Produktionsfirma verklagt:Böse Scherze

Den schlimmsten Tag ihres Lebens sollte eine 19-Jährige fürs Fernsehen erleben. Leider wusste sie nichts davon. Und hatte panische Angst vor Hunden.

Ekkehard Müller-Jentsch

Was darf das Fernsehen mit ahnungslosen Menschen alles anstellen, um sie anschließend als billige Volksbelustigung auf der Mattscheibe vorzuführen? Eine 19-jährige Gymnasiastin hat am Mittwoch ein Zeichen gesetzt, dass man sich auch im Rahmen einer versteckten Kamera nicht alles gefallen zu lassen braucht.

Sie verklagte eine Produktionsfirma, die für Kabel 1 die Sendung "Mein schlimmster Tag" gedreht hat, auf rund 10 000 Euro Schmerzensgeld - und hat grundsätzlich Recht bekommen.

"Ihnen wird ein Tag bereitet, den sie nicht so schnell vergessen", wurde in Vorankündigungen des Sendeformats versprochen. Allerdings dürfte es jetzt die kleine Produktionsfirma aus einem Münchner Vorort sein, die sich noch lange an den Tag mit Julia B. erinnern wird.

Denn die Richter der 9. Zivilkammer haben angesichts der "lustigen" Szenen kein Blatt vor den Mund genommen: "Mir dreht es den Magen um", sagte spontan der Vorsitzende Thomas Steiner, während die Roh-Schnitte im Gerichtssaal vorgeführt wurden. "Das ist so entwürdigend - das kann einfach nicht in Ordnung sein."

Totes Reh

Julia B., damals gerade 18 Jahre alt, hatte als Kellnerin in einem Landgasthof gejobbt. Das Mädchen war aufgefordert worden, in einem Nebenraum eine Geburtstagsgesellschaft zu bedienen. Die Schülerin, die unter panischer Angst vor Hunden leidet, ahnte nicht, dass es sich um den "Geburtstag" eines großen Hundes handelte.

Weil die zuvor manipulierte Fest-Torte plötzlich kaputt war, musste die junge Frau vor dem Tier niederknien, sich bei ihm entschuldigen, "Happy Birthday, wau, wau" singen und dann die Partygäste, alles riesige Hunde, auch noch mit Fressen bedienen.

Unter dem Druck ihrer Chefin und aus Angst um ihren Job tat Julia, wie ihr geheißen wurde. Später wurde sie noch in eine Situation gebracht, wo sie mitten im Wald von einem bedrohlich wirkenden Mann aus dem Auto gezogen und zu Fuß weiter geschickt wurde; in einer Jagdhütte sollte sie anschließend ein totes Reh nehmen und per Schubkarre zurück in den Gasthof bringen.

Das allerdings hatte Julia dann entsetzt verweigert. Daraufhin wurde die Situation aufgelöst und das Produktionsteam gab sich zu erkennen. Julia sollte mit 300 Euro abgespeist werden und dafür ihre Einwilligung zur Ausstrahlung geben. Sie ging lieber zum Rechtsanwalt.

Das Gericht stellte nun fest, dass man Julia Angst gemacht und sie in brutal erniedrigende Situationen gebracht habe. Hier sei das Persönlichkeitsrecht eines jungen Menschen verletzt worden, nur damit man Zuschauer vor den Bildschirm locken könne. "Man muss solchen Sendungen Einhalt gebieten", sagte der Vorsitzende. Und einer der Richter meinte: "Wenn das bei der Bundeswehr passiert wäre, hätte es einen Untersuchungsausschuss gegeben."

Die Produktionsfirma entschuldigte sich daraufhin bei Julia und bot ihr freiwillig 7500 Euro Schmerzensgeld an. Sie nahm an, die Klage wurde ad acta gelegt. Die Sendung ist inzwischen eingestellt.

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