Porträt:"Der Gast sucht etwas, wenn er an die Bar kommt"

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Selbst-Shake-Versuche von Bryan Adams oder Eros Ramazzotti hat José Garcia Hernandez auch gut überstanden in der Bar des Mandarin Oriental. (Foto: Robert Haas)

Was, das muss der Barkeeper erst herausfinden. Und darin war José Hernandez jahrzehntelang Profi - egal, ob Michael Jackson, Roger Moore oder Lionel Messi an seiner Bar im Mandarin Oriental saßen.

Von Philipp Crone, München

Wenn José Garcia Hernandez lächelt, muss man an einen Strohhalm denken. Das liegt allerdings nicht daran, dass der Mann aus Spanien so irre dünn wäre. Der 65-Jährige ist ein schmaler kleinerer Herr mit grauem Haar und einem Gesichtsausdruck, der alleine einem schon das Gefühl gibt, sehr willkommen zu sein und sich gerne in eine der gepolsterten Ecken der Bar im Mandarin Oriental sinken zu lassen. Wenn er dann lacht und seine strohhalmbreite Zahnlücke zeigt, kann man sich vorstellen, dass sich selbst Joe Cocker oder Michael Jackson in den vergangenen 28 Jahren bei ihm wohlgefühlt haben.

Hernandez ist nun seit Anfang April im Ruhestand und fliegt erst einmal für sechs Wochen nach Las Palmas. Dort fing das an, was nach einigen Auszeichnungen für Cocktail-Kreationen, Freundschaften mit Fußballern oder Musikern, mit Selbst-Shake-Versuchen von Bryan Adams oder Eros Ramazzotti und regelmäßigen Besuchen von Schuhbeck oder Schumann am vergangenen Freitag endete. Und die Zahnlücke ist schon ein erster wichtiger Hinweis darauf, warum es so ein scheinbar unscheinbarer und zurückhaltender Mann geschafft hat, die Menschen so für sich zu gewinnen, dass am Ende zwei verschiedene Abschiedspartys gefeiert werden mussten, um alle Gratulanten unterzubringen.

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Hernandez hat einen Blick, wie man sich den einer mythischen Sirene vorstellen könnte. Einnehmend, fesselnd. Er sitzt in seinem früheren Reich, der Bar im Erdgeschoss des Luxushotels, blickt zum Tresen und sagt: "In Santa Cruz auf La Palma haben wir in armen Verhältnissen gelebt." Ein Leben, das nicht weiter weg hätte sein können von dem der üblichen Gäste in Hernandez Bar. Der Vater war Hafenarbeiter, verpackte Bananen. Die Mutter Hausfrau, er hatte fünf Brüder, von denen zwei gestorben sind. Sie waren ebenfalls Hafenarbeiter oder Tabakroller auf den Plantagen. Und José arbeitete tagsüber in einer Fabrik, setzte Mosaiksteine zusammen, machte abends Mittlere Reife.

Mit 16 verdiente er sich etwas dazu, in dem er Süßigkeiten am Hafen verkaufte. "Ich hatte einen Riecher, ich habe nach meiner Zukunft gesucht." Hernandez spricht noch immer mit einem deutlichen Akzent, das macht seine Sätze oft eindeutiger, deutlicher, als es im Deutschen vielleicht wäre. "Da habe ich gemerkt, dass ich gut mit Menschen kann." Wenn Hernandez ausatmet, pfeift es manchmal ein bisschen. Wie eine Brise.

Mit 16 also erkannte der Süßigkeitenverkäufer die Macht des Netzwerkens. Hernandez traf jemanden, der ihn als Nachtpagen in einem Hotel am Platz vermittelte, nach dem Schulabschluss ging er nach Teneriffa, um mehr Geld zu verdienen und seiner Familie mehr Geld überweisen zu können. Mit 18 arbeitete er in einer Cafeteria, viele Gäste waren im nahen Hotel angestellt, wieder lernte er Leute kennen. Wo geht das besser als an einer Bar? Der junge Mann, der schüchtern und sympathisch verschmitzt zugleich wirkt, so einen Mann vergisst man nicht. Auch wegen der Zahnstellung.

Michael Jackson trank nur Cola

Hernandez wechselte an die Hotelbar und lernte, wie man mit einem Gast umgeht. "Der Gast sucht etwas, wenn er an die Bar kommt." Banal, klar. Und hochkomplex. "Ich habe gelernt zu erkennen, was er sucht." Seine Ruhe? Dann bekommt er einen Drink an der Bar, "und ich biete ihm vielleicht nach ein paar Minuten eine Zeitung an". Das ist Unerhaltung und Ruhe in einem, und gleichzeitig ist man am Tresen nicht allein. "Ich fühle viel." 1970, ein paar Jahre und Kontakte später, kam das Angebot aus München, zunächst im Regina Palace Hotel am Maximiliansplatz, wo heute das Pacha ist. Erst im Restaurant, dann im Nachtclub, er lernte seine Frau kennen, mit der er zwei Kinder hat. Tochter und Sohn gingen auch in die Gastronomie.

Er wechselte ins Hotel Rafael, wie das Mandarin damals hieß, und hatte Michael Jackson zu Gast. "Er trank nur Cola", draußen standen Zelte, unter denen die Paparazzi warteten. Hernandez führte Jackson über einen Nebenausgang nach draußen. Joe Cocker trank zwar auch Cola, aber mit Whisky drin, oder Irish Coffee, und spielte auf dem Klavier, "jedes Mal, wenn er in München war", bis zu zweimal im Jahr. Er bestellte Kartoffelsuppe und fragte gleich nach José, wenn der nicht schon da war.

Die Real-Kicker kamen nur bei Freundschaftsspielen

Eros Ramazzotti kam hinter die Bar und wollte wissen, wie Hernandez die Cocktails zubereitete, Pierce Brosnan, Roger Moore. Auch die Fußballer, vor allem die von Real Madrid, kamen immer zu ihm. "An die Bar allerdings nur, wenn sie hier bloß Freundschaftsspiele hatten." Real habe jetzt auch wieder angerufen bei ihm, "ich habe mich sonst immer zwei Tage lang um sie gekümmert, aber leider bin ich im Urlaub". Messi oder Maradona waren natürlich auch da, und Hernandez bekam mit, wie die Kollegen eigens eine Extra-Sauna in sein Zimmer einbauen mussten.

Nach 49 Jahren im Bargeschäft sagt Hernandez: "Vieles ist heute anders. Klassische Cocktails sind gerade nicht mehr gefragt, aber das kommt wieder. Und dann natürlich: die Smartphones." Blau beleuchtete gebeugte Köpfe, immer unter Strom. "Das ist schade, in einer Bar soll man sich Gesprächen und Drinks erfreuen." Er lacht noch immer, als er sagt: "Früher waren die Leute lockerer, konnten mehr genießen, ein Essen, ein Getränk." Oder ein Gespräch, oft auch über Hernandez' Zahnlücke. "Ich wurde schon häufig danach gefragt. Meine Antwort: Die Zahnlücke bringt Glück, so heißt es bei uns." Und dann lacht er wieder so, dass ein Gegenüber gar nicht anders kann, als sich wohlzufühlen.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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