Presseschau nach der Olympia-Entscheidung:"Eine ziemliche Klatsche"

Die Reaktionen auf die Niederlage Münchens bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018 könnten unterschiedlicher kaum sein. Während die einen die schlechte Bewerbung geißeln, wünschen sich andere einen erneuten Anlauf. Viel Kritik gibt es für das IOC und seine Vergabepraxis. Und die Italiener jubeln. Die Presseschau.

"Stuttgarter Zeitung": 'Schad is, dass wahr is', sagt der Bayer, sendet aber auch sportlich und wie es sich gehört Glückwünsche nach Südkorea! Dabei mag sich manch unbedingter Befürworter der Spiele im Freistaat womöglich heute insgeheim selber gratulieren, denn es bleibt Stadt und Land jetzt doch einiges erspart, wovon die zurückliegende Ski-WM in der vorgesehenen Olympiadependance Garmisch-Partenkirchen nur einen ungefähren Vorgeschmack geliefert hat: Nun muss nicht noch zusätzlich geholzt und gebaut werden, und die Natur darf einigermaßen in Ruhe jenen Versehrtheitszustand versuchen zu kompensieren, der ihr selbst - namentlich unter der Zugspitze - längst schon reichen dürfte.

Olympische Winterspiele 2018 in Suedkorea

Enttäuschung in Bayern: Die Olympischen Winterspiele 2018 gehen nach Südkorea.

(Foto: dapd)

"JoongAng Ilbo" (Südkorea): Zwölf Jahre der Hoffnungen, Träume und mühevollen Arbeit wurden in der vergangenen Nacht belohnt, als Pyeongchang nach zwei vergeblichen Bewerbungen das Austragungsrecht für die Olympischen Winterspiele 2018 erhielt.

"The Korea Times" (Südkorea): Yes! Am Ende doch, ein Fall von 'Aller guten Dinge sind drei'."

"Chosun Ilbo" (Südkorea): Pyeongchang hat schließlich seinen Traum realisiert, Gastgeberstadt der Olympischen Winterspiele zu sein. Was dieses Mal den Unterschied machte, war, dass das ganze Land hinter der Bewerbung stand."

"Hankyoreh" (Südkorea): Pyeongchang hat mit seinem Motto 'Neue Horizonte' auf die Herzen der IOC-Mitglieder gezielt. Da wir das einzige geteilte Land der Welt sind, werden wir weltweit mehr Aufmerksamkeit bekommen. Und wenn es hilft, eine friedvolle Atmosphäre zwischen Süd- und Nordkorea zu schaffen, wird das mehr wert sein als jeder wirtschaftliche Profit.

"Nordwest-Zeitung" (Oldenburg): Die 123. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hatte in Durban Grundsätzliches zu entscheiden. Auf der einen Seite, die Spiele an eine boomende Wirtschaftsnation zu vergeben, die noch nie Winterspiele ausgerichtet hat. Damit würde das IOC Neuland betreten, mit dem Ziel, neue Märkte zu erschließen. Auf der anderen Seite bestand die Möglichkeit der Vergabe der Spiele an ein Land, in dem der Wintersport zu Hause ist. Die 95 IOC-Mitglieder haben sich für die erste Möglichkeit entschieden, für die Wachstumsvariante Asien. Die Südkoreaner versprechen die Erschließung neuer Horizonte auf dem ungesättigten Wintersportmarkt des bevölkerungsreichsten Kontinents dieser Erde. Mit Dollar-Doping auf den Olymp.

"Schwäbische Zeitung" (Leutkirch): Fehler? Gab es - ganz gewiss im Umgang mit Kritikern der Kandidatur. Voreilig auch das Versprechen, die Bewerbungskosten allein aus Drittmitteln zu finanzieren. Jetzt zahlt der Steuerzahler 6,5 Millionen Euro. Aber: Ob das in Durban interessierte? Kaum. Das Paket, das sie geschnürt hatten in Bayern, es hätte Olympia gutgetan: kurze Wege, traditionell gutbesetzte Ränge und sicher auch jene Leichtigkeit, die zuletzt die Alpine Ski-WM trug. Nachhaltigkeit war das zentrale Thema der Bewerbung. Muss man Sportanlagen in Retorten-Orten errichten, um olympiawürdig zu sein? 1,4 Milliarden Dollar teuer ist das südkoreanische Alpensia-Ski-Resort ...

"Südwest Presse" (Ulm): Schon die Vergabe 2014 an das russische Sotschi, das durch viele Rubel eine Retorten-Winterolympiastadt an der Schwarzmeerküste aus Mütterchen Erde stampft, gab die fatale Richtung vor. Der Zuschlag für Pyeongchang, das sich zum dritten Mal beworben hat, ist ein weiterer Rückschritt. Mit der Absage an München folgten die IOC-Gewaltigen - wie schon so oft - dem Lockruf des Geldes. Abfahrer fahren sicher nicht auf Pyeongchang ab. Geld kann Wege zu Olympia ebnen, aber eine "Garmischer Kandahar" können auch noch so viele südkoreanische Won nicht herzaubern. Der im Wintersport ungesättigte Markt in Asien bietet grandiose Möglichkeiten, rekordverdächtiges Geld zu machen. Die Durban-Entscheidung war ein Votum gegen die Wurzeln des Wintersports.

"Münchner Merkur": Den Zuschlag haben sich die Südkoreaner insofern sauer verdient, als sie nach zwei Niederlagen nicht aufgegeben und einen dritten Anlauf gewagt haben. München könnte sich daran ein Beispiel nehmen. So groß die Enttäuschung sein mag: Es gibt gute Gründe, nicht aufzustecken. Die Winterspiele 2022 fallen mit einem glanzvollen Jubiläum zusammen: 50 Jahre sind es dann her, dass München die Sommerspiele 1972 austrug.

"Der neue Tag" (Weiden): Das südkoreanische Pyeongchang hat den Zuschlag erhalten. Mit diesem Namen wird Wintersport ungefähr so eng in Verbindung gebracht wie die Sahara mit Eishockey. Nun gut, sie haben es bereits zum dritten Mal versucht, da ließ das IOC Milde walten. Milde, versüßt mit den Milliarden asiatischer Großkonzerne wie Samsung.

"Nürnberger Nachrichten": Olympische Spiele sind längst nicht mehr von der Stimmung vor Ort abhängig, vielmehr geht es vor allem um Kommerz. Offenbar passen die Südkoreaner in dieses Raster besser als München. Für die bayerischen Bewerber gilt es nun abzuwägen, ob es auch einen zweiten Anlauf geben soll - oder ob es bei einer einmaligen Kraftanstrengung bleiben soll. Eines steht trotz der Niederlage fest: Es war die beste deutsche Bewerbung in den vergangenen Jahrzehnten. Der Berliner und der Leipziger Versuch bleiben in schlechter Erinnerung.

Ein Schub für Rom

"Westdeutsche Zeitung": Die Wahl von Durban ist keine Überraschung. Trotz der Tatsache, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Prinzip ein unberechenbarer Zirkel ist. Olympia 2018 in München wird es nicht geben, die Stadt hat verloren bei einer Wahl, bei der es nur Gold, nicht aber Silber und Bronze gibt. Aktuell wollte man München im olympischen Zirkel nicht. Man wollte nicht den wirtschaftlichen Kernmarkt Europa, man wollte die neuen Märkte Asiens. Insofern war es eine Richtungsentscheidung. München wäre die einzige Stadt, die Sommer- und Winterspiele veranstaltet hätte. Ob es einen zweiten Anlauf gibt, ist unklar. Zu wünschen wäre es. Zu den prägendsten Erfahrungen im Sport zählen Niederlagen.

"Lübecker Nachrichten": Vordergründig geht es bei den geheimen Wahlen zwar um Kriterien wie Infrastruktur, Nachhaltigkeit, Finanzierung oder Rückhalt in der Bevölkerung. Doch davon lassen sich die Herren der Ringe nur selten leiten. Auch nicht von den Bauern in Garmisch, die ihr Land nicht hergeben wollten. Die Olympia-Macher verteilen ihre Stimmen nach anderen Maßstäben. Das wichtigste Kriterium - egal ob die Marke Olympische Spiele oder Fußball-WM heißt - ist die Suche nach neuen Märkten, nach Finanzquellen. Sotschi 2014, die Winterspiele im Badeparadies, und Katar 2022, die Fußball-WM im Wüstensand, stehen dafür. Pyeongchang ist also nur eine logische, eine konsequente Wahl.

"Neues Deutschland" (Berlin): Die Münchner, die sich in den vergangenen Wochen in einen kaum verständlichen Optimismus hineingesteigert hatten, sollten die Niederlage sportlich nehmen. Regelmäßig hatte IOC-Präsident Jacques Rogge vor der Abstimmung anklingen lassen, wie sehr es das IOC begrüße, wenn ein Kandidat Beharrlichkeit zeige. Dafür, dass München sich in der Disziplin Geduld versuchen will, gibt es noch keine Anzeichen - was die stattliche Anzahl der Olympiagegner hierzulande sicherlich freuen wird. Olympische Spiele sind ein Milliardenspektakel, die Nebenwirkungen für Umwelt und Staatsfinanzen zuweilen äußerst schwerwiegend.

"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle): Allen Olympia-Gegnern wird das für zukünftige Kandidaturen in die Hände spielen. Zusammen gerechnet sind für die drei Bewerbungen rund 100 Millionen Euro in die Hand genommen worden, München war mit etwa 33 Millionen sogar noch recht günstig. Trotzdem reiht sich ein Misserfolg an den nächsten. Viel Geld also für wenig Erfolg. Unberechtigt ist solche Kritik mit Sicherheit nicht.

"Leipziger Volkszeitung": Die Niederlage hängt mit den Regeln zusammen, nach denen im IOC gespielt wird. Die wichtigste Lehre nach dem gestrigen Tag lautet: Wer die Spiele will, muss zu einem langen Anlauf bereit sein. Antreten, verlieren und sich dann schmollend zurückziehen, bringt keine Punkte. Zur Erinnerung: Brasilien, Gastgeber der Sommerspiele in fünf Jahren, lag 2004 im Vorausscheid hinter Leipzig und schied aus, als es um die Bewerbung für 2012 ging. Die Südamerikaner warfen ihren Hut noch einmal in den olympischen Ring und wurden belohnt. München hat ein zu gutes Konzept, um es in der Schublade verschwinden zu lassen.

"Mannheimer Morgen": Um den Sport geht es auch in diesem Spitzenfunktionärsgremium erst in zweiter Linie. Das Konzept in München war trotz der vorgesehenen Milliardenbeträge relativ bescheiden - jedenfalls gemessen an den Beträgen, die das siegreiche südkoreanische Pyeongchang in Aussicht gestellt hat. Das war vielleicht ein Fehler. Olympia ist eben auch in erster Linie ein großes Geschäft. Wintersporttradition hat Südkorea kaum, aber das ist egal. Hier wird jetzt ein Einfallstor für den riesigen asiatischen Wintersportmarkt eröffnet.

"Zeit Online": München hat verloren. Es kann und sollte aber vom Sieger Pyeongchang lernen und sich erneut für die Spiele bewerben. Die Niederlage für München fiel deutlicher aus als erwartet. Über die vielschichtigen Gründe lässt sich nur spekulieren, zu undurchsichtig trifft das Internationale Olympische Komitee (IOC) seine Entscheidungen. Doch eine Lehre lässt sich ziehen: Geduld wird belohnt, Pyeongchang hat sich im dritten Versuch durchgesetzt. Für München war es der erste Anlauf.

"La Gazzetta dello Sport" (Italien): Südkorea hat das Rennen gemacht und die Chancen für Rom 2020 erhöht. Man sagt, dass Thomas Bach außer sich war, weil ihm einige den Rücken gekehrt haben, die ihn unterstützen wollten. Das war ein Zeichen für die bevorstehende Präsidentenwahl.

"Corriere dello Sport" (Italien): Pyeongchangs Sieg ist für uns ein schöner Erfolg. Die Spiele 2018 in Südkorea geben Rom 2020 einen Schub.

"Il Messaggero" (Italien): Mit den Spielen in Asien rückt Rom 2020 näher.

"La Repubblica" (Italien): Rom bejubelt den Zuschlag für Pyeongchang: Jetzt steigen die Chancen für Rom 2020.

"Corriere della Sera" (Italien): Pyeongchang holt die Spiele 2018 und stärkt Rom 2020.

Gigantismus siegt

"Sport Express" (Russland): Erstens war ein Austragungsort in Europa nicht zu erwarten, zweitens war die - bereits dritte - Bewerbung der koreanischen Stadt sehr überzeugend. Zielstrebigkeit und Geduld haben sich ausgezahlt.

"Kommersant" (Russland): Die Präsentationen in Durban mögen eindrucksvoll gewesen sein - aber es ist doch recht naiv anzunehmen, dass die erwachsenen Menschen vom IOC ohne feste Meinung angereist sind. Und hier hat sich - in positivem Sinn - die Hartnäckigkeit der Koreaner mit ihrer dritten Bewerbung ausgezahlt.

"Dagens Nyheter" (Schweden): Die Entscheidung für Pyeongchang war zu erwarten. Auch wenn es nur eine Stadt mit weniger als 50.000 Einwohnern ist. Mit den Milliarden-Investitionen der Südkoreaner konnten München und das französische Annecy nicht mithalten.

"Aftenposten" (Norwegen): Für München ist diese Niederlage schwer zu verdauen. Die Deutschen hatten knallhart gesetzt und viel Geld investiert. Bei ihnen und im französischen Annecy stand das meiste ja schon parat. In Pyeongchang muss eine neue Olympia-Stadt gebaut werden."

"Salzburger Nachrichten" (Österreich): Das höchste Budget hat den Ausschlag gegen München und gegen Annecy gegeben. Für das IOC war es in Durban eine richtungsweisende Wahl. Entscheidet man sich für Gigantismus oder für die Rückkehr zu einfacheren Spielen. Die Antwort gab es im ersten Wahlgang klar und deutlich: Das Moderne (Milliarden) besiegte die Tradition."

"Österreich": Die Wahl fiel wieder einmal nicht auf das beste Konzept (München), sondern aufs Geld.

"Kronenzeitung" (Österreich): Nichts wurde aus den Olympischen Winterspielen 2018 vor den Toren Österreichs.

"Hospodarske Noviny" (Tschechien): Mit der Wahl des koreanischen Pyeongchang nach zwei erfolglosen Versuchen haben die Veranstalter der Winterspiele 2018 eines deutlich gemacht: Das Internationale Olympische Komitee will auf neuen Märkte expandieren und wählt deshalb Kandidaten mit starken staatlichen und finanziellen Garantien im Rücken.

"Neue Westfälische": München hat sich mit seiner Olympia-Bewerbung eine ziemliche Klatsche abgeholt. Nicht nur, dass der Sieger Pyeongchang die bayerische Landeshauptstadt bereits im ersten Wahlgang entscheidend hinter sich gelassen hat. Die ausgesprochen spärlichen 25 Stimmen für München muss man ein Desaster mindestens für Bayern, aber eigentlich auch für Deutschland nennen. Nicht mal der Einsatz eines "Kaisers" und des deutschen Bundespräsidenten, auch nicht der der Bundesliga-Fußballstars oder gar des Meister-Trainers und schon gar nicht die Auftritte der in die Jahre gekommenen Eisprinzessin Katarina Witt haben das alles verhindert. Man könnte sich jetzt schnell auf die Suche nach Schuldigen machen und würde sicher auch fündig: bei den Grünen, die ihre eigene Parteivorsitzende aus dem Bewerbungskomitee abberiefen und damit nicht nur dem grünen Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, in den Rücken gefallen sind, sondern der gesamten Bewerbung schweren Schaden zugefügt haben. Man könnte auch die eigenbrötlerischen Voralpenländler mit ihrer egomanischen Weltsicht dafür verantwortlich machen, die ihre Grundstücke nicht hergeben wollten. Aber das sind alles Kämpfe der Vergangenheit. In die Zukunft geblickt muss man den DOSB auffordern, nun nicht nachzugeben im Ringen um Olympische Spiele für Deutschland. Aber es sollten - wie eigentlich immer schon - Sommerspiele werden. Deutschland hat seine Fähigkeit zum Sommermärchen mit der Herren-Fußball-WM gezeigt und wiederholt das gerade bei der Damen-WM. Das würde mit Olympia auch gelingen. Es muss ja nicht wieder Berlin sein. Auch nicht München. Aber Hamburgs Bewerbung als Tor zur Welt - das wäre eine starke Bewerbung. Und Olympia in Deutschland - das ist nach 39 Jahren überfällig.

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