Premiere: Aida an der Oper München:Ein Buh für die Sterilität

Die erwartete Überraschung bleibt aus: Christof Nel inszeniert Aida an der Münchner Oper doch nicht revolutionär, sondern recht klischeebeladen.

Lisa Sonnabend

In einem weißen Gewand vor einem grauen Gebäude, das kein ägyptischer Tempel ist, sondern wie eine unbelebte Neubausiedlung aussieht, windet sich Aida in ihrer Verzweiflung. Die äthiopische Sklavin in Hand der Ägypter ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu zwei Männern, die gegeneinander Krieg führen: der Liebe zu ihrem Vater und zum ägyptischen Heerführer Radames.

Premiere: Aida an der Oper München: Aida mit Gospeltimbre: Kristin Lewis ist die positive Überraschung der Inszenierung von Christoph Nel.

Aida mit Gospeltimbre: Kristin Lewis ist die positive Überraschung der Inszenierung von Christoph Nel.

(Foto: Foto: Wilfried Hösl/Staatsoper)

Die Marke Aida wird hierzulande in Musicals, auf Freiluftbühnen und in großen Hallen in letzter Zeit arg verramscht. Und so machte die Inszenierung von Christof Nel neugierig: Ganz anders wolle er die Aida für das Münchner Opernpublikum inszenieren, hieß es im Vorfeld. Das Opernhaus bei der Premiere am Montagabend ist dementsprechend bis auf den letzten Platz besetzt.

Doch die Überraschung bleibt aus. Die Aida von Christof Nel, der eigentlich eher für radikalere Inszenierungen steht, kommt dann doch sehr werktreu daher. Vom Klischee der Oper von Giuseppe Verdi entfernt Nel sich nur viertelherzig. Vieles fängt Nel nur an, ohne konsequent in der Durchführung zu sein. So suchen die Zuschauer zwar in dieser Inszenierung Pharaonen, Pyramiden und Elefanten vergebens und auch auf Pomp und Pappmaschee wird weitgehend verzichtet. Nel will sich stattdessen auf die Figuren konzentrieren. Doch die bleiben in der grauen, sterilen Umgebung recht farblos. Das Unternehmen gelingt deswegen nur halbwegs.

Die sich fast ständig drehende Bühne der Staatsoper gaukelt eine Dynamik vor. Die Folterszenen, die gezückten Schwerter und das viele Theaterblut überspielen eine fehlende Dramatik. Radames (Salvatore Licitra) nimmt man seine Rolle als Krieger und Liebhaber erst gegen Ende ab. Zu bubenhaft sind seine Stimme und sein Auftreten zunächst. Die stimmstarke Kristin Lewis als Aida überzeugt dagegen. Ihr vibrierender Gospel-Timbre geht unter die Haut.

Dirigent Daniele Gatti leitet das Orchester gefühl- und schwungvoll, doch dieses folgt ihm gelegentlich nur schleppend und trägt die Dramatik der Oper nicht immer. Am Ende erntet Gatti fast so viele Buhrufe wie Regisseur Nel. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags, oder Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerische Landeszentrale für neue Medien, erheben sich nicht von ihren Sitzen. Allerdings mischen sich auch einige Bravo-Rufe unter die Buhrufe und den eher verhaltenen Applaus. Das Aida-Publikum scheint nach der Aufführung ähnlich zerrissen wie die Hauptfigur selbst.

Auf dem Heimweg bleibt jedoch eines in Erinnerung: das anrührende Schlussbild. Die Solisten und das Orchester steigern sich im Laufe der Oper - und Regisseur Nel beweist zum Ende endlich einmal Mut und löst sich von der Vorlage.

Aida hat sich in den zu Radames, der lebendig in der Gruft des Tempels eingeschlossen ist, geschlichen, um gemeinsam mit ihm zu sterben. Nie wurden Enge und Einsamkeit weiter dargestellt als auf der offenen Bühne des Nationaltheaters. Nie wurde Dunkelheit schwärzer ausgedrückt als durch die düster gekleideten Tempelwächter, die das Paar umrahmen und zeigen: Der Kreis schuldiger Mitmenschen ist die unbezwingbarste Mauer, die es gibt. Das war der Triumph der Aufführung.

Musikalische Leitung: Daniele Gatti, Inszenierung: Christof Nel, Bühne: Jens Kilian, Kostüme: Ilse Welter-Fuchs, Amneris: Ekaterina Gubanova, Aida: Kristin Lewis, Radamès: Salvatore Licitra, Ramphis: Giacomo Prestia

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