Polizist muss Dienst quittieren:Verbrecherjäger verstrickt sich im Münchner Rotlicht-Milieu

Die Rede ist von Schlägereien, einer illegalen Pumpgun und Schießkugelschreibern: Einst war Andy S. ein erfolgreicher Sonderfahnder, doch dann kam er dem Rotlicht-Milieu zu nahe. Eine Beule in seinem Dienstwagen brachte den Münchner Kriminalhauptkommissar nun zu Fall.

Ekkehard Müller-Jentsch

Er kommt aus den Zeiten, als Sonderfahndern noch ein bisschen wie Clint Eastwood in "Dirty Harry" waren. Richtige Bullen eben, die im zwielichtigen Milieu Gott und die Welt kannten. Und für die der Erfolg mehr zählte, als Vorschriften.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre gab es für Kriminalhauptkommissar Andy S. viel Lob: So manche schwere Straftat konnte aufgrund der Informationen geklärt werden, die der Fahnder seinen Rotlicht-Kontakten entlockt hatte. Dann wurden Leute der "alten Schule" wie er unbequem: Gratwanderungen im Milieu passten nicht mehr ins Bild vom korrekten Ordnungshüter. Jetzt brachte eine Beule im Kotflügel seines Dienstwagens Andy S. zu Fall - am Freitag wurde er von einem Disziplinargericht endgültig "aus dem Dienst entfernt".

In früheren Zeiten waren Münchner Sonderfahnder etwas besonderes in der Stadt. So wie etwa "Kripo-Heinz" Hohensinn: Dessen Markenzeichen waren Schnauzbart und Derringer-Pistole im Hosenbund. Der Mann hat als Sonderfahnder wenigstens 2000 Ganoven verhaftet, gehörte 1972 zum Spezialkommando beim Olympia-Attentat und verdingt sich - nach einer gleichfalls unrühmlichen Frühpensionierung - bei Reichen wie etwa Friedrich Karl Flick und Clint Eastwood als Privatdetektiv oder Leibwächter.

Bei Männern dieses Schlages hatte der heute fast 50-jährige Andy S. gelernt, sich im Rotlicht-Milieu zu bewegen. Bis man ihm vorwarf, zu enge Beziehungen geknüpft zu haben: Tatsächlich stammte eine frühere Lebensgefährtin aus dem einschlägigen Gewerbe. Das Polizeipräsidium hielt dem Fahnder vor, immer wieder seine Befugnisse missbraucht und gegen die Interessen der Strafverfolgungsbehörden verstoßen zu haben.

Da war von Schlägereien, zerstörten Dienstfahrzeugen, einem zertrümmerten Aquarium die Rede, von einer illegalen Pumpgun und Schießkugelschreibern. Strafrechtlich verurteilt wurde der Kripo-Beamte aber "nur" wegen Strafvereitelung im Amt in Tateinheit mit Betrug sowie wegen Verrats von Dienst- und Privatgeheimnissen: Elf Monate mit Bewährung.

"Niedrige Hemmschwelle"

Dahinter verbirgt sich, dass er seine damalige Gefährtin nicht angezeigt hatte, nach dem sie ihm wütend eine Beule in den Dienstwagen getreten hatte. Der Freistaat blieb damals auf 624,24 Mark Blechschaden sitzen; eine falsche Anzeige "gegen Unbekannt" verlief natürlich im Sande.

Später hat der Beamte dem Staat dafür einen Scheck über 500 Euro zur Wiedergutmachung ausgehändigt. Und dann soll er noch unberechtigten Personen Infos aus dem Fahndungscomputer verraten haben. In erster Instanz wurde er vom Verwaltungsgericht München deswegen mit der "Höchstmaßnahme" belegt und gefeuert.

In der Berufungsverhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bemühte sich sein Rechtsanwalt Sewarion Kirkitatdse den Disziplinarsenat davon zu überzeugen, dass Verfehlungen, wie man sie dem Ex-Kommissar heute vorwirft, aus damaliger Sicht Bagatellen gewesen seien. Ein Geständnis im Strafgericht habe S. im Rahmen eines Deals abgelegt, um unter einen Jahr zu bleiben - sonst hätte man den Beamten sofort rausgeworfen.

Bei allem Verständnis, das der Senat für die damaligen Motive zeigte, ließ er sich nicht erweichen: Die Entlassung wurde nun bestätigt. Der Beamte habe eine "niedrige Hemmschwelle", gegen Dienstvorschriften zu verstoßen. Das Vertrauen des Dienstherrn sei zerstört. Andy S. dürfte das nicht all zu schwer treffen: Er hat die Zeit genutzt und legt bald sein erstes juristisches Staatsexamen ab. Er will als Rechtsanwalt arbeiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: