Planegg:Kunst kommt von Dürfen

Vor dem Abriss einer Turnhalle können Schulkinder dort hemmungslos klecksen, kritzeln und Farbe verschießen

Von Annette Jäger, Planegg

"Ich war eine Turnhalle" ist in roter Farbe auf die weißen Kacheln im Waschraum gepinselt. Die Turnhalle der Grundschule Planegg hat tatsächlich ausgedient, demnächst wird sie abgerissen. Doch vorher erfährt sie noch eine andere Nutzung: Diese Woche ist sie zur Kunsthalle geworden. Alle Schüler der Grundschule haben unter Anleitung der Kunstschule "Schule der Phantasie Planegg-Martinsried" vier Tage lang in der Halle ihre kreative Seite ausgetobt. Da durften dann auch die Kacheln im Waschraum bunt bepinselt werden.

War das wirklich mal eine Turnhalle? Kinder knien auf dem Boden und fertigen aus Kartonrohren und Naturmaterialien kleine Gipsskulpturen, die sie an den von der Decke baumelnden Tauen aufziehen, so dass fantastische Eis-Lianen entstehen. Die Turnringe daneben mutieren nach und nach zu riesigen Quallen, indem die Schüler in meterlange Kassenpapierrollen Muster mit der Schere schneiden und sie als wehende Quallententakel an den Ringen befestigen. An anderer Stelle dient der Turnhallenboden als Druckplatte, er darf mit Moosgummi beklebt und mit Farbe beschmiert werden, bevor ein Papierabdruck davon genommen wird. Besonders begehrt ist die Spritz-Station: Hier dürfen die Kinder in einen Ganzkörperanzug steigen und mit einer mit Farbe gefüllten Wasserspritzpistole auf eine Leinwand schießen. Dass an der Wandverkleidung dahinter die Farbe in Bächen herabläuft und sich auf dem Boden bunte Farbseen bilden, stört hier keinen.

Das Team der Schule der Phantasie hat sich acht kreative Stationen ausgedacht, an denen die Kinder verschiedene haptische Erfahrungen machen. Manche Station verbindet sportliche Bewegung und Kunst. So absolvieren die Kinder ein Zirkeltraining, das auf dem Trampolin endet. Hier hüpfen sie auf und ab und zeichnen dabei mit Kreide Zufallsstriche auf einen Papierbogen, den eine Helferin hochhält. Die dynamischen Kritzelbilder halten den Bewegungsablauf fest. Alle 20 Minuten wechseln die Kinder die Station.

Eine ganze Halle ist zum Atelier geworden und die Kinder sind begeistert dabei, sagt Martina Frick von der Schule der Phantasie. Manche sind erst zögerlich, wie die drei Schülerinnen der dritten Klasse am Mittwochvormittag. Doch ihre Hemmungen legen sie schnell ab, als sie merken, dass hier alles erlaubt ist. Manche verfallen förmlich in einen Farbrausch, sagt Frick. So soll im Waschraum zartes Papier mit farbiger Tusche marmoriert werden. Doch nach kurzer Zeit haben die Kinder auch sämtliche Fliesen, Spiegel und Duschkabinen mit bunten Pinselstrichen, Farbspritzern und Blumen versehen. Ein Junge schmiert versunken mit beiden Händen genussvoll den Heizkörper mit lila Farbe voll, ein anderer verteilt dynamische Pinselstriche auf die Kachelwand und singt dabei. Plötzlich dreht er sich um und fragt in den Raum: "Darf man sich auch selbst anmalen?" Am Freitag werden alle Arbeiten beim großen Turnhallenabschlussfest gezeigt. Dann wird die Halle noch einmal zur großen Kunstgalerie.

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