Polizei:Neonazis in München tarnen sich als Bürgerwehr

Düsseldorfer Bürgerwehr

Mitglieder der Bürgerwehr "Düsseldorf passt auf".

(Foto: dpa)
  • Die Münchner Polizei beobachtet derzeit zwei Gruppierungen, die über das Internet sogenannte Bürgerwehren in der Stadt aufstellen wollen.
  • Nach Informationen von Experten stecken hinter der Aktion auch bekannte Rechtsextremisten.
  • Das alarmiert auch OB Dieter Reiter: "Das ist ein unerträglicher Versuch rechtsextremer Stimmungsmache."

Von Thomas Anlauf

Rechtsextreme und Neonazis versuchen offenbar in München, die Debatte über die Sicherheitslage in Deutschland für sich auszunutzen. Die Münchner Polizei beobachtet derzeit zwei Gruppierungen, die über das Internet sogenannte Bürgerwehren in der Stadt aufstellen wollen. Diese planen offenbar, in nächster Zeit Streife durch München zu gehen - vorgeblich, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Was harmlos klingt, ist aber offenbar höchst gefährlich: Nach Informationen von Experten stecken hinter der Aktion auch bekannte Rechtsextremisten. Die Polizei ist alarmiert und sieht das Aufkeimen solcher Bürgerwehren "extrem kritisch", wie Präsidiumssprecher Marcus da Gloria Martins sagt.

Es sei nicht auszuschließen, dass die Initiativen unter den Münchnern Angst schüren und Stimmungsmache betreiben wollten. "Wir schauen derzeit, wer hinter diesen Initiativen steckt", so da Gloria Martins. Das Ziel der Münchner Polizei sei es, dass derartige "Spaziergänge gar nicht erst stattfinden, weil sie auch gar nicht notwendig sind". München sei schließlich die sicherste Millionenstadt Europas.

"Ein unerträglicher Versuch rechtsextremer Stimmungsmache"

Nach Informationen der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus sind zumindest in einer der beiden Initiativen Neonazis aktiv. Nach Erkenntnissen der privat organisierten Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (Firm) ist unter den Mitgliedern einer entsprechenden Facebook-Gruppe auch ein bekannter Rechtsextremist aus Rosenheim und zumindest ein Unterstützer der rechtspopulistischen Münchner Pegida.

Das alarmiert auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD): "Das ist ein unerträglicher Versuch rechtsextremer Stimmungsmache. Es ist Aufgabe der Polizei und von niemandem sonst, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten", sagte Reiter der Süddeutschen Zeitung. Die Gruppe "Bürgerwehr München" wolle in der Bevölkerung Angst und Verunsicherung schüren. "Dazu besteht überhaupt kein Anlass", sagt Reiter. Die Münchner Polizei habe immer wieder bewiesen, dass sie ebenso besonnen wie entschlossen handelt.

Miriam Heigl, Leiterin der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus, betont, dass es in München "kein Sicherheitsproblem und keine rechtsfreien Räume" gebe. Die geplanten Bürgerwehren seien "Teil eines Radikalisierungsprozesses im Bereich der extrem Rechten", der in jüngster Zeit zu beobachten sei. Auch im Kreisverwaltungsreferat registriert man die Entwicklung genau. "Wir sehen das außerordentlich kritisch", sagt Referatssprecherin Daniela Schlegel.

Polizei lehnt eine Bürgerwehr klar ab

Nach Angaben der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus (Firm) sollen sich am vergangenen Freitag neun Mitglieder der "Bürgerwehr München" in einem Lokal an der Sendlinger Straße getroffen und dabei angekündigt haben, einzelne Stadtteilgruppen zu gründen. Demnach sollen unter den Mitgliedern Mitarbeiter diverser Sicherheitsfirmen, Bundeswehrsoldaten und Türsteher sein, "einige Profile sind als klare Neonazis zu erkennen", heißt es in einer ersten Analyse von Firm. So würden in dieser Facebook-Gruppe "meist xenophobe und islamophobe Inhalte geteilt, oft im direkten Bezug zu Köln".

Nach den Übergriffen in Köln an Silvester formierten sich bereits in mehreren Städten sogenannte Bürgerwehren, darunter in Düsseldorf. Manchmal sind es Bürger, die nach Einbrüchen weitere Straftaten verhindern wollen und dann gemeinsam auf Streife gehen. Allerdings nutzen in jüngster Zeit immer wieder Neonazis ängstliche Stimmungen in der Bevölkerung aus, um zu agitieren, so offenbar auch in Düsseldorf.

Vergangene Woche hatte der rechtsextreme Münchner Stadtrat Karl Richter eine "Sicherheitswacht" für München ins Spiel gebracht. Der NPD-Funktionär warf dabei Bürgerwehren und "privat organisierte Sicherheitswachten" in einen Topf. Tatsächlich gibt es in München eine von der Polizei ausgebildete Sicherheitswache, eine "seit fast 20 Jahren etablierte Institution", die nur als "Freund und Helfer" für Bürger da sei, wie die Polizei mitteilt. Dabei handle es sich aber nicht um eine "Bürgerwehr". Die lehnt die Polizei klar ab. Das sei ein unkontrollierter Zusammenschluss "von Bürgern, die glauben, selbst für Recht und Ordnung sorgen zu müssen".

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