Pop-up-Bars:Stoppt das Aufpoppen!

Champagner beim Finanztag der SZ in Frankfurt, 2015

Champagner in der Pop-up-Bar? Was kommt als Nächstes? Vielleicht ein Birkin-Bag-Picknick-Pop-up auf dem Gärtnerplatz?

(Foto: Johannes Simon)

Die Flut der Pop-up-Bars, -Stores und -Events nervt langsam. Denn die charmante Grundidee ist zweckentfremdet worden.

Von Laura Kaufmann

"To pop up", das heißt so viel wie plötzlich auftauchen, aufploppen. Ein Pop-up ploppt zum Beispiel in Form von Werbung auf dem Bildschirm auf, wenn man gerade arbeiten oder etwas lesen will, und in der Regel nervt das.

Manchmal, in der Offlinewelt, bezeichnen Pop-ups auch Läden und Bars, die für eine gewisse Zeit ein leerstehendes Gebäude beleben. Die Ruby Bar etwa ist ein schönes Beispiel, sie machte den Flachbau an der Isar zum Spielplatz der Ausgehfreudigen, bevor eine Abrissbirne kam und an ihrer Stelle Platz für die Glockenbachsuiten schuf. Oder die Bar "Awi", Fraunhofer-/Ecke Müllerstraße, wo jetzt in einer ehemaligen Bankfiliale Drinks ausgeschenkt werden. Diese Läden bringen das Stadtleben in Bewegung und nutzen die Lücken im Raum einer dicht besiedelten Stadt aus, was eine feine Sache ist.

Nun aber ist der Begriff Pop-up langsam etwas abgenutzt, und es breitet sich in der Offlinewelt etwas aus, was man eher von seinem heimischen Bildschirm kennt: Die Pop-up-Werbung. Weil, Pop-up, das ist doch so schön hip und angesagt, darauf steht eine junge Zielgruppe, da lässt sich doch was draus machen, denken sich wohl die großen Marken. Und schon hat der Begriff "Pop-Up" seine Unschuld verloren, seinen kreativ improvisierten Charakter. Mittlerweile sind Agenturen darauf spezialisiert, für die zahlungskräftige Kundschaft geeignete Werbeflächen aufzutreiben, und natürlich ist München besonders beliebt, denn hier sitzt das Geld.

Der neueste Pop-up-Store, den die Stadt bekommt, ist stilecht von Dom Perignon. In einem Keller an der Maximilianstraße. Es gibt dort selbstverständlich Champagner, außerdem eine Ausstellung über die Champagnermarke, und um etwas Lokalkolorit herbeizuzaubern dürfen die Food Trucker "Isar Dogs" dort Hot Dogs zum Champagner servieren - eigens kreierte, versteht sich.

Anfang September hat eine französische Wodkamarke das Café Reitschule in einen französischen Beach Club verwandelt, einen DJ dort hineingestellt und Drinks auf Basis der neuesten Wodkakreation aufgetischt. Fertig ist das Pop-up-Event!

Fragt sich nur, wer da eigentlich hingeht. Denn die Pop-ups dienen zwar der Werbung, umsonst gibt es deshalb aber nicht zwingend etwas - für ein Glas Champagner, Jahrgang 2006, und einen Hot Dog müssen die Besucher des Luxuskellers immerhin 25 Euro hinblättern.

Eigentlich wünscht man sich, dass jemand mal einfach nur Drinks ausschenkt

Aber das gilt natürlich nur für Besucher, die nicht eingeladen sind. Eingeladen werden aber alle hiesigen Blogger mit nennenswerter Reichweite, denn sie sind ein Geschenk des Himmels für die Marken. Betört von der Exklusivität, verfassen sie für ihre Follower champagnerrauschige Lobeshymnen auf das Produkt, das an den Mann gebracht werden soll, und füllen ihren Instagramaccount mit werbetauglichem Content. Und wer sich in sozialen Netzwerken für das Münchner Stadtleben interessiert, dessen Timeline wird plötzlich mit Bildern von Wodkadrinks im Sand geflutet, Hashtag #greygoose.

Natürlich gibt es auch in München noch Pop-ups ohne Marketinghintergrund, nur heißen die schon gar nicht mehr so. Der Kunst- und Konzertbiergarten, der sich über den Sommer in einer Baulücke nahe dem Stiglmaierplatz gründete, nannte sich charmanterweise einfach: Lückenfülle.

Wie durch das Pop-up-Konzept mittlerweile ist, zeigt der Blick nach Hamburg: Dort eröffnet Lidl (ja, die Discounterkette) am Neuen Wall (ja, der feinen Einkaufsstraße) einen Pop-up-Store für seine Kleidungslinie. Zu Werbezwecken natürlich, damit die Kunden die Kleidung nicht so arg mit Discounter assoziieren und sie vielleicht trotzdem dort kaufen.

Man fragt sich, was in München als nächstes ansteht. Vielleicht ein Birkin-Bag-Picknick-Pop-up auf dem Gärtnerplatz. Oder ein in Burberrykaros ausgekleideter Giesinger-Hinterhof-Pop-up mit Austernbar.

Eigentlich wünscht man sich, dass in den nächsten geschlossenen Laden einfach jemand ein paar Bierbänke stellt und Getränke ausschenkt, ohne großes Getöse. Nicht zu Marketingzwecken, nur zur Gaudi. Der Alkohol für die Drinks darf dann sogar vom Discounter sein, wenn's sein muss.

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