Porträts der Nationalspieler:Kicker in Kohle

"Sie haben großes Talent, ich habe großes Talent": Nahid Shahalimi hat alle deutschen Fußball-Nationalspieler gezeichnet - Mario Gomez, Thomas Müller und Philipp Lahm. Bald gibt es die Bilder in München zu sehen. Und zu ersteigern.

Stefan Galler

Warum sie sich mit ihrer Arbeit ausgerechnet den deutschen Fußball-Nationalspielern gewidmet hat, begründet Nahid Shahalimi ziemlich selbstbewusst: "Sie haben großes Talent, ich habe großes Talent, was liegt da näher, als beides zu kombinieren." Die in Afghanistan geborene und jetzt in München lebende Künstlerin hat sich in den vergangenen Monaten einem großen Projekt verschrieben: Im Jahr der Europameisterschaft hat sie sämtliche Spieler des erweiterten DFB-Kaders, dazu den Trainerstab um Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff porträtiert.

Porträts der Nationalspieler: Die Künstlerin Nahid Shahalimi hat für einen guten Zweck Porträts der Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gemalt.

Die Künstlerin Nahid Shahalimi hat für einen guten Zweck Porträts der Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gemalt.

(Foto: Claus Schunk)

Bei den meisten der Bilder sind die Details mit Kohle gezeichnet, anschließend hat Shahalimi mit Acrylfarben auf Wasserbasis einzelne Stellen nachkoloriert und schließlich mit Wachs für einen ganz besonderen Effekt gesorgt. Herausgekommen ist eine in sich stimmige Kollektion, wobei jedes der Werke eine sehr individuelle Note erhalten hat.

Während etwa die Bayernspieler Mario Gomez und Philipp Lahm in satten Farben und mit scharfen Kontrasten daherkommen, sind Dennis Aogo (Hamburger SV) und Benedikt Höwedes (Schalke) eher stilisiert, mit Perlmutt verziert dargestellt. "Die künstlerische Freiheit, die Spieler total verschieden und mit unterschiedlichen Techniken zu malen, habe ich mir genommen", sagt Nahid Shahalimi, deren Bilder vom 27. April bis 26. Mai unter dem Motto "German Soccer for Life - 2012" in der Münchner Schrannenhalle gezeigt werden.

Im Anschluss an die Ausstellung werden die Porträts der Fußball-Nationalspieler versteigert - jedes Bild ist vom jeweiligen Spieler signiert, der Erlös geht an Unicef sowie an vom DFB unterstützte soziale Projekte in den EM-Gastgeberländern Polen und Ukraine.

Grünes Licht für dieses ambitionierte Projekt zu bekommen, erwies sich als ziemlich schwieriges Unterfangen für die Kosmopolitin, die schon in Pakistan, Kanada, den Vereinigten Staaten und Spanien gelebt hat und beim Reden ständig zwischen fließendem Deutsch und Englisch hin- und herwechselt. "Die Frage war, wie ich an die Jungs herankommen sollte", sagt Shahalimi. "Aber ich bin ein sehr zielorientierter Mensch, also habe ich die Assistentin von Herrn Bierhoff acht Monate lang belästigt."

Irgendwann kam der Rückruf des DFB-Managers und als dieser hörte, dass es sich um ein Charity-Projekt handelt und die Kosten durch Sponsoren gedeckt würden, war sein Interesse geweckt und die generelle Erlaubnis kein Problem mehr. "Ich habe ihm klar gemacht, dass es mir um die Charaktere dieser jungen Sportler geht und dass ich in meinen Bildern die Schönheit des Menschen an sich herausarbeiten möchte", sagt sie. Als Vorbild dienten jeweils jede Menge Fotos, die für das Porträt verfremdet wurden - um Model zu sitzen, fehlte den Fußballprofis dann doch die Zeit.

Als Argumentationshilfe konnte die Künstlerin beim DFB mehrerlei ins Feld führen. Da wären einmal ihre Referenzen: Für Audrey Hepburns ältesten Sohn Sean malte sie vor einigen Jahren ein Porträt der Schauspielerin, bei dem sie erstmals ihre Wachstechnik anwandte. Mit Sean Hepburn Ferrer zusammen hatte sie dann auch die Idee, sich verstärkt im karitativen Bereich zu engagieren.

Als im Oktober 2010 im Berliner Adlon-Hotel der äußerst seltene Zehnerbogen einer niemals auf den Markt gekommenen deutschen Briefmarke mit dem Konterfei von Audrey Hepburn für 430 000 Euro den Besitzer wechselte, war auch Nahid Shahalimi dabei - und versteigerte ein Hepburn-Porträt für 20 000 Euro - ebenfalls zugunsten von Unicef.

Im gleichen Jahr hatte sie bedeutende Frauen aus München und Berlin, darunter Politikerin Ursula von der Leyen, Unternehmerin Regine Sixt, Schauspielerin Suzanne von Borsody oder Moderatorin Nina Ruge, für die Reihe "We, the Women" porträtiert - auch hier flossen alle Einnahmen an das Kinderhilfswerk der UN.

Doch nicht nur das künstlerische Schaffen der zweifachen Mutter, die in diesen Tagen ihren 39. Geburtstag feiert, beeindruckte die DFB-Verantwortlichen. Auch ihre Biographie, in der die Tatsache, dass sie im Jahre 2000 für die kanadische Volleyball-Nationalmannschaft an der World-Tour teilnahm, fast zur Randnotiz verkommt.

Flucht aus Afghanistan

Als eine von vier Töchtern eines einflussreichen Politikers verbrachte Nahid Shahalimi eine unbeschwerte Kindheit in Kabul. "Wir hatten eine 37-Zimmer-Villa mit acht Angestellten und verfügten über wirklich großen Reichtum", schildert die Frau. Doch das Glück währte nicht lange: Der Einmarsch der Sowjets Ende der 70er Jahre stürzte das Land ins Chaos, Shahalimis Vater starb 20 Tage nach ihrem achten Geburtstag in Folge einer Operation. Die 40-Tage-Trauer war gerade vorbei, da zogen die Besatzer sieben Achtel des Familienbesitzes ein.

Einige Jahre später konnte sich die Familie in der Heimat endgültig nicht mehr sicher sein: Das Regime drohte der Witwe, ihre Kinder zu entführen, falls sie nicht kooperiere. Das war für Nahid Shahalimis Mutter das Signal zur Flucht. Sie machte sich mit ihren vier Töchtern, den Großeltern und einer Tante auf den Weg nach Pakistan. "Wir sind nur noch gelaufen, die Slipper, die wir trugen, waren am Ende durch."

Auf Eseln durchquerte die Familie die Berge, fünf Tage und vier Nächte dauerte die lebensgefährliche Tour. "Es waren teilweise so schmale Wege, dass ein Mensch Schwierigkeiten gehabt hätte, das Gleichgewicht zu halten", erinnert sich Shahalimi, "in den Schluchten lagen Dutzende von Skeletten abgestürzter Flüchtlinge." Sie ernährten sich von Nüssen, Brot und Wasser, erlebten in fünf Tagen alle vier Jahreszeiten, heiße Tage, bitterkalte Nächte - und kamen schließlich in Pakistan an.

"Unser Paradies war in einem Tag zerstört, ich erinnere mich, wie meine Mutter nachts oft weinte", sagt sie. Vom Vermögen der Familie konnten sie einen erklecklichen Betrag an Bargeld mit nach Islamabad schmuggeln. Das Geld reichte auch, um elf Monate später nach Quebec zu emigrieren. In Montreal nahm Nahid Shahalimi später ihr Studium auf, sie befasste sich mit Politikwissenschaft und den Bildenden Künsten.

Ihre Verbindung zu ihrem Heimatland ist nie abgerissen, auch nicht, als sie vor einigen Jahren mit ihrem ebenfalls aus Afghanistan stammenden Ehemann, einem wohlhabenden Unternehmer, nach München zog. Seit 2007 unterstützt sie die Hope Foundation for Women and Children in Afghanistan (Hofa), sie finanziert dort Kunstklassen in Schulen.

Wenn man die modern gekleidete und sehr extrovertierte Frau erlebt, mag man kaum glauben, dass sie sich in ihrer Heimat den dortigen Gepflogenheiten anpasst: "Wenn ich in Kabul bin, verschleiere ich mich so, wie es dort gewollt ist." Für sie sei das eine Frage des Respekts und die einzige Möglichkeit, die Rolle der Frauen dort zu stärken: "Afghanistan braucht Frauen wie mich, gebildete Frauen, die eine Stimme haben", sagt sie. "Aber diese Stimme wird nur gehört, wenn wir das Land so respektieren, wie es ist."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: