Polizei fordert Handyempfang in der U-Bahn:Im Zweifel für den Notruf

Die Polizei hat noch keine heiße Spur von den Tätern, die in der Nacht zum Sonntag am U-Bahnhof Innsbrucker Ring Fahrgäste brutal zusammengeschlagen haben.

Bernd Kastner und Dominik Hutter

Die Polizei hat noch keine heiße Spur von den Tätern, die in der Nacht zum Sonntag am U-Bahnhof Innsbrucker Ring zwei 45-jährige Fahrgäste brutal zusammengeschlagen haben.

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(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Diese hatten vier junge Männer aufgefordert, einen MP3-Player leiser zu stellen. Zuvor hatte einer der Täter bereits einen anderen Fahrgast, der sich beschwert hatte, mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Anders, als die jüngsten drei spektakulären Fälle vermuten ließen, ist die Zahl der Gewaltdelikte im U-Bahnbereich in den vergangenen Jahren allenfalls leicht gestiegen. Bewegte sich die Zahl in den Jahren 2000 bis 2004 zwischen 140 und 180 Taten, hat sie sich seither bei rund 190 eingependelt, wobei für 2007 die Zahlen nur bis September vorliegen.

Die MVG setzt die Gewaltdelikte mit den Fahrgastzahlen in Relation und kommt so sogar zu einem leichten Rückgang im Vergleich zur zweiten Hälfte der Neunziger Jahre. Polizeisprecher Wolfgang Wenger sprach von "ganz schlimmen Einzelfällen", die keinen Trend spiegelten.

Davon dürfe keineswegs die Botschaft ausgehen, sich nicht einzumischen. "Das wäre völlig falsch." In zwei der drei Fälle waren Fahrgäste zusammengeschlagen worden, die sich eingemischt hatten: Ein 76-Jähriger hatte zwei Männer aufgefordert, das Rauchen einzustellen, zuletzt war Musik der Anlass. Man solle einschreiten, so Wenger, allerdings mit Augenmaß: "Das ist nicht einfach."

Wenger erneuerte die Forderung der Polizei nach Handy-Empfang in der U-Bahn und nach verstärkter Video-Überwachung, auch in den Zügen. Das tut auch die CSU, und rennt damit offene Türen ein - die elektronische Überwachung der Abteile ist längst beschlossene Sache.

Der Stadtrat hat die Pläne zuletzt im Juli 2007, mit Zustimmung der CSU übrigens, noch einmal bestätigt. Seit vergangenen Herbst ist die MVG nach Auskunft von U-Bahn-Betriebsleiter Günter Pedall mit der Detailplanung beschäftigt, bis zum Sommer sollen die ersten Prototypen installiert sein.

Danach werden peu à peu sämtliche der rund 570 U-Bahn-Waggons sowie die 92Tramzüge mit Kameras ausgerüstet. Die vier neu bestellten Straßenbahnen, die noch heuer ausgeliefert werden, verfügen bereits ab Werk über das Elektro-Auge.

Im Zweifel für den Notruf

Anders als bei den stationären Überwachungssystemen in den Bahnhöfen werden die Aufnahmen der Abteil-Kameras jedoch nicht live in die Leitstelle übertragen. "Die Datenmenge wäre zu groß", betont Pedall.

Pedall appelliert aber auch ausdrücklich an die Fahrgäste, keine Scheu vor dem Betätigen der Notrufanlagen zu haben, die sowohl in den Stationen als auch in sämtlichen Zügen (neben den Türen) installiert sind. Es sei besser, den Alarm "auch in Zweifelsfällen auszulösen, als nichts zu tun".

Beim Betätigen des Notrufs in den Bahnhöfen wird übrigens in der Leitstelle automatisch die entsprechende Videoüberwachung zugeschaltet, der Anrufer erhält also eine gewisse Rückendeckung. Pedall empfiehlt Zeugen wie Opfern von Übergriffen, stets "Öffentlichkeit herzustellen" - auch dafür könne der Notruf dienen.

Kritik der "Aktion Münchner Fahrgäste", das bei Betätigen des Notrufs einsetzende Tuten zerre jeden Helfer erst recht ins "Visier der Täter", weist die MVG zurück. Die Erfahrung zeige, dass die damit erreichte Aufmerksamkeit auch der übrigen Fahrgäste eine abschreckende Wirkung auf die Täter habe.

Nach Auslösen eines Notrufs dauert es Pedall zufolge normalerweise "drei bis fünf Minuten", bis eine Streife der U-Bahn-Wache vor Ort sein kann. Die Doppel-Streifen - tagsüber sind acht bis neun, in den Abend- und Nachtstunden 14 im U-Bahn-Netz unterwegs - stehen in direktem Funkkontakt mit der Leitstelle, die daher stets den Aufenthaltsort der Sicherheitskräfte kennt.

Um nicht vom Fahrplan der U-Bahn abhängig zu sein, stehen für Notfälle an der Oberfläche Autos bereit. Die U-Bahn-Wache wurde in den vergangenen Jahren immer wieder aufgestockt. Aus den 50 Sicherheitskräften des Jahres 1989 sind Pedall zufolge inzwischen 124 geworden.

Unterdessen geht der politische Streit über die Konsequenzen aus den Übergriffen auch im Münchner Rathaus weiter. Während die CSU-Fraktion die "schnellst mögliche" Abschiebung krimineller Ausländer forderte, riefen SPD und Grüne zur Besonnenheit auf.

Auch im Wahlkampf müsse dieses Thema sachlich diskutiert werden, so die SPD. Die Grünen warnten davor, dass rechte Organisationen wie die "Bürgerinitiative Ausländerstopp" zu Nutznießern der aufgeregten Debatte werden könnte.

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