Schriftstellerin Martha Schad:Die Spätzünderin

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Sie macht aus vernachlässigten Frauenschicksalen Bestseller: Die Autorin Martha Schad lieferte schon die Grundlage für zwei Verfilmungen. (Foto: Dieter Schnöpf)
  • Die gebürtige Münchnerin Martha Schad ist mit Frauen-Biographien zur Bestsellerautorin geworden. Basierend auf ihrem zuletzt veröffenlichten Werk über Stalins Tochter hat Arte einen Dokumentarfilm produziert.
  • Bereits ihre Biografie über Josefine Lehnert aus Ebersberg, Privatsekretärin des Papstes Pius XII., wurde von der ARD verfilmt - mit Schads Enkelin Magdalena in einer Nebenrolle.
  • Für ihr aktuelles Buchprojekt recherchiert die promovierte Historikerin im Vatikan: über vier Frauen, die unter dem Petersdom begraben liegen.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Martha Schads Karriere begann spät und kurios. Sie war fast 50, als sie von der Newcomerin zur Bestseller-Autorin emporstieg. Und das ist sie bis heute. Fast immer schreibt die Wahl-Augsburgerin Biografien über Frauen, und fast immer schlagen ihre Bücher ein.

Ihr zuletzt veröffentlichtes Werk "Stalins Tochter: Das Leben der Swetlana Allilujewa" wurde in acht Sprachen übersetzt und als Hardcover mehr als 20 000 Mal verkauft. Die Taschenbuchausgabe ist bereits auf dem Markt und Arte drehte über die Tochter des Tyrannen eine Dokumentation, die auf Martha Schads Erkenntnissen beruht.

"Gehns heim und schreibens Bücher"

Es ist nicht das erste Werk Martha Schads, das verfilmt wurde. Aber beginnen wir zunächst von vorne. Zunächst war die gebürtige Münchnerin lange Jahre zufriedene Mutter und Hausfrau. Erst als ihre Kinder sich anschickten, das Haus zu verlassen, suchte sie eine neue Aufgabe. Mit 40 machte sie das Abitur nach und begann zu studieren, Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Augsburg.

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Ihre Doktorarbeit trug noch einen sperrigen Titel: "Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie (15.-17. Jahrhundert): Augsburg - Ortenburg - Trient". Nach der Promotion fragte sie ein Wissenschaftler, was sie mit ihrem Doktortitel nun machen wolle. Sie werde sich als Lektorin bewerben, antwortete sie. "Was wollen Sie in einem Verlag?", antwortete der Mann, "Sie können doch selbst schreiben." Sie entgegnete noch, außer der Dissertation habe sie bislang doch nur Briefe und Weihnachtskarten geschrieben. Ihr Gegenüber bestärkte sie: "Gehns heim und schreibens Bücher."

Das machte sie dann auch. "Ich saß in meinem Eckele im Schlafzimmer an meiner Schreibmaschine und habe mich mit dem beschäftigt, was ich schon immer wissen wollte", berichtet Martha Schad. Frauen-Schicksale. 1998 veröffentlichte die jetzt fast Fünfzigjährige "Kaiserin Elisabeth und ihre Töchter". Das Buch ging durch die Decke. Fünf Auflagen in einem Jahr. Und der Erfolg war keine Eintagsfliege.

Sie füllt eine Lücke - mit schonungsloser Faktentreue

Es kam noch besser. 2002 erschien "Bayerns Königinnen". Auf 374 Seiten stellte Martha Schad detailreich die glänzenden und elenden Lebensläufe der Herrscher-Gemahlinnen dar. "Damit bricht eine Frau in die Phalanx der männlichen Historiker ein und beschämt diese", schrieb die Süddeutsche Zeitung. Damals gab es noch keine Abhandlung über die bayerischen Königinnen. Martha Schad füllte die Lücke. Und wie. Das Buch kostete fast 50 Mark, doch die Leserinnen rissen es ihr aus der Hand.

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Dieses Gespür für spannende Geschichten ist Martha Schads Stärke. Als weiterer Erfolgsgarant kommt hinzu: Sie schreibt immer sachlich, aber nie langweilig. Sie beschönigt nichts, sondern stellt mit schonungsloser Faktentreue dar. Man könnte auch sagen: Sie findet den Mittelweg zwischen wissenschaftlicher Dokumentation und populärer Erzählung. Und dann hat sie noch das Talent, auf Menschen einzugehen.

Davon profitiert sie in zweifacher Hinsicht: Erstens erzählen ihr die Menschen mehr als so manchem anderen Journalisten. Zweitens kommt sie überhaupt erst mit Persönlichkeiten in Kontakt, die zuvor noch kaum jemanden an sich herangelassen haben. Zum Beispiel Swetlana Allilujewa. Die Tochter Josef Stalins.

"Fragen Sie mich nie, nie nach meinem Vater"

Martha Schad suchte viele Jahre lang nach ihr. "Ich habe ganz Moskau abgegrast", berichtet sie. Vergeblich. Die erste Buchausgabe von "Stalins Tochter" erschien noch ohne persönliches Treffen. "Keiner wusste, wo sie ist", sagt Schad, "Aber das hat mir keine Ruh' gelassen." Letztlich stöberte sie die Diktatoren-Tochter doch noch auf. In einem Altenheim in Wisconsin/USA. Wenig später saß Schad in Allilujewas Zimmer und hörte zu. Vier Tage lang.

Swetlana Allilujewa mit elf im Bolschoi-Theater mit ihrem Vater (2. v. li). Sie starb verarmt mit 85. (Foto: Martha Schad (Archiv))

Dabei gab es auch Wutanfälle. "Fragen Sie mich nie, nie nach meinen Vater", habe sie gebrüllt. Doch sie öffnete auch ihr Herz, erzählte viel Unbekanntes. Über ihre Kindheit. Über die schönen und schrecklichen Stunden mit ihrem Vater. Über ihre Flucht in die USA. Über den Erfolg ihres Buches "20 Briefe an einen Freund". Über ihren Reichtum - und ihre Obdachlosigkeit. Allilujewa starb 2011 im Alter von 85 Jahren völlig verarmt. Martha Schad schrieb das Buch neu, es ist eine faszinierende Mischung aus zeitgeschichtlichem Dokument und Roman. Das Ergebnis ist jetzt auf Arte zu sehen.

Auf den Spuren spannender Frauenleben - trotz bald 77 Jahren

Schad schrieb über Hitlers Verehrerinnen ("Sie liebten den Führer") und über "Hitlers Spionin" Stephanie von Hohenlohe. Vor allem aber holte sie Hitlers Gegnerinnen ("Frauen gegen Hitler") aus dem Schatten von Sophie Scholl und entriss sie dem Vergessen. Es ist nicht ihr erfolgreichstes Werk, aber vielleicht das wertvollste.

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Mehr Geld verdiente sie mit der Biografie über Josefine Lehnert aus Ebersberg, die als Schwester Pascalina von der einfachen Haushälterin zur einflussreichen Privatsekretärin des Papstes Pius XII. aufstieg. "Gottes mächtige Dienerin" wurde von der ARD verfilmt, mit Christine Neubauer in der Hauptrolle. "Das war ein Sechser im Lotto", lacht Martha Schad, "aber das eigentliche Highlight war, dass meine Enkelin Magdalena mitspielen durfte."

In ihrem aktuellen Projekt recherchiert Schad wieder im Vatikan. Es geht um jene vier Frauen, die unter dem Petersdom begraben sind. Wenn das Buch im Frühjahr 2016 erscheint, wird sie 77 Jahre alt sein. Aber es wird wohl nicht ihr letztes Werk sein. Es gibt noch viele spannende Frauenleben, die noch nicht ausgeleuchtet sind.

Stalins Tochter: Dokumentation , Dienstag, 23. Juni, 22 Uhr, Arte, 55 Minuten

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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