Projekt:Ein Tor zum Geburtstag

München

Durch das Siegestor: Die Blickachse vom Odeonsplatz zur Münchner Freiheit will ein Vorstoß aus dem Bezirksausschuss Schwabing-Freimann wieder stärker betonen.

(Foto: Rainer Viertlböck)

Ein Kunstwerk an der Münchner Freiheit soll Gegenpol zum Siegestor sein und an 70 Jahre Grundgesetz erinnern

Von Simon Schramm, Schwabing

Frage: Was haben die Feldherrnhalle, das Siegestor, die Münchner Freiheit und die deutsche Verfassung gemeinsam? Freilich, der Odeonsplatz und das Siegestor hängen zusammen, sie bilden Beginn und Schluss der Ludwigstraße, so wie es König Ludwig I. für seine Prachtmeile bezweckt hat. Vom Siegestor bis zur Feilitzschstraße wiederum erstreckt sich seit Jahrzehnten Schwabings lebendigster Boulevard. Und das Grundgesetz? Nun ja, das feiert in zwei Jahren Geburtstag, 70 Jahre wird die deutsche Verfassung dann alt sein. Wäre das nicht ein willkommener Anlass, der Achse von der Ludwig- zur Leopoldstraße an der Münchner Freiheit wieder einen Abschlusspunkt zu gönnen, so wie sie ihn früher im "Schwarzen Riesen" fand, dem noch höher gebauten Vorgänger-Gebäude des heutigen Kaufhauses?

Mit etwa dieser räumlich und gedanklich voranschreitenden Argumentationskette ist der Schwabinger Lokalpolitiker Ekkehard Pascoe (Grüne) bei einem stattlichen Projekt angekommen - sofern es denn realisiert wird. Er will in zwei Jahren an der Münchner Freiheit ein Kunstwerk sehen, das die "Sicht- und Entwicklungsachse" dieser drei Orte als "unvollendeten historischen Dreischritt" versteht und ihn wieder abschließt. Die Kreation soll Münchens Beitrag zum 70. Geburtstag der Verfassung darstellen, erklärt Pascoe. Titel der ganzen Idee: das "Münchner Freiheitstor".

Noch mal: Nach Vorstellung von Pascoe soll an der Münchner Freiheit ein neues, wie auch immer geartetes Bauwerk zum Einlass entstehen. Das Kunstobjekt soll auch an die Freiheitsaktion Bayern und den NS-Widerstand in München erinnern. Ein paar Merkmale hat Pascoe in seinem Antrag zum Projekt angegeben. "Schlank, eher fragil" stellt er sich das Kunstwerk vor, mit "geringem Platzbedarf". "Freiheitstor" und Siegestor sollen in "dialektischer Spannung" zueinander stehen, erhofft er sich: das Siegestor als Sinnbild für Krieg und Monarchie, die Münchner Freiheit für Frieden und Demokratie. Pascoe nennt auch die Gegensatzpaare Königshof und Schwabing sowie Rom und München. Das "Freiheitstor" solle nämlich "ästhetisch in der Gegenwart bestehen" und sich von der "heute obsoleten Architektur" des Siegestors absetzen mit dessen "monarchisch-kriegerischer Triumphgeste, gekrönt von einer an ebenfalls römischen Vorbildern orientierten Quadriga", heißt es im Antrag. "Die Gestaltung soll den Gegensatz zum Siegestor betonen. Es ist Bedingung, dass seine Höhenentwicklung diesem nicht nachstehen darf." Mindestens 24 Meter, so hoch ist das Siegestor, sollen es also werden.

Den Bürgern und Besuchern der Stadt solle kein fremdes Objekt vorgesetzt werden, sondern eines, das den Kunst-Raum Leopoldstraße ein- und den Geist von Schwabing erfasse, und "für einen stolzen Abschnitt deutscher Geschichte" stehe, so Pascoe. Die Finanzierung solle zu wesentlichen Teilen durch bürgerschaftliches Engagement erfolgen. Wenn technische und politische Fragen geklärt sind, soll ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Trotz dieser Hinweise: Zum jetzigen Zeitpunkt ist nahezu jeder dieser genannten Gesichtspunkte höchst unklar.

Entsprechend wuselig diskutierte der Bezirksausschuss bei seinem jüngsten Aufeinandertreffen über die Idee. Wo soll das Kunstwerk denn stehen? Wie soll es tatsächlich aussehen? Freie-Wähler-Politiker Dieter Borchmeyer, von 2004 bis 2013 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, fragte sich, ob das Siegestor denn wirklich einen negativen Gegenpol zur Münchner Freiheit bilde. Der Triumphbogen gedenkt der Leistungen des bayerischen Heeres in den Befreiungskriegen gegen Napoleon, und seit 1958 wird in einem Schriftzug auf dem Bauwerk zum Frieden gemahnt. Ulrich Käufl von der SPD pflichtete dem Anliegen bei, der Verfassung ein Ehrenmal zu widmen. Das Grundgesetz war vom Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee erarbeitet worden.

Trotz der vielen Fragezeichen zeigte sich Antragsteller Pascoe zufrieden. Er sagte, mit dem Antrag sei genau das erreicht worden, was er bezweckt habe: Reflexion und Diskussion über die Stätten und den Anlass. Die Idee solle zumindest angenommen werden. Das wurde sie auch. Einzig Ingeborg Linder von der CSU stimmte gegen das "Freiheitstor".

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