Prävention im Alter:Wenn der Sozialpädagoge daheim vorbeischaut

Prävention im Alter: Zeit nimmt sich Renata Petrauskaite (rechts) für ihre zuvor vereinbarten Hausbesuche, um ältere Menschen über Unterstützungsangebote zu beraten.

Zeit nimmt sich Renata Petrauskaite (rechts) für ihre zuvor vereinbarten Hausbesuche, um ältere Menschen über Unterstützungsangebote zu beraten.

(Foto: Catherina Hess)

In sieben Alten- und Servicezentren finden Hausbesuche bei Hilfebedürftigen statt - das Angebot soll ausgeweitet werden

Von Sven Loerzer

Wenn Renata Petrauskaite an der Wohnungstür klingelt, um zum Hausbesuch vorbeizuschauen, dann geht es meist um die weniger schönen Seiten des Alterns. Um Menschen, die sich schwertun, nach dem Tod ihres Partners nicht zu vereinsamen, um alte Leute, die wegen zunehmender Gebrechlichkeit Hilfe im Haushalt benötigen oder sogar Pflege, damit sie zu Hause bleiben können. Seit März 2015 ist die Sozialpädagogin für das Alten- und Service-Zentrum (ASZ) Sendling der Arbeiterwohlfahrt zu "präventiven Hausbesuchen" unterwegs, um über Freizeitangebote, Vorsorge, Hilfen, Wohnungsanpassung und andere Fragen zu informieren, die sich im Alter ergeben. Ihre Halbtagsstelle geht zurück auf das neue ASZplus-Konzept, das die Stadt in diesem Jahr für bislang sieben ASZ eingeführt hat.

Daneben hat das ASZ Sendling aber als "Plus" auch eine weitere halbe Sozialpädagogenstelle bekommen, um mehr ehrenamtlich Aktive - inzwischen etwa 60 Frauen und Männer - besser betreuen zu können, erklärt ASZ-Leiter Kai Weber. Das hat sich bewährt: Helferfortbildungen sind wichtig, um die Aktiven zu halten. Drei neue ehrenamtliche Kursleiter konnten gewonnen werden, die sechs neue Kurse im ASZ anbieten, wie etwa für den Umgang mit dem PC oder eine Rückenschule. Die neue Teilzeitkraft konnte auch Seniorenbegleiter werben, die alten Leuten, die sich nicht mehr alleine aus dem Haus trauen, zur Seite stehen. Dank des größeren Teams gebe es nun mehr Gruppenangebote. "Wir kümmern uns um demenzkranke und seelisch belastete Menschen", sagt Weber. Neu sind die Demenzgruppe und eine Parkinson-Selbsthilfegruppe.

Zwar vermittelte das ASZ schon früher Hilfen, wenn Senioren alleine nicht mehr zurecht kamen. Aber für viele Senioren war das auch eine Hürde: "Jetzt müssen sich die Menschen nicht mehr als unterstützungsbedürftig definieren", erläutert Weber. Renata Petrauskaite informiert sie beim kostenlosen Hausbesuch über die breite Palette der Angebote für ältere Menschen, damit sie im Bedarfsfall wissen, dass sie sich ans ASZ wenden können. Um das ASZ-Plus besser bekannt zu machen, planen die Träger eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, wie Arbeiterwohlfahrt-Geschäftsführer Christoph Frey sagt.

Nur bei etwa einem Viertel der Hausbesuche bleibt es bei dem Informationsgespräch. Drei Viertel der Besuchten aber haben schon "Bedarfe", wie es Weber nennt. Sie benötigen häusliche Hilfe oder sogar bereits Pflege, würden gerne eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung verfassen. "Meist folgt etwas aus dem Hausbesuch." Je nach Bedarf kümmert sich Renata Petrauskaite um Hausnotruf oder Essen auf Rädern. "Wir würden uns freuen, wenn sich noch mehr alte Leute selbst melden würden", sagt Weber. "Die meisten haben viel zu wenig soziale Kontakte, sind viel zu viel allein." Ihnen könnten die Begegnungsangebote des ASZ helfen: "Da ist für fast jeden etwas dabei."

Mehr Senioren als zuvor erhalten nun eine warme Mahlzeit. Das ermöglicht die zusätzliche Halbtagskraft für die Küche, finanziert aus dem Plus-Konzept. Täglich kommen etwa 50 Frauen und Männer. "Allerdings haben wir noch immer eine Warteliste", sagt Weber. Etwa ein Drittel der Mittagsgäste sind Grundsicherungsempfänger und müssen für das Essen nicht bezahlen, ein weiteres Drittel, das kaum mehr zum Leben hat als die Grundsicherung in Höhe von 420 Euro monatlich, erhält die Mahlzeit dank der Unterstützung von SZ-Lesern über den "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" zum stark ermäßigten Preis, der Rest bezahlt die 5,30 Euro selbst.

Um alle 13 Sozialregionen in München mit wenigstens einem ASZplus zu versorgen, plant das Sozialreferat, im nächsten Jahr das Konzept auf weitere sechs der 32 ASZ auszudehnen, was rund 750 000 Euro pro Jahr kosten wird. "Der Ausbau der Unterstützungsangebote für ältere Menschen in München ist eine der wichtigsten sozialpolitischen Aufgaben", sagt SPD-Stadträtin Anne Hübner. "Vor allem alleinlebende Menschen mit kleiner Rente sind auf die Angebote des ASZ angewiesen." Zudem lasse sich durch die Hausbesuche verhindern, dass Menschen unversorgt bleiben und in Not geraten. Hübner ist deshalb "sehr zuversichtlich", dass der Stadtrat an diesem Donnerstag den weiteren Ausbau der ASZplus beschließen wird. Sie hoffe, dass große Stadtteile wie Pasing zumindest mittelfristig ebenfalls ein personell besser ausgestattetes ASZ bekommen.

Renata Petrauskaite appelliert besonders an die jüngeren Senioren, sich rechtzeitig zu informieren. "Doch da ist Prävention immer noch ein Tabu. Sie wollen nicht nachdenken, was wäre wenn ..." Zum Beispiel, wenn jemand nach einem Oberschenkelhalsbruch pflegebedürftig wird. "Aber das", sagt die Sozialpädagogin, "passiert schneller als man denkt".

Derzeit gibt es das ASZplus in der Maxvorstadt, in Sendling, Allach-Untermenzing, Perlach, Haidhausen, Fürstenried und Ramersdorf. Dazukommen sollen im nächsten Jahr, wenn der Stadtrat dies beschließt, Schwabing-Ost, Westend, Moosach, Milbertshofen, Riem und Untergiesing. Später sollen Westpark und Hasenbergl folgen.

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