Pläne zur Zwischennutzung:Baby Biebie für Freimann

Es könnte ein echter Nachfolger des "Puerto Giesing" werden: In die Räume der insolventen Druckerei Biering in Freimann soll vorübergehend die Kunst einziehen. Kulturmanagerin Zehra Spindler stellt sich Performances, Lesungen und Gemüse auf dem Dach vor.

Von Christiane Lutz

Ein Türschild verweist noch auf das Sprechzimmer der Betriebsärztin "Frau Doktor Bula-Wiese", aber es brennt kein Licht. In der Cafeteria liegen noch die Tischdecken auf den Tischen, aber niemand ist mehr da, der isst. Es sind die Räume der ehemaligen Druckerei "Biering" in Freimann, die seit einigen Monaten leerstehen, die Firma ging insolvent. Ein neuer Investor ist zwar gefunden, aber der ist noch nicht sicher, ob das Gebäude kernsaniert oder abgerissen werden soll. Und deswegen hat er Zehra Spindler geholt.

Die 46-Jährige ist mit einem Kopf voller Ideen nach Freimann aufgebrochen, um dort ein neues Kreativzentrum zu errichten. So lang, wie der neue Eigentümer das gestattet. Kulturelle Zwischennutzung also. Spindler ist auf dem Gebiet Profi, eine von Münchens best vernetzten freien Kulturmanagern. Sie organisiert regelmäßig die "Nerd Nite" und hat der Stadt und ihren Kreativen bereits einige Zwischennutzungs-Projekte geboten, wie 2011 das "Art Babel" in der Maxvorstadt und 2010 das "Puerto Giesing" in einem alten Kaufhaus.

Ein Geisterhaus, seltsam aus der Zeit gefallen

Jetzt also die Druckerei Biering in der Freisinger Landstraße, das "Biebie", wie Spindler ihr Baby getauft hat. Biebie, das war das Logo der Druckerei, noch immer prangt es groß vor der Eingangstür. In der Luft hängt noch der Geruch von Maschinenöl und Druckerfarbe, wabenförmige Büros sind mit Lamellen-Jalousien im Siebzigerjahre-Stil verdunkelt. Die Druckerei wirkt wie ein Geisterhaus, seltsam aus der Zeit gefallen, auch wenn dort Anfang Oktober noch gearbeitet wurde. Zehra Spindler ist ziemlich aus dem Häuschen über diesen neuen Fang, sie darf, sofern alles gut läuft, 11 000 Quadratmeter und vier Stockwerke bespielen, Dachterrasse inklusive. Performances wären schön, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Gemüse auf dem Dach.

Spindler ist eine entspannte Getriebene. Ständig klingelt ihr Handy, doch sie bleibt ruhig und freundlich. Sie plaudert viel, aber schwatzt nicht. Als sie vor einigen Tagen unter ihren Künstlerfreunden den Aufruf startete, die Büroräume im "Biebie" zum Arbeiten zu vergeben, waren 48 Stunden später alle Plätze weg. Alte Bekannte Spindlers sind wieder mit dabei, wie die Videokünstlerinnen Anna-Louise Bath und Betty Mü. James Sutherland, ein Künstler, der Holzobjekte mit Acrylfarbe bemalt, Nikolaus Graf, Musiker und Produzent, und DJ Mooner, der alte Leuchtreklame künstlerisch verwertet.

Eben habe auch das Münchner Kammerorchester angerufen, sagt Spindler, die suchten dringend Proberäume: "Eine Kooperation mit denen fände ich super, da könnten spannende Einflüsse entstehen." Der Bedarf nach Räumen ist für Münchens Künstler ganz offensichtlich riesig. Das "Biebie" ist also eine Chance, zumal die Künstler für die Büros nur die Nebenkosten zahlen müssen. Einen konkreten Plan aber hat Spindler nicht. Pressearbeit hat sie nie gemacht. Alles läuft über Facebook. Wer das nicht mitkriegt - Pech gehabt. Doch bei ihren Ausführungen fällt ein Begriff immer wieder: Puerto.

Das "Biebie" könnte das neue "Puerto" werden

Das "Puerto Giesing" war Spindlers bisher größter Wurf für Münchens Kulturlandschaft. Ihr gelang damit etwas, was viele für ein in München unmögliches Unterfangen hielten. Mit Künstlern hatte Spindler über Monate das leer stehende Hertie-Kaufhaus an der Tegernseer Landstraße in Obergiesing genutzt. Graffiti, Partys, Kunstveranstaltungen, Konzerte: Das "Puerto" entwickelte sich schnell zum spannendsten Ort der Stadt. Als die Zwischennutzung nach Silvester 2010 endgültig zu Ende war, empfanden das viele Münchner als großen Verlust. Das "Biebie" könnte jetzt das neue "Puerto" werden.

Pläne zur Zwischennutzung: Zehra Spindler hat zwar noch keine Genehmigung, aber jede Menge Ideen.

Zehra Spindler hat zwar noch keine Genehmigung, aber jede Menge Ideen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aber noch ist gar nichts sicher, auch wenn die ersten Künstler bereits die Büros im ersten Stock bezogen haben. Noch steht Spindler das Genehmigungsverfahren für eine Zwischennutzung bevor und eine eventuelle damit verbundene Beantragung für Nutzungsänderung der Räume. Das heißt: Sollte klar werden, dass Spindler die Betriebsräume in Versammlungsstätten umdeuten möchte - was sehr wahrscheinlich ist, wenn dort Ausstellungen oder Performances stattfinden sollen - gelten andere Auflagen für Brandschutz, Verkehrssicherheit oder sanitäre Anlagen. Diese muss Spindler erfüllen und ein entsprechendes Konzept vorlegen.

Cornelius Mager, Leiter der Lokalbaukommission, hat bisher keinen Antrag vorliegen, doch er sagt: "Grundsätzlich unterstützen wir Zwischennutzungen sehr. Besonders, weil die Nischen dafür in München so klein sind und die Dauer der Projekte ohnehin meist sehr kurz." Die Zwischennutzer müssten nur zuverlässig sein und etwas Gespür für die Umgebung zeigen, in der sie aktiv sind. "In München geht Vieles", sagt Mager, "aber nicht alles, überall und immer."

"Freimann ist gar nicht so weit draußen"

Das könnte übersetzt heißen: Wilde Partys sind im Wohngebiet von Freimann eher schwierig. Spindler aber will ohnehin auf die Menschen in Freimann zugehen. Eine Zusammenarbeit mit dem Metropoltheater oder der Mohr-Villa interessiert sie. Der zuständige Bezirksausschuss unter Vorsitz des Architekten Werner Lederer-Piloty (SPD) hat sich bisher offen für Spindlers Projekt gezeigt. Auch der ehemalige Eigentümer der Druckerei, Ralf Biering, sei angetan von der Idee, sein ehemaliges Firmengebäude nicht dahinsiechen zu lassen, sagt Spindler.

Bleibt die Frage, wer das alles bezahlen soll. Müssen beispielsweise zusätzliche Toiletten gebaut, Fluchtwege angelegt oder Treppengeländer verbessert werden, kostet das Geld. Mit Sponsoren habe sie nie gearbeitet, sagt Spindler, die wollten Planungssicherheit, die sie ihnen nicht bieten könne. Aber sie ist frohen Mutes. "Ich hab kein Problem damit, auch mal kommerziell zu sein", sagt sie, irgendwie müsse man die Kunst ja finanzieren. Da ist sie pragmatisch. Wenn alles klappt, öffnet das "Biebie" im Frühjahr seine Türen für das Publikum. "Und mal ehrlich", sagt Spindler, "Freimann ist gar nicht so weit draußen. Vom Marienplatz sind es 15 Minuten. Hab ich extra gestoppt." Dann klingelt schon wieder ihr Handy.

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