Prinz Luitpold und das Wiesn-Bier:"Die Wiesn macht uns zu bierfasstragenden Deppen"

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Prinz Luitpold ist zwar der Urururenkel des Kronprinzen Ludwig, dessen Hochzeit einst zum Oktoberfest führte. Deswegen darf er auf der heutigen Wiesn aber noch lange kein Bier verkaufen. Zu Unrecht, findet er.

Birgit Lutz-Temsch

Der Streit ist nicht neu. Vorbei ist er aber auch noch lange nicht. Prinz Luitpold, Urenkel Ludwigs III., des letzten Königs von Bayern, möchte sein Bier auf dem Oktoberfest verkaufen. Das darf er aber nicht. Seit Jahren bohrt er immer wieder nach und wird damit wohl auch so schnell nicht aufhören. Aus guten Gründen. Die sogar dazu führen, dass sich der Prinz für das Volk einsetzt.

Prinz Luitpold. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Sie kämpfen seit Jahren dafür, dass Sie das in ihrer Schlossbrauerei Kaltenberg gebraute Bier auf dem Oktoberfest verkaufen dürfen. Finden Sie, dass Sie als Wittelsbacher Sonderrechte haben?

Luitpold Rupprecht Heinrich Prinz von Bayern : Darum geht es gar nicht. Ich kämpfe ja auch nicht für mich allein. Es gibt im Umland oder in Bayern viele Brauereien, die gerne auf dem Oktoberfest ausschenken würden, nicht nur meine. Zum Beispiel die Klosterbrauerei Andechs oder Weihenstephan. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die das nicht dürfen. Das Oktoberfest war schließlich noch nie ein Münchner Fest.

sueddeutsche.de: Mit dieser Aussage haben Sie sich in den vergangenen Jahren im Tourismusamt keine Freunde gemacht.

Prinz Luitpold: Kann schon sein. Aber das Oktoberfest war als bayerisches Nationalfest konzipiert, entstanden aus dem Hochzeitsfest des bayerischen Kronprinzen Ludwig mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen.

Der Sinn war, damals 1810, das Königreich Bayern zu einen. Deswegen fuhren in späteren Jahren Sonderzüge aus ganz Bayern nach München, es gab das Zentral-Landwirtschaftsfest, das Pferderennen - es war eine gesamtbayerische Sache.

sueddeutsche.de: Mit gesamtbayerischem Bier.

Prinz Luitpold: Genau. Vor allem war die Wiesn ursprünglich kein Bierfest. Wohl aber ein überregionales. Es gab Biere aus dem Oberland, die auf der Isar nach München geflößt wurden, das kann man den alten Aufstellungsplänen im Stadtmuseum noch einwandfrei entnehmen. Es gab sogar eine Wiener Märzenbierbude!

sueddeutsche.de: Das wäre jetzt unvorstellbar.

Prinz Luitpold: In der Tat. Jetzt gibt es, nach all den Fusionen, noch ganze vier Bierlieferanten. Darunter die belgisch-brasilianische InBev-Gruppe, zu dem jetzt Spaten Löwenbrau gehört. Inbev ist weltweit die Nummer eins und produziert im Jahr doppelt so viel Bier wie alle deutschen Brauerein zusammen! Oder Heineken und Schörghuber, zusammen die Nummer drei weltweit, sind mit Paulaner auch auf dem Oktoberfest. Und das steht unter Schutz! Die Stadt München verteidigt diese Großkonzerne und die Umlandbrauereien bleiben außen vor.

sueddeutsche.de: Aber diese Brauereien sind nun mal die Traditionsbrauereien, auch wenn sie mittlerweile aufgekauft wurden ...

Prinz Luitpold: Tradition, das ist doch ein Hohn. Es gibt hier weder um Tradition noch um Münchner Bier. Die Stadt ist nicht ehrlich.

sueddeutsche.de: Wieso nicht?

Prinz Luitpold: Vor einigen Jahren habe ich im Bamberger Haus im Luitpoldpark eine kleine Brauerei aufgebaut. Dann hatte ich eine Münchner Brauerei. Und durfte wieder nicht.

sueddeutsche.de: Mit welcher Begründung?

Prinz Luitpold: Weil die Stadt die Zulassungsbestimmungen geändert hat. Weil es diesen Passus, von dem alle reden, nämlich gar nicht gibt, diesen Passus mit dem Münchner Bier. Es gibt ja auch andere Münchner Brauereien, die Forschungsbrauerei Perlach, oder die Unionsbrauerei. Wo sind die auf der Wiesn? Dürfen die ihr Bier anbieten? Nein. Das dürfen nur diese vier. Die Stadt will das nicht ändern, weil sie sagt, dann könnte ja jeder kommen. Aber was wäre dabei, zu sagen, es muss bayerisches Bier sein? Wo wäre denn da ein Dammbruch zu befürchten?

sueddeutsche.de: Aber es gibt dazu ja auch ein Urteil des Kartellgerichts, das der Stadt Recht gibt. Bei einem Fallen der geographischen Grenze dürfte demnach jede Brauerei der Welt ihr Bier ausschenken. Und das wäre doch auch nicht in Ihrem Sinn, oder?

Prinz Luitpold: Nein! Aber es gibt eine von der EU geschützte Herkunftsbezeichnung für bayerisches Bier. Und auf der Wiesn als bayerisches Fest müssten Brauereien, die derart zertifiziertes Bier brauen, vertreten sein.

sueddeutsche.de: Wo könnten Sie Ihr Bier auf der Wiesn überhaupt verkaufen ohne eigenes Zelt?

Prinz Luitpold: In den brauereifreien Zelten wie Käfer oder Schützenzelt zum Beispiel. Es gibt insgesamt 50 ausschenkende Betriebe. Die sind alle gezwungen, ein Bier dieser vier Brauereien zu nehmen. Würde man jetzt alle in Bayern ansässigen Betriebe zulassen, könnten die ihr Bier den brauereifreien Zelten anbieten. Das heißt ja noch lange nicht, dass wirklich eins ein anderes Bier nehmen würde.

sueddeutsche.de: Aber es wäre ein Wettbewerb.

Prinz Luitpold: Genau. Und der tut meistens der Qualität und dem Preis gut. Denn wie erklärt man sich, dass die Maß Spatenbier auf dem Dachauer Volksfest weniger als die Hälfte als auf dem Oktoberfest kostet? Kann es vielleicht sein, dass man mit dem Quasi-Monopol auf der Wiesn so viel verdient, dass man dann der Konkurrenz auf dem Land mit Preisdumping auch noch das Leben schwer machen kann?

Es wäre doch mal interessant, was passieren würde, wenn die Stadt mehr Anbieter zuließe. Aber die Stadt will ihre Bürger vielleicht vor dem Wettbewerb schützen. Seltsamerweise ist es aber bei allen anderen Produkten auf der Wiesn völlig egal, wo sie herkommen. Würde man wirklich lokale Betriebe unterstützen wollen, müsste das doch da auch eine Rolle spielen. Aber bei den Backwaren, den Spirituosen, den lächerlichen Souvenirs kräht kein Hahn danach. Nur beim Bier ist alles völlig überemotionalisiert.

sueddeutsche.de: Ihre familiäre Verbindung zum Oktoberfest spielt also eine sehr untergeordnete Rolle?

Prinz Luitpold: Ich bewerbe mich natürlich auch vor dem historischen Hintergrund, aber es geht weit darüber hinaus. Die Wiesn degeneriert zu einem Nationalbesäufnis mit karnevalistischen Zügen, und mit dieser Ballermannisierung geht eine Banalisierung einher, die ich nicht gut finde.

Unser Land mit seiner großartigen landschaftlichen Schönheit und seiner Kultur wird im Ausland zu einem Land bierfasstragender Deppen herabgewürdigt. Das ist doch das Hauptsouvenir, ein Bierfasshut mit Zapfhahn. Schrecklich. Das hat mir in Bulgarien mal einer entgegengehalten, ganz stolz, und gesagt, er kennt Bayern gut.

sueddeutsche.de: Was müsste sich denn ändern auf der Wiesn?

Prinz Luitpold: Es geht nicht mehr um Traditionspflege. Die wollen nur Klamauk machen, die Wiesn soll dem Tourismus dienen. Der normale Bürger kommt doch gar nicht mehr auf die Wiesn, er findet keinen Platz, es ist zu laut. Ich habe angeboten, ich mache ein Zelt auf, in dem gibt es nur bayerische Musik und das Stehen auf den Bänken ist auch verboten. Damit man auch mal in Ruhe noch am Abend ein Hendl essen kann. Will man nicht.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, das hätte Erfolg?

Prinz Luitpold: Aber sicher! Man müsste es nur mal probieren. Aber das ist es ja: Diese völlig verfehlte Politik der Stadt betrifft ja nicht nur die Brauereien, sondern am Ende die Bürger - und es gibt viele, die schon lang nicht mehr einverstanden sind mit den Entwicklungen.

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