Popmusik:München: "reich, aber uncool"

Popmusik: Von der Förderung könnten auch Münchner Bands wie "Rapid" profitieren.

Von der Förderung könnten auch Münchner Bands wie "Rapid" profitieren.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Rapper Fatoni ist gerade nach Berlin gezogen, weil er sich als Künstler in München nicht mehr wohlgefühlt hat.
  • Im Bahnwärter Thiel diskutiert er trotzdem mit anderen Künstlern, Produzenten und Politikern.
  • Das Thema: "Ich will nicht nach Berlin - wie wird München die nächste Popcity?"

Von Christiane Lutz

Städtevergleiche München-Berlin möchte wirklich kein Mensch mehr hören. Niemand. Keiner. Der Rapper Fatoni alias Anton Schneider ganz besonders nicht, der Körperhaltung nach zu schließen, mit der er auf dem Podium sitzt und sich sichtlich unwohl fühlt. "Ich hab echt überlegt, ob ich hier teilnehmen soll, als ich den Namen der Veranstaltung gelesen hab", gibt er zu. Er ist gerade nach Berlin gezogen.

Die Veranstaltung im voll besetzten Bahnwärter Thiel heißt "Ich will nicht nach Berlin - wie wird München die nächste Popcity?". Puls und die Süddeutsche Zeitung hatten zu einem Gespräch zwischen Künstlern, Produzenten und Politik geladen, um sich darüber auszutauschen, was Münchens Popszene fehlt und wie die Stadt sie besser unterstützen könnte. Die Debatte kreist dann um zwei Punkte: um strukturelle Probleme und um einen Komplex, den Münchens Künstler gegenüber Berlin angeblich haben.

Auf dem Podium sitzen neben einem unglücklichen Fatoni noch Bürgermeister Josef Schmid (CSU), Musikmanager Magnus Textor, Sängerin Josie-Claire Bürkle von der Band Claire, Daniel Hahn, Veranstalter und Betreiber des Bahnwärter Thiel, sowie Julia Viechtl von der "Fachstelle Pop" des Feierwerk. Viechtl ist auch Verfasserin einer Masterarbeit zum Thema "Music City", ein tatsächlich existierender Titel, der von der Unesco vergeben wird. Mannheim und Hannover haben ihn schon. Kurz führt sie aus, was eine Stadt braucht, um eine "Music City" werden zu können: eine aktive Szene aus Bands, die auf die Unterstützung von Politik, Medien, Kommunen und Wirtschaft trifft.

"Will München überhaupt Popcity werden?", fragt sie. "Ich bin bereit", sagt Bürgermeister Schmid, der zuständig für den Kulturausschuss ist. "Aber wir müssen viel mehr tun, wir brauchen eine Strategie". Der Rapper Fatoni dagegen: "München ist nicht bereit. Ich habe mich als Künstler in München einfach nicht mehr wohlgefühlt. Das ist nicht der Ort, der Menschen wie mir mit offenen Armen begegnet, mit 75 000 Bands musst du dir alles teilen", übertreibt er. Dieser Missstand sei, und dann bringt er selbst die Hauptstadt ins Spiel, "kein Vergleich zu Berlin".

Popmusik: Eine bessere Pop-Förderung stellt Bürgermeister Josef Schmid im Gespräch mit Vertretern der Szene in Aussicht.

Eine bessere Pop-Förderung stellt Bürgermeister Josef Schmid im Gespräch mit Vertretern der Szene in Aussicht.

(Foto: Robert Haas)

Im weiteren Verlauf werden bekannte Probleme angesprochen: Probenräume in München sind - sofern vorhanden - zu teuer, es gibt zu wenig Auftrittsmöglichkeiten für Künstler, zu wenig Freiraum, einfach Dinge auszuprobieren, ohne, dass diese sich ökonomisch rechnen müssen. Musikproduzent Magnus Textor beschreibt München gar als musikerunfreundlich. Ein Musiker wolle um 14 Uhr mit der Arbeit beginnen, dann bis 4 Uhr früh arbeiten und danach noch einkaufen.

München, findet er, biete diesem Typ Mensch nicht genug. Josie-Claire Bürkle findet das zwar nicht, findet dafür aber mit Claire keinen Probenraum. Eine Weile probte die Band auf dem Land, nun wollen sie zurück in die Stadt. Keine Chance. Lediglich sechs Prozent der Münchner Bands, das hat Julia Viechtl herausgefunden, seien mit der Probenraumsituation zufrieden. Wie geht es erst den weniger erfolgreichen Musikern, wenn sich schon eine etablierte Band wie Claire keinen Probenraum in der Stadt leisten kann?

Die Förderung der Popszene wurde verschlafen

Josef Schmid beschönigt nichts. Er räumt ein, dass München in Punkto Popszenenförderung einiges verschlafen hätte. Allerdings begründen sich Teile des Pop-Problems in dem grundsätzlichen, dramatischen Raumproblem der Stadt. Und das entspannt sich bekanntlich seit Jahren nicht, im Gegenteil. "Auch ich als Bürgermeister scheitere an Verwaltungsfragen", sagt Schmid. Immer wieder nennt er bereits getroffene Maßnahmen wie den Bau des Kreativquartiers an der Dachauer Straße und betont, dass die Stadt sehr daran interessiert sei, kulturelle Zwischennutzungsprojekte zu unterstützen.

Im Publikum sitzt Sebastian Schnitzenbaumer vom Münchner Schallplattenlabel Schamoni Musik. Jener Mann, der vergangenen Herbst die Debatte erst richtig lostrat, als er verkündete, die Stadt verklagen zu wollen. Angeblich schade das schlechte Image der Stadt München den Künstlern, die in anderen Städten auftreten oder sich bei Labels vorstellten. Ein Zuschauer wendet ein, dass die Künstler auch selbst in der Pflicht stünden, selbstbewusst zu ihrer Stadt zu stehen. Josie-Claire Bürkle bejaht das energisch und fordert auf, Städtevergleiche zu verweigern.

Das Berlin-Thema und das Münchner Image-Problem scheint aber das Moderatorenteam Michael Bremmer (Süddeutsche Zeitung) und Laury Reichart (Puls) besonders umzutreiben. Bremmer bringt Josef Schmid zu der Aussage: "Wir werden nie so cool sein wie Berlin." Damit meint dieser aber wohl nur, dass es absolut müßig ist, zwei so unterschiedliche Städte ständig in Konkurrenz zu setzen. Vergleiche dieser Art verstärken einen eventuellen Münchner-Pop-Minderwertigkeitskomplex wohl tatsächlich nur, anstatt ihn zu lösen. Fatoni lässt sich dann noch hinreißen, einen Münchner Gegenentwurf zum Berliner Arm-aber-sexy-Slogan zu kreieren: "reich, aber uncool".

Der einzige, der an dem Abend nichts zu klagen hat, ist der Veranstalter Daniel Hahn. Er hat das Raumproblem, das ja auch für Gastronomie und Clubs gilt, einfach gelöst, in dem er Räume auf Freiflächen stellt. Denn von denen gäbe es immerhin noch ein paar. So erfand er Bahnwärter Thiel, gründete den Wannda-Circus und hat gerade einen Ausflugsdampfer gekauft, der bald in München stehen wird. "Die Stadt machte es einem noch am leichtesten, wenn man mit einer Idee kommt", sagt er. "Private Besitzer sind nicht interessiert an Zwischennutzungen." Wohl auch einer der Gründe dafür, warum die Räume des Atomic-Cafés immer noch leer stehen.

Immerhin: Schmid lässt sich ein Bekenntnis für mehr Einsatz für die Münchner Popszene aus dem Kreuz leiern. Er werde über die Idee eines groß angelegten "Gesamtkonzepts" nachdenken, die ein Zuschauer fordert. Der sagt auch, es bringe nichts, immer nur hier ein gut gemeintes "Aktiönchen", da ein Leuchtturmprojekt zu starten, München brauche eine großflächige strukturelle Initiative für die Popszene. Damit die Münchner Bands auch Lust haben zu bleiben.

Die Music-City-Expertin Julia Viechtl erinnert daran, dass es bei der ganzen Debatte ja um nichts anderes gehe als um die Frage: "Wie wollen wir in Zukunft leben?" Jede kleine Entscheidung der Gesellschaft und der Politik prägen den Charakter einer Stadt. "München muss eine aktive Entscheidung treffen."

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