Politik:Kein Weihnachtsfriede im Rathaus

Stadtratsabstimmung über Stolpersteine in München, 2015

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD, Mitte), CSU-Bürgermeister Josef Schmid und SPD-Bürgermeisterin Christine Strobl. (Die Aufnahme stammt von 2015.)

(Foto: Robert Haas)
  • Mit viel Knatsch verabschiedet sich der Stadtrat in die Ferien: Die CSU ist sauer auf die SPD und umgekehrt, Oberbürgermeister Dieter Reiter ärgert sich über seine eigenen Leute, und alle nervt die Tagesordnung.
  • In seiner letzten Sitzung verabschiedet der Stadtrat unter anderem den gemeinsamen Beschluss über den Haushalt 2017.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Den ganzen Tag glomm schon die Lunte bei Oberbürgermeister Dieter Reiter, sichtlich schlecht gelaunt nach den vielen Rempeleien der vergangenen Tage im Rathausbündnis. Um 18.23 zündete der OB dann fast am Ende der Stadtratssitzung die Bombe: Er erklärte einen Beschluss des Kreisverwaltungsausschusses vom Dienstag vorerst für ungültig, weil er seiner Meinung nach gegen geltendes Recht verstößt. Dort hatten CSU, Grüne und Piraten gegen die SPD beschlossen, dass künftig der Ausschuss den Kulturstrand vergibt - und nicht das Kreisverwaltungsreferat von SPD-Mann Thomas Böhle. Eine schwarz-grüne Düpierung, die dem OB übel aufgestoßen war. Die CSU keilte umgehend zurück. "Der OB soll sich aufführen wie ein OB und nicht wie ein kleines Kind, dem man das Spielzeug weggenommen hat", sagte CSU Fraktionsvize Michael Kuffer. Damit endete die öffentliche letzte Sitzung vor Weihnachten am Mittwoch, wie sie begonnen hatte: in angespannter Atmosphäre. Schon am Anfang kämpfte sich ein sichtlich gereizter OB durch eine komplett unübersichtliche Tagesordnung, deren Logik sich nicht einmal Politik-Profis erschließen wollte. Was er dafür gar nicht brauchen konnte: schlaue Ratschläge seiner Stadtratskollegen. Die aber kamen reichlich. Reiter nahm die guten Ideen für eine erfolgreiche Sitzungsleitung mit gefrorener Miene zur Kenntnis. Als kurz darauf Hans Podiuk in der Haushaltsdebatte seine letzte große Rede vor seinem altersbedingten Rückzug als Fraktionschef hielt, leerten sich die Stühle der SPD-Stadträte merklich. Auch OB Reiter zog einen Ausflug auf den Rathausgang vor. Die Strafe war eine weitgehend verwaiste CSU-Bank, als SPD-Fraktionschef Alexander Reissl sprach. Man geht sich ziemlich auf die Nerven, das ist in Münchens rot-schwarzem Regierungsbündnis derzeit nicht zu übersehen. Es waren noch schwierige Tage für das Bündnis. Galt es doch, den Dauerstreit über die Trambahn-Westtangente endlich beizulegen. Das ist nur mit Müh und Not gelungen, und die Bereitschaft zur Einigkeit war damit offenbar aufgebraucht.

CSU-Politiker berichten empört darüber, wie die SPD am Montagabend überraschend vorschlug, wesentliche Forderungen des Bürgerbegehrens "Saubere Luft für München" in den eigenen, auf der Tagesordnung stehenden Luftreinhalteplan aufzunehmen. Das könne den monatelangen Zoff rund um einen Bürgerentscheid verhindern, und verbindlich oder gar realistisch sei die Zielsetzung einer radikalen Verkehrswende weg vom Auto ohnehin nicht. Nachrichten gingen hin und her, die Drohung, dem Haushalt nicht zuzustimmen, stand zumindest im Raum. Denn die CSU fühlte sich von diesem nicht abgesprochenen Vorgehen überrollt - wieder einmal, wenn man einigen Stadträten glauben will.

Der Zorn soll sich in einem Fraktionstreffen noch vor der Stadtratssitzung massiv entladen haben. Die Sozialdemokraten gelten bei den Christsozialen derzeit als sprunghaft und unzuverlässig. Sogar von grundsätzlichen Verständnisschwierigkeiten ist die Rede, vom Problem, politisch nicht dieselbe Sprache zu sprechen. Und das, obwohl die SPD am Montagabend ihre Initiative noch abgeblasen hatte, um offenen Streit bei Abstimmungen zu verhindern. Am Mittwoch vertagte der Stadtrat das Thema dann. Diese babylonischen Verhältnisse helfen der Opposition und vor allem den Grünen, deren Fraktionschef Florian Roth in seiner Haushaltsrede genüsslich über die Versäumnisse rot-schwarzer Politik lästerte. Grüne und CSU haben da aktuell weniger Differenzen - zumindest in Sachen Kulturstrand.

Will Schwarz-Grün einen eigenen Liebling beim Kulturstrand durchsetzen?

OB Reiter hat sehr wohl registriert, in welcher Harmonie die beiden Intimfeinde am Dienstag in der Ausschusssitzung die SPD auflaufen ließen. Das vermutete Szenario dahinter: Schwarz-Grün will einen SPD-nahen Veranstalter verhindern und einen eigenen Liebling durchsetzen. Absurd, wie der OB findet - er fragt sich, ob man dieses wenig objektive Modell demnächst auch auf die Vergabe der Zelte auf der Wiesn ausdehnen will. Der Einsatz seiner SPD, den Beschluss im Plenum doch noch zu kippen, hielt sich dann jedoch in engen Grenzen. Reiter war anzusehen, wie sehr ihm die Lethargie der eigenen Fraktion stinkt. Und wie empört er über die Ränke des Partners CSU ist.

Das gemeinsame Mittagessen der Stadträte boykottierte er am Mittwoch.

Immerhin: Für einen gemeinsamen Beschluss über den Haushalt 2017 hat es bei SPD und CSU gereicht. Und demnächst soll es dann das geben, was verkrachten Paaren helfen soll: ein klärendes Gespräch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: