Plan der Stadt:Sportstunden hoch über dem Ratzingerplatz

Bei einer Führung über den Schandfleck von Obersendling wird deutlich, was hier in absehbarer Zeit besser werden soll. Die Stadt plant unter anderem eine Promenade, ein Gymnasium und ein größeres Parkdeck über der U-Bahn-Station Aidenbachstraße

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Den Ratzingerplatz, jene öde, mitunter umtoste Verkehrs- und Brachfläche, überhaupt als Platz zu bezeichnen, halten viele Münchner für puren Euphemismus. Tobias Schulz teilt vollkommen diese Sichtweise. Umso mehr freut es den Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Obersendling-Thalkirchen, dass in absehbarer Zeit eine umfassende Neuordnung der Gegend ins Rollen kommt. Genau diese Veränderungen waren jetzt Thema eines "Stadtteilspaziergangs" seiner Partei. Ein Angebot wie ein Volltreffer: Mehr als 100 Interessierte beteiligten sich an der zweistündigen Ortsbesichtigung unter kundiger Führung der Stadträte Christian Amlong und Christian Vorländer, des ehemaligen Bezirksausschuss-Vorsitzenden Hans Bauer sowie des Vorsitzenden des Unterausschusses Bau und Planung im Bezirksausschuss 19, Michael Kollatz.

Die Zahl jener Obersendlinger, die den Glauben an eine Aufwertung des Unorts verloren haben, ist unbekannt, dürfte aber beträchtlich sein. Ihnen versicherte Stadtrat Amlong - er ist immerhin Sprecher des städtischen Planungsausschusses -, dass die komplexe städtebauliche Herausforderung schon bald in den Fokus rückt. Noch im Dezember dieses Jahres werde der Münchner Stadtrat einen Grundsatz- und Eckdatenbeschluss fassen, den Ratzingerplatz als attraktives Quartierszentrum mit Schulstandort und vielfältigen weiteren Funktionen zu entwickeln.

Der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung ist diesen Schritt bereits gegangen. In den betreffenden Vorlagen ist von mehreren "Quadranten" die Rede, die abschnittsweise realisiert werden sollen. Das kann sich über Jahre hinziehen und hängt, wie im Fall des Umbaus des nördlichen Teils der Boschetsrieder Straße zu einer Promenade mit Häuserzeile, auch davon ab, ob die Tram-Westtangente vom Romanplatz zum Ratzingerplatz verwirklicht wird. Das Projekt ist zwischen SPD und CSU heiß umstritten. Doch an einer Entscheidung führe vermutlich schon im nächsten Jahr kein Weg mehr vorbei, sagte Amlong. So oder so von Vorteil für die kommunalen Planer: Die 13,2 Hektar große Gesamtfläche, um die es geht, befindet sich im Eigentum der Stadt (12,5 Hektar), der Stadtwerke oder der Stadtsparkasse.

Dass am Ratzingerplatz endlich etwas vorangeht, ist vor allem dem starken Bevölkerungswachstum in Obersendling geschuldet. Riesige neue, bereits fertiggestellte oder geplante Siedlungen (Südseite, Campus Süd, Am Südpark, Wohnen im Siemens-Hochhaus) erfordern im Nachgang dringend den Bau von Schulen. "Da hat die Stadt ohnehin zu spät reagiert", räumte Amlong selbstkritisch ein, sie habe ihre Energie einseitig in den Wohnungsbau gesteckt, statt vernetzt zu denken.

Eine neue fünfzügige Grundschule auf dem Freigelände an der Ecke östliche Aidenbachstraße/südliche Boschetsrieder Straße sowie ein sechszügiges Gymnasium südlich der Gmunder Straße dürften denn auch die ersten Marksteine bei der Umgestaltung des Ratzingerplatzes werden. Ihre Fertigstellung wird bis 2020 beziehungsweise 2021 angestrebt. Schneller gehe es "bei allem Leidensdruck" nicht, sagte Michael Kollatz, "denn die Dinge brauchen einen erheblichen Vorlauf".

Allein für die detaillierte Ausführungsplanung unter Einbeziehung von Gutachtern veranschlage die Stadt eineinhalb Jahre. Spektakuläre Details der Schulplanung: Zur Doppelnutzung einer Mensa sollen die Schulgebäude durch eine Brückenkonstruktion miteinander verbunden werden. Und die Sportplätze sind auf den jeweiligen - durch Glaswände gesicherten - Dächern angeordnet. In Hamburg existieren solche Lösungen bereits. Münchner Stadträte haben sie sich vor einiger Zeit angesehen und zeigten sich angetan.

Stadtteilrundgang der SPD im Münchner Süden auf dem Ratzingerplatz

Auf Interesse gestoßen ist die SPD mit einer Besichtigungstour am Ratzingerplatz. Kein Wunder - die trostlose Gegend verändert bald ihr Gesicht.

(Foto: Florian Peljak)

Zeitgleich mit dem Grundschul- und Gymnasiumsbau ist an die Erweiterung der Feuerwehr- und Rettungsdienstschule nördlich der Boschetsrieder Straße/östlich der Aidenbachstraße gedacht. Das Kreisverwaltungsreferat hat den zusätzlichen Flächenbedarf anerkannt; ihm wird der Sparkassenbau zum Opfer fallen. Die Situierung der Feuerwache 2 und der Feuerwehrschule ist oft kritisiert worden. Der Standort sei wegen der Möglichkeit, Ampelanlagen im Alarmfall flexibel zu schalten, jedoch ideal, erläuterte Amlong.

Eine weitere Komponente der Ratzingerplatz-Neugestaltung ist der Abriss und die Neuerrichtung des Parkdecks über der U-Bahnstation Aidenbachstraße. Eine Aufstockung der bestehenden Park-and-ride-Anlage ist aus statischen Gründen nicht möglich. Im Zuge der unausweichlichen Erneuerung und Erweiterung sollen bis zu 400 Pkw-Stellplätze auf zwei Etagen entstehen; derzeit stehen lediglich 190 zur Verfügung. Die Staugefahren rund ums künftige Parkdeck behalte der Stadtrat hoffentlich im Blick, sagten Teilnehmer der Tour.

Michael Kollatz erinnerte an die jüngere Historie des Ratzingerplatzes. Einen geeigneteren Ort als die ehemalige Trambahn-Wendeschleife hätte er sich dafür nicht aussuchen können, sie ist gewissermaßen ein Symbol für all die fehlgeschlagenen Optimierungsversuche an dieser Stelle der Stadt. Nachdem 1991 die U-Bahnlinie nach Fürstenried-West eröffnet worden war und hier die letzte Trambahn vorbeikam, reichten die Zwischennutzungen vom Wochenmarkt bis zum kommerziellen Busbahnhof - beides ist gescheitert, ebenso wie die Ansiedlung eines Kunsthappenings oder eine halbwegs gefällige Bepflanzung. Von Dauer gewesen sind einzig Bandübungsräume. Doch für die wird man Ersatz finden müssen, denn sowohl das ehemalige Trambahnhäuschen wie auch die unterirdischen Räume werden im Zuge der Platzentwicklung beseitigt.

Manches in diesem Zusammenhang klingt nach ferner Zukunftsmusik, wie etwa der geplante Quartiersplatz mit Läden und Dienstleistungsbetrieben bei der "Zeppelinhalle". Um ihn anlegen zu können, müsste erst einmal ein städtischer Betriebshof mit Winterdienst weichen. Doch für den ist bisher kein Alternativstandort gefunden worden. Stadtrat Christian Vorländer äußerte die Hoffnung, die Teilnehmer des SPD-Stadtteilspaziergangs hätten trotz offener Restfragen einiges an Erkenntnissen gewonnen. Beifall ließ darauf schließen, dass dies zutraf.

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