Einrichtungsleiterin Diana Reichle. Dies wird mit Urintests und Alkoholkontrollen am Anfang und später unregelmäßig überwacht.

Die Sozialpädagoginnen und Erzieherinnen behalten aber nicht nur im Blick, ob die Frauen stabil drogenfrei leben, sondern auch, ob die Versorgung der Kinder funktioniert. Sie achten darauf, ob die Mütter ihre Kinder angepasst an die Witterungsverhältnisse kleiden und gut ernähren. Sie beobachten, wie feinfühlig die Mütter reagieren und wie sie mit Konflikten umgehen. Bringen sie die Kinder zu angemessener Zeit zu Bett und morgens rechtzeitig in die Krippe oder den Kindergarten? Die beiden betreuenden Erzieherinnen nehmen den jungen Frauen keine Arbeit ab, sondern geben Tipps und leiten an, um die Erziehungsfähigkeit zu verbessern. Die Mütter müssen selbst für sich und ihre Kinder einkaufen, kochen und waschen.

Jede Frau hat zusammen mit ihrem Kind oder ihren Kindern ein eigenes Zimmer in der Wohnung in der Hedwigstraße. Zusätzlich gibt es ein großes Spielzimmer, eine Wohnküche, ein Mitarbeiterbüro und einen Gruppenraum. Extra-Vorstand Isolde Zins ist froh, durch die Unterstützung des Zonta-Clubs, einem Frauen-Netzwerk, die große Wohnung gefunden zu haben. Die Besitzer wollten die zuletzt als Büro genutzten Räume einem sozialen Projekt überlassen: "Sie stehen voll hinter uns." Das Personal sei "nicht ganz einfach zu finden gewesen", sagt Diana Reichle, denn das Projekt verbinde Sucht- und Jugendhilfe. Weil rund um die Uhr krisenerprobte Fachkräfte da sind, liegt der Tagessatz pro Platz bei 238 Euro. Das ist zwar viel, aber es ist auch eine sehr aufwendige Arbeit.

"Wir sammeln Informationen, um fachlich gute Empfehlungen für Hilfen im Anschluss an den Aufenthalt bei uns geben zu können", sagt die Psychologin Amalia Chatziriga, die den Frauen in Einzel- und Gruppengesprächen zur Seite steht. Etwa die Hälfte der Frauen kann dann in eine Wohnung ziehen und bekommt ambulante Hilfen, die andere Hälfte benötigt stationäre Angebote. Ziel sei, den Müttern mit ihren Kindern ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Doch dafür fehlten Wohnungen, klagt Isolde Zins. Das ist dann wieder ein anderes Problem.

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