Poller in der Innenstadt:Bieten Poller Schutz oder sind sie nur ein Beruhigungsmittel?

Poller an der Münchner Theresienwiese, 2011

Braucht München Sicherheitspoller?

(Foto: JOHANNES SIMON)

München braucht zum Schutz vor Anschlägen mehr Poller, findet der eine. Der andere hält die Aktion für teuer und aktionistisch.

Ein Pro und Contra von Thomas Schmidt und Dominik Hutter

Keine andere Waffe ist so leicht zu beschaffen und gleichzeitig so grauenhaft effektiv. Seit dem Sommer 2016 sind islamistische Terroristen immer wieder mit Fahrzeugen über Menschengruppen hinweggerollt: Nizza, Berlin, London, Stockholm, Barcelona - wer glaubt, dass diese Liste in Zukunft nicht mehr länger wird, muss ein ausgewiesener Optimist sein. Oder naiv. Einen Lkw als Waffe zu missbrauchen ist viel einfacher, als eine Bombe in ein Flugzeug zu schmuggeln oder sich selbst mit einem Sprengstoffgürtel auf die Wiesn. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute lautet: Der Schutz gegen diese Form des Terrors ist simpel. Poller, massive Blumenkübel oder verstärkte Sitzbänke können verhindern, dass Attentäter fahrbare Waffen in Fußgängerzonen lenken. Und im Gegensatz zu vielen anderen Werkzeugen der Terrorbekämpfung greifen sie in niemandes persönliche Freiheit ein. Entsprechende Systeme erfüllen wirksam einen konkreten Zweck, deswegen sind sie mehr als eine in Beton gegossene Beruhigungspille.

Natürlich sind Poller kein Allheilmittel, selbstverständlich können Angreifer andere Waffen wählen oder auf ungeschützte Orte ausweichen. Die Tatsache, dass ein Terrorist seine Taktik anpassen könnte, darf aber nicht dafür herhalten, nichts zu tun und auf das Beste zu hoffen. Mit diesem Argument wäre jedwede Sicherheitsmaßnahme obsolet. Polizeibeamte verzichten auch nicht auf schusssichere Westen, weil ein Angreifer auf den Kopf zielen könnte. Flughäfen, Bahnhöfe, Großereignisse, Fußgängerzonen: Wo viele Menschen auf engem Raum sind, kann auch der größte Schaden angerichtet werden. Deswegen braucht es dort einen besonderen Schutz. Das gilt erst recht, wenn der Schutz vor einer realen Gefahr einfach und effektiv ist.

Thomas Schmidt

Contra: Poller sind teuer und aktionistisch

Gegen Anschläge mit Fahrzeugen sei keine absolute Absicherung möglich. Man könne nicht jede Straße und jedes Café im Außenbereich nach dem Vorbild der Wiesn mit Pollern sichern. Und: Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall zu sterben, sei weitaus höher. Sagt Joachim Herrmann, der CSU-Innenminister von Bayern. Ähnlich skeptische Aussagen über Poller gibt es vom CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach. Die beiden kennen die Falle, in die die Politik regelmäßig nach Terroranschlägen zu tappen droht: dass irgendetwas passieren muss, damit die Bürger den Eindruck haben, dass sich jemand um ihre Sicherheit Gedanken macht. Egal, ob es wirklich etwas bringt. So etwas nennt man Aktionismus.

Natürlich dürfen Politik und Sicherheitskräfte nicht untätig sein. Aber wenn sie etwas unternehmen, muss es gründlich durchdacht sein. Es sollte verhältnismäßig und effektiv, aber nicht effekthascherisch sein. Einfach mal so nach Pollern für die Fußgängerzone zu rufen, weil es ja schließlich niemandem schadet, riecht stark nach Wahlkampfgetöse. Anschläge können nicht nur mit Lieferautos, sondern auch mit Schusswaffen, Messern, Flugzeugen oder Sprengstoff verübt werden. Die Fußgängerzone ist ebenso gefährdet wie die Leopoldstraße, der Weihnachtsmarkt am Rotkreuzplatz oder die Menschentraube vor den Zugangskontrollen zur Wiesn. Und die U-Bahn.

Sichert man alle diese Risiken ab (falls das überhaupt geht), bleibt vom freien Leben in einer offenen und lebenswerten Stadt nicht mehr viel übrig. Diesen Triumph sollte man den von archaischen Ideologien getriebenen Terroristen nicht gönnen. Poller in der Fußgängerzone sind in erster Linie ein Beruhigungselixier. Leider ein ziemlich teures.

Dominik Hutter

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