Polizei:Schießerei von Unterföhring: Verletzter mit Schusswunde offenbar verschwunden

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Polizisten am S-Bahnhof Unterföhring (Foto: dpa)
  • Auch vier Wochen nach der Schießerei in Unterföhring liegt die verletzte Polizistin noch im Koma.
  • Manche Augenzeugen der Bluttat leiden seither unter Schlafstörungen oder anderen psychischen Problemen und sind arbeitsunfähig.
  • Eine verletzte Person soll nach dem Vorfall einfach verschwunden sein.
  • Der mutmaßliche Täter sitzt in der geschlossenen forensischen Abteilung der psychiatrischen Klinik in Haar.

Von Martin Bernstein

Vier Wochen nach den Schüssen am S-Bahnhof in Unterföhring schwebt eine 26 Jahre alte Polizistin weiter in Lebensgefahr. Ihr Zustand sei "gleichbleibend schlecht" und lebensbedrohlich kritisch, hieß es am Dienstag aus dem Polizeipräsidium. Die junge Beamtin liegt nach wie vor im Koma. Der 37 Jahre alte Alexander B. hatte am 13. Juni bei einer Polizeikontrolle der jungen Frau mit der Dienstwaffe ihres Kollegen in den Kopf geschossen.

Viele Menschen waren Zeugen der Bluttat geworden. Frank Hellwig, Leitender Kriminaldirektor im Polizeipräsidium, hat ihnen jetzt geschrieben. Denn immer deutlicher wird, welche psychischen Spuren das schreckliche Geschehen bei den Augenzeugen hinterlassen hat.

Manche Augenzeugen der Unterföhringer Bluttat sind seither arbeitsunfähig. Sie leiden unter Schlafstörungen oder anderen psychischen Problemen, weil sie das Gesehene nicht verarbeiten können. Und offenbar wurden bei der Schießerei noch mehr Menschen verletzt, als ursprünglich angenommen. Außer der Polizistin seien zwei Unbeteiligte verletzt worden, hieß es zunächst.

Mittlerweile hat sich jedoch eine Rettungsassistentin gemeldet, die in Unterföhring im Einsatz war. Sie erinnert sich an einen etwa 45 Jahre alten Mann mit starken Geheimratsecken und in Bürokleidung, der mit einer mutmaßlichen Schussverletzung an der Wade zu ihr gekommen, später aber verschwunden sei. Menschen, die "bei dem Vorfall selbst verletzt oder anderweitig geschädigt wurden oder durch die Erlebnisse besonders psychisch belastet sind", schreibt Hellwig den registrierten Zeugen, sollten sich bis Ende Juli bei der Mordkommission melden.

Zum einen gehe es darum, mögliche Geschädigte im Strafverfahren gegen Alexander B. zu berücksichtigen. Zum anderen könne Hilfe vermittelt werden. Wer durch eine Straftat gesundheitliche Schäden erlitten hat, hat Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz. Außerdem gibt es psychologische Beratungsstellen und das Kriseninterventionsteam (KIT), die sich um Betroffene mit psychischen Folgen kümmern können. Kollegen der niedergeschossenen Polizistin werden durch den Zentralen Psychologischen Dienst der bayerischen Polizei betreut.

Insgesamt wurden rund 200 Menschen Zeugen der Schießerei am Bahnhof, berichtet Herbert Linder, Leiter der Münchner Mordkommission. Der 37 Jahre alte, aus den USA kommende Täter hatte um 8.03 Uhr mit einem Rucksack als Gepäck am Flughafen eine S-Bahn in Richtung Innenstadt bestiegen. Drei Stationen später, am Bahnhof Ismaning, stieg ein weiterer Mann hinzu und setzte sich auf einen freien Platz. Der 37-Jährige, der zuvor schon durch Selbstgespräche auf Englisch aufgefallen war, ging auf den Fahrgast zu und versetzte ihm völlig unvermittelt mehrere Faustschläge ins Gesicht. Andere Fahrgäste kamen dem Opfer zu Hilfe und riefen die Polizei.

Als die S-Bahn in Unterföhring planmäßig hielt, stiegen alle Beteiligte aus. Auch der Täter verließ die Bahn. Eine Streife der Polizeiinspektion Ismaning erwartete ihn bereits, eine 26-jährige Polizistin und ihr 30-jähriger Streifenpartner. Sie kontrollierten den Mann am Bahnsteig. Plötzlich, wieder ohne jede Vorwarnung, griff der 37-Jährige die beiden Beamten an. In dem sich entwickelnden heftigen Kampf gelang es dem 37-Jährigen, dem Beamten die Dienstwaffe zu entreißen. Dann feuerte der Täter das achtschüssige Magazin leer und traf die Polizistin am Kopf sowie mehrere Unbeteiligte am Arm und am Bein. Er selbst wurde von einem Schuss am Gesäß verletzt und konnte kurz darauf festgenommen werden.

Der Täter sitzt seit der Bluttat in der geschlossenen forensischen Abteilung der psychiatrischen Klinik in Haar. Ein Gutachten soll klären, ob er psychisch krank ist. Versuche der Mordermittler, mit ihm zu sprechen, blieben bislang erfolglos. Der Mann rede weiterhin nicht mit der Polizei, sagte Linder.

Mittlerweile sei aber der Vater des 37-Jährigen aus den Vereinigten Staaten gekommen, um seinen Sohn zu besuchen. Dabei konnten wohl auch die Münchner Ermittler mit dem Vater sprechen. Die Eltern des Mannes waren mit ihrem damals einjährigen Sohn 1981 von Bayern in die USA ausgewandert. Bereits ein erstes Telefonat mit dem Vater unmittelbar nach der Tat soll "weitere Ermittlungsansätze" gebracht haben.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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