Platznot in der Innenstadt:Kampf der Kinder

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Der Kindergarten Elterninitiative Isarvorstadt hat einen Film gedreht - in der Hoffnung, dass er seine angestammten Räume nicht verlassen muss. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der Integrationskindergarten "Elterninitiative Isarvorstadt" an der Geyerstraße braucht eine neue Bleibe.
  • In den Räumen soll künftig die Mittagsbetreuung der Grundschule an der Klenzestraße unterkommen.
  • Der Bedarf an Kinderbetreuung steigt immer weiter - doch in München fehlen die Räume.

Von Melanie Staudinger

Der Appell auf dem weißen Plakat ist eindringlich: "Helft uns, in unseren Räumen zu bleiben, oder gebt uns neue im Viertel. Danke", hält ein Mädchen in die Höhe. Ein anderes verspricht: "Dann bist du unser Held". Im Integrationskindergarten "Elterninitiative Isarvorstadt" an der Geyerstraße ist an diesem Nachmittag einiges los: Zwei Kameramänner filmen die Kinder, in ihrem schattigen Garten mit der riesigen silberfarbenen Rutsche, in der Kirche, beim Süßigkeitenhändler. Sie begleiten die Drei- bis Sechsjährigen bei ihrer fiktiven Suche nach einem neuen Domizil. Am Ende stellen die Mädchen und Buben fest: "Wir sind zu klein". Irgendjemand müsse ihnen helfen, ein Held eben - oder ihre Tagesstätte stehe vor dem Aus.

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Für die Eltern ist die Suche real, sie begann vor einigen Monaten. Damals erfuhren die Eltern, die die Einrichtung ehrenamtlich betreiben, von ihrem Vermieter, dass sie dessen Räume verlassen müssen. "Das war ein Schock", sagt Daniel Thomas, Vorstandsmitglied der Elterninitiative. Seit 21 Jahren sei der Kindergarten in dem Hinterhof-Haus mit seinen zwei Etagen untergebracht - und damit solle Anfang März 2016 Schluss sein? Besonders ärgerlich für ihn: "Hier stehen plötzlich Kinder gegen Kinder", sagt Thomas. Denn der Vermieter ist ebenfalls ein Verein, der sich in der Kinderbetreuung engagiert, die "Nachbarschaft Westermühlbach" kümmert sich um die Mittagsbetreuung in der nahegelegenen Grundschule an der Klenzestraße.

Der Bedarf an Betreuung steigt

"Ich kann den Kindergarten und seine Sorgen absolut verstehen", sagt Geschäftsführerin Hilde Gerner. Doch auch sie stehe unter Druck. Wegen der Ganztagsklassen brauche die Schule mehr Platz. Das bedeutet, dass auch die letzte der vier Gruppen aus der Klenzestraße ausziehen muss - die drei anderen haben bereits Ersatzquartiere an der Geyer-, der Jahn- und der Kapuzinerstraße gefunden. "Wir verlieren unseren Gruppenraum und müssten uns dann ein Zimmer mit einer Klasse teilen", sagt Gerner. Das sei an vielen Schulen zwar üblich, pädagogisch aber kaum wünschenswert. "Nur weil es diese Doppelnutzung woanders gibt, heißt das noch lange nicht, dass sie optimal ist", klagt die Geschäftsführerin.

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Das Beispiel des Kindergartens Isarvorstadt zeigt: Der Bedarf nach Betreuung, vor allem bis weit in den Nachmittag hinein, steigt. Das wird gerade in den dicht bebauten, teuren Innenstadtlagen zum Problem: Mittagsbetreuungen, Kindergärten und Krippen konkurrieren um die immer gleichen Immobilien. Die Stadt stellt hohe Anforderungen an Ausstattung und Qualität, Vermieter sind in der Regel wenig begeistert, wenn sie an 15 plärrende Kinder in ihrem Objekt denken. Wer in einer Gegend, in der die Kaltmiete pro Quadratmeter durchaus 23 Euro und mehr beträgt, etwas Passendes gefunden hat, kann sich tatsächlich glücklich schätzen.

Ob diese Suche nun für einen Kindergarten oder eine Mittagsbetreuung leichter ist, darüber gehen die Meinungen in der Isarvorstadt auseinander. Gerner von der "Nachbarschaft Westermühlbach" verweist darauf, dass Kindertagesstätten Investitionskostenzuschüsse von der Stadt bekämen, Vermieter diese also lieber nähmen als eine Mittagsbetreuung. Daniel Thomas von der Elterninitiative hingegen argumentiert, dass die Mittagsbetreuung weniger Stunden geöffnet sei und damit vielleicht sozialverträglicher. Egal, wer nun Recht hat: Eine der beiden Einrichtungen muss ausziehen. "Wir würden zwar lieber bleiben, aber wenn es gar nicht anders geht, hoffen wir, dass wir mit dem Film einen neuen Vermieter finden", sagt Thomas. Das professionell produzierte Video ist im Internet veröffentlicht.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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