Projekt "cool bleiben":Immer Ärger mit der Feierbanane

Projekt "cool bleiben": Party im Harry Klein. Laut wird es aber erst, wenn die Diskothekenbesucher auf die Straße strömen.

Party im Harry Klein. Laut wird es aber erst, wenn die Diskothekenbesucher auf die Straße strömen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zwischen Maximiliansplatz und Sendlinger Tor reiht sich ein Club an den anderen. Anwohner leiden unter dem Lärm, zudem gibt es viele Gewalttaten. Seit knapp einem Jahr kooperieren Stadt, Polizei und Wirte. Das Projekt ist bundesweit einzigartig, dennoch sind viele Probleme nicht gelöst.

Von Susi Wimmer

Hinter dem Kopf von Wilfried Blume-Beyerle baumeln süße Früchtchen, das Scheinwerferlicht treibt dem Kreisverwaltungsreferenten ein paar Schweißperlen auf die Stirn, aber das nimmt er hier in der Kirschen-Deko der Diskothek "Pacha" gerne in Kauf. Geht es doch darum, das Projekt "cool bleiben - friedlich feiern in München" - zu bilanzieren und zu rühmen. Indes: Die Zahlen sprechen nicht wirklich dafür, dass auf der sogenannten Feierbanane am Altstadtring seit Beginn des Projektes die Gewaltbereitschaft von nächtlichen Partygängern abgenommen hat.

Trotzdem ist das ungewöhnliche Kooperations-Trio aus Polizei, Stadt und Wirten davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, um potenzielle Schläger oder Vergewaltiger von der Feiermeile zu verbannen. Seit Projektbeginn im September 2012 hat die Stadt zwölf Betretungsverbote ausgesprochen, die Gewalttäter dürfen sich ein Jahr lang auf der "Feierbanane" nicht mehr blicken lassen.

Bis zu 15.000 Menschen sollen sich an den Wochenenden zwischen den 35 Klubs vom Sendlinger-Tor-Platz bis zum Maximiliansplatz durch die Straßen schieben. Da sich der Altstadtring an dieser Stelle krümmt, entstand der Name "Feierbanane". Die Anwohner allerdings fanden das Partyvolk weniger lustig, sie beschwerten sich über die Dauerparty mit Lärm, Dreck, Gestank und Gewalt.

Und parallel zur Zunahme der Nachtlokale registrierte die Polizei einen sprunghaften Anstieg der Gewalttaten: Beleidigungen, Pöbeleien, Schlägereien, Raub, Bedrohungen, gefährliche Körperverletzungen, Angriffe auf Frauen. Aus der Not heraus entstand ein bundesweit einzigartiges Projekt: Die Lokalbetreiber setzten sich mit der Polizei, dem Kreisverwaltungs- und dem Sozialreferat an einen Tisch und entwarfen ein gemeinsames Konzept "für eine sichere Veranstaltungsszene und gegen Gewalt".

Clubs wie das Atomic Café, Heart, Milch & Bar, die 089 Bar oder Lenbachs & Soehne schlossen sich an. Mittlerweile sind 25 Münchner Klubs mit von der Partie, und bei ein paar anderen Betreibern auf der Feiermeile wolle man noch "Überzeugungsarbeit leisten", wie David Süß, Sprecher der Gastronomen und Betreiber des Harry Klein sagt. Die beteiligten Klubs sind auf Facebook vernetzt, die Wirte haben eine Arbeitsgruppe gegründet, drucken Flyer und Plakate zur Info und können überörtliche Hausverbote gegen problematische Kunden aussprechen. Zudem wird den Türstehern der Klubs ein Deeskalationstraining angeboten.

Die Gewalt findet auf der Straße statt

Die Gewalt auf der Feiermeile, sie findet nicht etwa in den Clubs statt, sondern auf den Straßen entlang des Altstadtrings: wenn die Gäste von einer Kneipe in die nächste wechseln oder in den frühen Morgenstunden betrunken den Heimweg antreten. Kurz nach Beginn des Projektes etwa wurde nahe der Sonnenstraße ein 18-Jähriger von Unbekannten zusammengetreten. Er erlitt lebensgefährliche Gesichtsverletzungen, die Mordkommission ermittelte, die Täter entkamen.

862 Straftaten registrierte die Polizei in dem Feierbereich von Januar bis Mai 2013. Im Vergleichszeitraum 2012 waren es noch 910 Straftaten, ein Rückgang um 5,3 Prozent. Allerdings blieb die Zahl der Gewaltdelikte mit 47 in den statistisch erfassten Monaten konstant hoch.

Im Bereich der Sonnenstraße und des Stachus kam es nicht mehr so oft zu Schlägereien, am Maximiliansplatz hingegen schnellte die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen nach oben. "Insgesamt gesehen sind wir auf dem richtigen Weg", sagt Polizei-Vizepräsident Robert Kopp. Ihm ist aber auch klar, dass die wirkliche Bewährungsprobe noch ins Haus steht: dann, wenn es tatsächlich mal Sommer werden sollte und die Zahl der Feiernden nach oben schnellt.

"Das ist schon was Beinhartes"

Zwölf Partygänger sind auf alle Fälle dann nicht mehr mit von der Partie: Gegen sie verhängte das KVR ein Betretungsverbot. "Das ist schon was Beinhartes", wie Blume-Beyerle meint. Die Betroffenen dürfen sich nicht mehr in den Klubs der Feiermeile zwischen 22 und 7 Uhr aufhalten, sie dürfen sogar den gesamten öffentlichen Grund in dem Bereich nicht mehr betreten. Wer dagegen verstößt, ist mit 500 Euro Zwangsgeld dabei. Blume-Beyerle hält die Betretungsverbote für das richtige Mittel. "Sie betreffen nicht die friedlich feiernden Gäste, sondern sie sind einzelfallbezogen, nur auf den Störer ausgerichtet."

Von den Wirten gesponsert ist im Übrigen auch der Bus der Streetworker. Sie stehen freitags und samstags nahe der "Feierbanane", tragen unüblicherweise Westen, die sie als Streetworker outen, und sprechen mit jungen Leuten über Alkohol- und Drogenkonsum und die möglichen Risiken einer Partynacht. Im Krisenfall beruhigen sie, organisieren ein Taxi und deeskalieren. Via Partymeilenhandy sind Klubbetreiber, Türsteher, Polizei und Streetworker die ganze Nacht über verbunden.

An diesem Samstag tourt die Polizei mit Medienvertretern nachts über das Partyareal. Es gibt alkoholfreie Cocktails, Basketballwerfen und "Give aways", die zeigen, dass die Polizei in allen Bereichen Sicherheit gewährleistet: nämlich Schlüsselanhänger und Kondome.

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