Profil:Stellvertreter wird Chef

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Fürstenfeldbruck wählt Erich Raff von der CSU als Oberbürgermeister

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Am Sonntag, dem Tag der Stichwahl, feiert Erich Raff nachmittags noch im Kreis seiner Familie die Kommunion eines seiner Enkelkinder. Da kann sich der 64 Jahre alte pensionierte Polizeihauptkommissar einigermaßen ablenken. Am Abend dann im Rathaus gelingt es ihm nicht mehr, die Nervosität im Zaum zu halten. Auf der großen Leinwand des Sitzungssaals wird der Fortgang der Auszählung dokumentiert. Raff trägt an diesem besonderen Tag das, was er zu fast allen besonderen Anlässen trägt: die dunkelblaue Weste, darüber den dunkelgrauen Trachtenjanker mit dem grünen Kragen und den Hirschhornknöpfen. Der schlanke und nicht sehr große Raff verschwindet förmlich zwischen den CSU-Granden aus Stadt und Landkreis.

Der an die Wand projizierte schwarze Balken steht für Raff, den Oberbürgermeister-Kandidaten der Christsozialen, ein grüner für seinen einzig verbliebenen Herausforderer, Martin Runge von den Grünen. Mal überragt der schwarze den grünen Balken, mal ist es umgekehrt. Um 18.38 Uhr sind 20 von 24 Stimmbezirken ausgezählt. Raff hat mit gut einem Prozentpunkt die Nase vorn. Da sinkt er in einen der Sessel der CSU-Fraktion und schnauft durch. Es scheint fast so zu sein, als werde ihm jetzt erst klar, auf was er sich da eingelassen hat und was das jetzt für die nächsten sechs Jahre bedeutet - 2023, bei der nächsten OB-Wahl, wird er 70 sein. Ein paar Minuten später, als das Endergebnis vorliegt und Jubel im CSU-Lager aufbrandet, spricht er leise von einem "unbeschreiblichen Gefühl" und von einem sehr glücklichen Tag.

Bis vor gut 20 Monaten war Erich Raff eher ein Hinterbänkler bei der CSU. Als Sportreferent meldete sich der in Fürstenfeldbruck geborene Diplomverwaltungswirt (FH), der sich in der Handballabteilung des örtlichen Turn- und Sportvereins engagiert, selten zu Wort. Meist überließ er das den Alpha-Tieren aus der Fraktion. Als Klaus Pleil von der BBV 2014 Oberbürgermeister wurde, gab es zunächst Streit darüber, wer aus der CSU sein Stellvertreter werden soll. Raff war so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich der neue OB und die CSU einigen können. Als Pleil Ende August 2015 völlig überraschend einen Herzinfarkt erlitt, erwies es sich als günstige Fügung, dass der Stellvertreter bereits pensioniert ist und 20 Monate lang übernehmen kann - so lange, bis klar ist, dass Pleil nicht mehr ins Rathaus zurückkehren kann. Raff gehört dem Stadtrat seit 1996 an und weiß, wie dieser tickt. Auch bei den Parteien jenseits der CSU punktete er damit, dass er im Sinne des erkrankten Amtsinhabers zu agieren versucht. Er leitete die Sitzungen unauffällig und verzichtete auf eine eigene Handschrift. Dennoch räumte er in einem Interview mit der SZ Anfang 2016 ein, dass man bereit sein müsse, sein Leben komplett umzustellen. Der verheiratete Vater von zwei Kindern hat plötzlich viel weniger Zeit für die vier Enkel, für Tennis oder Golfen. Aber er findet Geschmack an der neuen Aufgabe. Mit vielen Rathausmitarbeitern ist er per Du, gut vernetzt ist er zudem bei den Sportvereinen. Im Stadtrat offenbarte sich freilich manchmal, dass der unauffällige Mann mit dem kurz geschnittenen, lichten Haar und dem weißen Dreitagebart durchaus dünnhäutig sein kann. Mit einigen SPD-Stadträten lieferte er sich heftige Wortgefechte, einem von ihnen drohte er einmal mit einer Anzeige wegen Verleumdung.

Erich Raff wirkt zwar manchmal etwas spröde und setzt keine rhetorischen Glanzlichter, gleichwohl gilt er als recht umgänglich. Die Chancen stehen also gar nicht so schlecht, dass im Fürstenfeldbrucker Stadtrat die im Wahlkampf aufgerissenen Gräben wieder zugeschüttet werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil die CSU nicht über eine eigene Mehrheit in dem Gremium verfügt.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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