Praxis gesucht:Keiner will den Abtreibungsarzt

Friedrich Stapf in seinem OP-Raum. Spätestens in einem Jahr muss er hier ausziehen.

Friedrich Stapf in seinem OP-Raum. Spätestens in einem Jahr muss er hier ausziehen.

(Foto: Robert Haas)

Sie stellen sich vor seine Praxis und versuchen, Frauen von einer Abtreibung abzubringen. Doch das ist nicht das einzige Problem, das der Münchner Mediziner Friedrich Stapf mit selbsternannten "Lebensrettern" hat. Er sucht dringend nach neuen Räumen für seine Praxis - unmöglich mit den Demonstranten.

Von Stephan Handel

So also sieht die Hölle von innen aus: Ein gemalter Dschungel bedeckt alle Wände und die Decke des Raums, Tiger und Papagei stehen friedlich nebeneinander, und von einer Foto-Wand lächeln unzählige Babys. Friedrich Stapf steht mittendrin und sagt: "Wär' doch schade, wenn wir hier raus müssten. Nach 21 Jahren."

Die Hölle ist tatsächlich eine Arztpraxis, eine Klinik sogar: "Klinik Stapf" steht unten auf dem Schild, mehr nicht. Friedrich Stapf ist Arzt - "Kein Doktor! Wer einen Namen hat, braucht keinen Titel" -, aber seine Profession ist nicht die Therapie von Krankheiten, nicht die Linderung von Schmerzen. Friedrich Stapf hilft schwangeren Frauen, die ihr Kind nicht bekommen wollen. Stapf ist Abtreibungsarzt.

Nun ist das wahrscheinlich keine Profession, die jemand zu Beginn des Medizinstudiums anstrebt, und auch Stapf selbst kam erst durch ein Erlebnis auf seine Spezialisierung: Vor mehr als 40 Jahren begleitete er seine damalige Freundin zu einer Abtreibung, der Arzt war wohl ein rechter Quacksalber, "alles war voll Blut, mich hat's umgehauen". In Krankenhäusern lernte er die so genannten "Fehlgeburtsstationen" kennen: "Da lagen die ganzen verpfuschten Abtreibungen." So entschied der junge Mediziner, dass, wenn Frauen schon zu allen Zeiten Wege gefunden haben, ungewollte Kinder nicht zu bekommen, es doch besser sei, wenn ihnen fachgerecht und sachkundig geholfen werde.

"Wir wollen so etwas nicht im Haus"

1991 gründete er in Stuttgart eine erste Klinik, 1993 kam die in München dazu, nach einigem Behörden-Hickhack, weil das christsoziale Bayern immer noch fand, dass die Legalisierung der Abtreibung nichts an ihrer Verwerflichkeit geändert habe. Über Zahlen redet Stapf nicht gerne, er ist gut ausgelastet jedenfalls, am Bedarf kann kein Zweifel bestehen - auch, weil in München nur eine Handvoll Gynäkologen Schwangerschaften abbrechen. Die großen Kliniken bieten den Eingriff höchstens bei medizinischer Indikation an, also wenn das werdende Kind behindert wäre und eine Gefahr für die Mutter bestünde.

Nun aber sieht es so aus, als sei die Klinik Stapf bald Geschichte: Der Mietvertrag ist ausgelaufen und wurde vom Vermieter nur kulanzhalber um ein Jahr verlängert, bis Juni 2015. Bis dahin neue Räume zu finden - Stapf ist nicht sehr optimistisch nach den Erfahrungen, die er bislang gemacht hat.

"Wir wollen so etwas nicht im Haus", "unser Mitbesitzer ist in der CSU, der duldet so etwas nicht" - solche und ähnliche Absagen hat Stapf vielfach gehört, außerdem ist die Umsatzsteuer-Gestaltung recht kompliziert und wenig lukrativ für den Vermieter. Das größte Hindernis aber sind die Demonstrationen und die Leute, die fast täglich vor der Stapfschen Klinik stehen.

Schikane vor der Praxis

So genannte Lebensschützer, Abtreibungsgegner also, haben in Stapf ihren Münchner Lieblingsgegner gefunden, für sie ist seine Klinik tatsächlich die Hölle auf Erden, weshalb sie gleich um die Ecke ihr "Lebenszentrum" etabliert haben. Vor der Klinik stehen sie drei bis vier mal in der Woche zur "Gehsteigberatung" bereit: Sie halten Frauen auf, die zu Stapf wollen, und versuchen, sie von ihrem Entschluss zur Abtreibung abzubringen. Einmal im Monat demonstrieren sie vor dem Haus. "Damit muss ein neuer Vermieter ebenfalls rechnen", sagt Stapf.

Dabei hat er sich gegen die "Gehsteigberatung" erfolgreich gewehrt: Das Kreisverwaltungsreferat stufte sie im vergangenen Jahr als "grob ungehörig" ein und als eine "grobe Regelmissachtung, welche sich deutlich vom ordnungsgemäßen Verhalten abhebt": Eine Frau auf dem Weg zu einer Abtreibung befinde sich in einer seelischen Ausnahmesituation und könne sich gegen die oftmals aggressiv auftretenden "Gehsteigberater" nicht zur Wehr setzen.

Zwar gab es in einem späteren Gerichtsverfahren einen Kompromiss, der die "Gehsteigberatung" direkt vor der Klinik verbietet, sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite jedoch erlaubt. Doch laut Stapf halten sich die "Lebensschützer" kaum daran. Um das jedoch beweisen zu können, müsste er jeden Fall dokumentieren und womöglich noch eine oder mehrere Patientinnen dazu bringen, als Zeugen auszusagen - "das kann ich denen nicht zumuten".

Stapf wartet auf eine Antwort von Hep Monatzeder

350 Quadratmeter bräuchte er, gut erreichbar mit dem öffentlichen Nahverkehr, dazu noch ein paar Sondereinrichtungen, die für seine Arbeit notwendig sind, so etwa ein zweiter Ausgang, wie er vorgeschrieben ist, wenn operiert wird, zudem ein Patientinnenzimmer mit zwei Betten, wenn Frauen mal über Nacht bleiben müssen. Stapf hatte schon die Idee, sich doch in einer städtischen Klinik einzumieten, hat deshalb auch an Hep Monatzeder geschrieben, aber keine Antwort erhalten.

Das Dschungelgemälde wird er jedenfalls nicht mitnehmen können, wenn er etwas findet. Die Pinnwand mit den Baby-Fotos schon: Das sind die Kinder, deren Mütter sich nach einem Gespräch mit Stapf doch für das Baby entschieden haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: