Pränataldiagnostik:"Die Freude über das Baby wird von der Angst verdrängt"

Bauch einer schwangen Frau

"Die Schwangerschaft wird zu einem empfundenen Risiko", sagt Margret Meyer-Brauns. Sie hilft Eltern, die ein Kind mit Behinderung erwarten.

(Foto: dpa)
  • Die Lebenshilfe München veranstaltet an diesem Samstag um 10 Uhr an der St. Quirin-Straße 13 a in München einen Fachtag über pränatale Diagnostik und Behinderung.
  • Infos unter www.lebenshilfe-muenchen.de oder Telefon 693 470, Anmeldung an pnd@lebenshilfe-muenchen.de.

Von Daniela Gassmann und Cathrin Schmiegel

Die Frau ist schwanger, die Eltern freuen sich auf ihr Baby, und dann der Schock: Das Kind hat eine Behinderung. Von ihrem Schicksal erfahren heute viele Mütter und Väter schon vor der Geburt durch pränatale Diagnostik. Dann müssen sie sich fragen: Wie gehe ich damit um? Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei behinderten Kindern nimmt zu.

Margret Meyer-Brauns hilft Eltern, die vor diesem Dilemma stehen. Die meisten angehenden Mütter sind heute über 30 Jahre alt. "Werdende Eltern geraten in Erklärungsnot, wenn sie eine pränatale Untersuchung ablehnen", sagt Meyer-Brauns. "Inzwischen wird die Freude über das Baby von der Angst verdrängt. Die Schwangerschaft wird zu einem empfundenen Risiko."

"Wir machen Mut, das Kind zu behalten" - 90 Prozent entscheiden dagegen

Seit zwölf Jahren ist sie Angehörigenberaterin bei der Lebenshilfe München. In die Situation der Menschen kann sie sich einfühlen: Die 57-Jährige hat selbst einen geistig behinderten Jungen großgezogen. Die Diagnose lautete Epilepsie. Lange wollte sie die Nachricht von der Krankheit nicht wahrhaben, suchte Ärzte aus aller Welt auf. "Ich wollte die Welt um mich herum einreißen", sagt sie.

Trotzdem gab es schöne Momente. Ihr Sohn gab ihr die Kraft, das Leben mit ihm zu genießen, seine Leichtigkeit und seinen Humor. In der Lebenshilfe spricht Meyer-Brauns von beiden Seiten. "Wir machen Mut, das Kind zu behalten", sagt sie, "ohne bei der Beratung eine rosarote Brille aufzusetzen". Trotzdem entscheiden sich viele der Eltern für eine Abtreibung. 90 Prozent behalten ihr Kind nicht. Schuld ist oft das Umfeld: Freunde und Verwandte vermitteln, ein solches Baby ist eine zu große Belastung. Ist ein Abbruch heute gesellschaftlich akzeptierter als ein behindertes Kind? "Sicherlich", sagt Meyer-Brauns.

Die Entscheidung über Leben und Tod musste Meyer-Brauns nicht treffen. Als die Diagnose kam, war ihr Sohn vier Jahre alt. Das hält sie für ein großes Glück. Viele Pränatalmediziner zeichnen nach der Untersuchung ein düsteres Bild von dem Leben mit dem behinderten Kind. Die werdenden Eltern kommen oft "unglaublich traurig und verzweifelt" in das Büro von Meyer-Brauns. Zu einem Paar, das sie beraten hat, sagte ein Arzt: "Mit einem Mal sind so viele schöne Träume vorbei." Nicht immer kann eine Beratung diese Ängste auffangen. "Ob das Baby nun auf die Welt kommt oder nicht", sagt Meyer-Brauns. "Solche Aussagen lassen die Eltern nie wieder los."

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