Politische Gespräche:Gönner, Gegner und Gewinner

Ein sehr aufregender Tag in München bietet auch zu späterer Stunde reichlich Gesprächsstoff - quer durch die Parteien

Es ist ein sehr politischer Tag in der Landeshauptstadt, der beim Fest in der SZ zu Ende geht, und den Spitzenpolitikern aus Stadt und Land geht es wie Sportlern nach einem großen Match: Anspannung und Entspannung wechseln sich ab, der Tag will noch einmal rekapituliert werden.

Eine Grundspannung ergibt sich alleine schon dadurch, dass drei große Nachfolger aus der bayerischen Politik in kurzem Zeitabstand vor dem SZ-Hochhaus vorfahren. Ministerpräsident Horst Seehofer, der sich selbst nachfolgt, Innenminister Joachim Herrmann, der vielleicht Seehofer auch irgendwie beerbt, und Finanzminister Markus Söder, der Seehofer gerne zügig aus der Bahn schieben würde, aber das bis auf weiteres wohl nicht kann. Seehofer steigt aus und führt sogleich eine seiner typischsten Charaktereigenschaften vor: entspannt wirken, auch wenn es in einem arbeitet. "Jetzt bin ich bei der Süddeutschen Zeitung, da fühle ich mich sowieso am wohlsten", sagt Seehofer, doch das ist ebenso ironisch gemeint wie die Tatsache, dass ihn SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach als "größten Ministerpräsidenten, den Bayern je hatte" begrüßt. Gleich drauf frotzelt Krachs Chefredakteurs-Kollege Kurt Kister Seehofer mit den Worten an: "Der Söder ist schon da." Seehofer nimmt den Ball auf und stöhnt in gespielter Verzweiflung: "Da kann ich nicht mithalten, weil er schneller ist, er ist schöner, schneller, intelligenter."

Markus Söder, der das möglicherweise genauso sieht, hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits im SZ-Gebäude etabliert, in ihm arbeitet noch das Geschehen vom Vormittag. Söder hatte zum Flughafenjubiläum zu einem Staatsempfang in die Allerheiligen-Hofkirche der Residenz geladen. Dorthin kamen viele Repräsentanten, nur die Stadt München glänzte komplett durch Abwesenheit, obwohl sie Minderheitsgesellschafterin ist. Das fanden viele unglücklich, auch Seehofer. Doch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter dreht den Spieß gleich um: Es sei doch Aufgabe des Freistaats, bei der Terminplanung bei der Stadt nachzufragen, ob sie überhaupt Zeit habe. "Dann soll halt der Söder einen kurzen Anruf starten", stichelt Reiter. Das einzige, was Reiter und Söder an diesem Tag verbindet, ist, dass sie, völlig entspannt, ohne Krawatte im Sommerlook erscheinen.

München: Nacht im Ma / SZ-Abend

Gäste und Gastgeber: Ministerpräsident Horst Seehofer, SZ-Chefredakteur Kurt Kister, der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber und SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach im Gespräch (von rechts).

(Foto: Johannes Simon)

Sehr viel enger sind da schon Reiter und Seehofer beisammen, die beiden Chefs. Als sie auf der oberen Plattform im weitläufigen Atrium des SZ-Hochhauses aufeinandertreffen, gibt es ein großes Hallo und eine herzliche Begrüßung, wie sie einem unter politischen Gegnern womöglich leichter fällt als unter Parteifreunden. Dazu trägt auch bei, dass beide sich beim anderen großen Münchner Thema dieses Mittwochs recht einig sind: bei der Bierpreisbremse und deren Scheitern im Stadtrat. Die war das große Projekt des Zweiten Bürgermeisters Josef Schmid. Und CSU-Seehofer und SPD-Reiter sind sich erkennbar einig, dass CSU-Schmid nicht zu den großen Gewinnern dieses Tages gehört. Ob Schmid selbst das auch so sieht, lässt sich an diesem Abend nicht eruieren - er sagt sein Kommen kurz vor dem Start ab, "aus kurzfristigen terminlichen Gründen", wie er am Folgetag erläutert.

Während die Biere und manch anderes Getränk in die Kehlen fließen, ist Schmids gescheiterter Versuch, den Masspreis auf dem Oktoberfest einzufrieren, immer wieder Thema. Dieter Reiter hält den Tag im Stadtrat für einen Komödienstadl, gewinnt der von ihm oft verspotteten Thematik aber auch positive Seiten ab. Das Interesse der Medien sei enorm, auch das Fernsehen und überregionale Zeitungen hatten sich für die Bierpreisbremse interessiert, das gefällt Reiter natürlich, Unsinn hin oder her. Zu denen, die im Stadtrat bei manchem sonstigen Klein-Klein ebenfalls froh darum sind, dass es einmal richtig hoch her ging, gehört an diesem Abend auch Wolfgang Heubisch. Der frühere FDP-Wissenschaftsminister im zweiten Kabinett Seehofer sitzt nun nach dem Scheitern der Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde als FDP-Stadtrat im Rathaus. Der Mittwoch dort sei vielleicht die beste und spannendste Debatte in dieser Amtsperiode gewesen, schwärmt Heubisch. Er spricht noch nicht darüber, aber man sieht es ihm an, dass er sich auch wieder einen Sitz im Landtag vorstellen könnte. Aber dafür ist es zu früh.

Politische Gespräche: Ebenso wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (l.) kam auch Markus Söder im Sommerlook ohne Krawatte.

Ebenso wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (l.) kam auch Markus Söder im Sommerlook ohne Krawatte.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nicht ganz so entspannt wirkt der Gesichtsausdruck bei manchem SPD-Vertreter. Natascha Kohnen, die bisherige Generalsekretärin der Bayern-SPD, die jetzt Landeschefin wird, zieht durch die Gänge und trifft auf die bekannte Unions-Übermacht. Erstmals nach dem SPD-Mitgliederentscheid, der sie zur wahrscheinlichen Herausforderin macht, trifft sie auf Seehofer und erlebt von ihm gönnerhafte, spöttische Milde: "Herzlichen Glückwunsch, auf gute Zusammenarbeit. Ich wünsche Ihnen so viel Erfolg, dass ich mich nicht ärgern muss."

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