Polizeikontrolle an der Residenz:"Vorrang hat hier der Fußgänger"

Nach einem schweren Radfahr-Unfall vergangene Woche führt die Polizei nun Radler-Kontrollen durch. Und trifft vor allem auf Raser.

Marc Widmann

Vor einer Woche hat es genau an dieser Stelle gekracht, zwei Radfahrer rasten nachts ohne Licht ineinander, mitten in der Fußgängerzone. Einer schwebte tagelang in Lebensgefahr.

Radfahr-Kontrolle an der Residenz

Zu schnell fahren und telefonieren kann jetzt auch Radlern teuer werden.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Am Donnerstagabend steht nun Hauptkommissar Christian Bidinger an der Schwelle in der Residenzstraße, um ihn herum neun weitere Beamte, ein Lasermessgerät piepst leise. "Vorrang hat hier klar der Fußgänger", sagt Bidinger. Und wer deutlich schneller fährt als die erlaubte Schrittgeschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde, den halten die Polizisten an.

68 Radler stoppen sie wegen zu schnellem Fahrens innerhalb von drei Stunden, jeweils 15 Euro kostet das. Dazu acht weitere, weil sie unterwegs mit dem Handy telefonieren. Sie müssen 25 Euro bezahlen.

Mehr als 1200 Euro spülte die Aktion also in die Staatskasse, aber Kommissar Bidinger ist trotzdem nicht zufrieden mit der Bilanz. "Eine relativ große Anzahl von Radfahrern hat die Geschwindigkeit nicht eingehalten", sagte er, "das Verhalten ist noch nicht so, wie wir uns das wünschen".

Riskante Überholmanöver sind nicht selten

Da ist zum Beispiel der 30 Jahre alte Doktorand im schwarzen T-Shirt, die Sonnenbrille steckt im Haar. "Das ist so ungerecht", schimpft er und zeigt auf all die anderen Radler, die deutlich zu schnell an ihm vorbeirauschen und Glück haben, weil gerade alle Polizisten beschäftigt sind. Niemand halte sich doch an die Regeln. "Das Problem ist, dass wir viele Jahre kaum kontrolliert haben", sagt der Hauptkommissar, "jetzt fühlen sich die Radfahrer im rechtsfreien Raum." Dann fragt er den Doktoranden nach seinem Ausweis.

Fußgänger und Radler teilen sich die Residenzstraße zwischen Odeonsplatz und Oper, täglich kommt es zu Beinahe-Unfällen und riskanten Überholmanövern. Das Klima ist vergiftet, wie die Reaktion mancher Fußgänger auf die Kontrolle zeigt: "Holt sie alle raus und kassiert", ruft ein Rentner in kariertem Hemd im Vorbeigehen. Andere kritisieren die "Abzocke" und fragen, ob die Polizei nichts Wichtigeres zu tun hat.

Als ein Radfahrer mit langen Haaren und Vollbart die Polizisten sieht, tritt er extra in die Pedale. Einsatzleiter Bidinger stellt sich ihm in den Weg, packt ihn am Arm, "bleiben Sie stehen", ruft er laut, "sie sollen stehen bleiben!" Der Radler ist Sachbearbeiter beim ADAC - und richtig wütend. "Das ist halt Deutschland", schimpft er, "die Kassen sind leer".

Schrittgeschwindigkeit beim Radfahren?

Er wisse nicht, was Schrittgeschwindigkeit beim Radfahren sein soll. Dann fragt er den Polizisten, ob der immer mit sechs Kilometern pro Stunde hier durchradele. "Ich mache auch Fehler", sagt Bidinger, "aber jetzt haben Sie einen Fehler gemacht". Der Sachbearbeiter bezahlt seine 15 Euro bar.

Obwohl ihn nicht wenige Kontrollierte beschimpfen - Bidinger hat auch Verständnis für die Radler. "Baulich verlockt das hier zum schnellen Fahren", sagt der Verkehrspolizist, "vom optischen Eindruck wirkt es wie eine normale Straße". Ein anderer Belag könnte auf dieser Strecke Wunder wirken. Na gut, die Staatskassen sind ja jetzt wieder besser gefüllt.

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