Vor fünf Jahren stand ein kleiner Engländer mit Wuschelfrisur und Akustikgitarre im Backstage-Werk und kopierte sich selbst. Ohne Begleitung trat der 21 Jahre junge Rotschopf ins Münchner Rampenlicht, seine Band war nur er. Mit einer Loop-Station nahm er geschlagene Akkorde, Rhythmusfetzen und Beats live auf der Bühne auf, um sie über ein Pedal in Dauerschleife abzurufen und übereinanderzulegen. Dazu rappte und sang der Selfmade-Musiker, und so baute er die mehrspurigen Songs, darunter seinen frühen Hit "The A-Team", direkt vor dem Publikum zusammen. Das hatte rhythmische Kraft, das hatte Esprit und Charme, und es war nicht schwer zu erahnen: Aus dem kleinen Burschen wird mal ein Großer.
Nun ist Ed Sheeran klein gewachsen und wirkt noch immer, als wäre er der Gitarre-spielende Lieblings-Zivi der Marienkäfergruppe. Dabei hat die Liga, in die sich der 26-Jährige gesungen hat, mit Kindergeburtstagen nichts zu tun. Wenn der Songwriter mit der professionalisierten Straßenmusikerstimme am Montag in München seine Deutschlandtour zum dritten Album "Divide" startet, dann gehört er zu den erfolgreichsten Solosängern der Welt. Mit dem A und O des UK-Pop kann er sich längst messen, also mit Adele und Oasis.
Kürzlich rieb man sich die Augen angesichts der britischen Single-Charts, in denen 16 Titel von ihm stammten. Dazu 90 Platin-Auszeichnungen, mehrere Brit-, Grammy-, Echo- und MTV-Awards. Und bei den Streaming-Diensten gibt es sowieso keinen, der erfolgreicher ist. Sheerans Popularität scheint grenzenlos. Kein Wunder, dass der einstige Pub-Rocker und Casting-Show-Teilnehmer einen Gastauftritt im TV-Hit "Game Of Thrones" bekommen soll.
Musikalisch betrachtet, ist die Bandbreite hoch wie eh und je; die neue, teuer produzierte Nummer-1-Platte ist so etwas wie der akustische Spiegel der schillernden modernen Mainstream-Berieselung. Da gibt es Boygroup- und Dancefloor-Zappler mit Rap-Einlagen und Folklore-Firlefanz, Pop-Balladen mit Streichern und Gefühlswallungen, es gibt R'n'B-Kuschelsex und U2-Riffs.
Eingängig für alle, roh war gestern. Live ist freilich eine andere Nummer. Dass Ed Sheeran noch immer ganze Shows, selbst im XXL-Format, allein mit seiner Loop-Station bestreitet, hat er im Wembley-Stadium bewiesen. Man wird diese mitreißende Performance-Kunst der Selbstkopie bestimmt auch in der Olympiahalle erleben können.
Ed Sheeran, Support: Anne-Marie und Ryan McMullan, Montag, 20. März, Einlass 18 Uhr, Beginn Ed Sheeran 20.30 Uhr, Olympiahalle, 089 / 21 83 73 00