Pläne für neue Philharmonie:Ein Konzertsaal in der Isar

München braucht nicht irgendeinen Konzertsaal, sondern einen spektakulären, der weltweit beeindruckt: Das sagt ein bekannter Architekt - und hat einen kühnen Entwurf vorgelegt.

Ulrich Schäfer

Die Idee klingt verrückt, ziemlich verrückt sogar. Und Roland Dieterle kennt auch all die Einwände dagegen: die schwierige Zufahrt; die Bedenken der Naturschützer; die angeblich so gewagte Lage. Aber für den Münchner Architekten, der lange für Siemens gearbeitet hat, in Europa, Asien und Afrika, und der mit seinem Büro "Spacial Solutions" nun Firmengebäude, Kongresszentren und Hotels in der ganzen Welt baut, gibt es nur einen wirklich guten Standort, um in seiner Heimatstadt einen Konzertsaal zu bauen: mitten in der Isar.

Philharmonie

Ein Konzertsaal im Fluss? Kein Problem, sagt der Münchner Architekt Roland Dieterle. Eine Seilbahn könnte den Saal mit dem Gasteig verbinden. In das Gebäude gelangen die Besucher in jedem Fall von oben. Die Außenhaut der Isarphilharmonie wäre aus Glas.

Fotos: Spacial Solutions

Auf einer Kiesbank mitten im Fluss, vis à vis von der Muffathalle, in unmittelbarer Nähe des Wehrs, das die Halbinsel mit dem Vater-Rhein-Brunnen mit der Praterinsel verbindet, will er den neuen Saal errichten: ein lichtdurchflutetes Gebäude, das auf einem schmalen Sockel ruht und in seiner Form einem Weinglas ohne Stiel ähnelt. Außen wäre es zur Gänze verglast; mit einem Wandelgang, der sich schneckenförmig um den Konzertsaal in der Mitte des Gebäudes windet.

Wenn die Besucher der Isarphilharmonie über diesen Wandelgang zu ihren Plätzen flanieren, wenn sie in der Pause auf der Dachterrasse plaudern oder nach dem Konzert dem Ausgang entgegen streben, würde sich ihnen ein phantastischer Blick auf die Stadt eröffnen: auf die Isar, das Müllersche Volksbad, das Deutsche Museum, die Praterinsel. Im Sommer sähen sie unten auf der Kiesbank die Badenden. Und die Menschen am Fluss könnten unterhalb des riesigen Weinglas-Konzertsaals feiern oder einfach nur den lauen Sommerabend genießen können.

Es ist eine spektakuläre Idee, mit der der Münchner Architekt sich in die Debatte um den neuen Münchner Konzertsaal einmischt. Eine Idee, die viele Planer zunächst verschreckt hat und den Widerstand vor allem der Stadt hervorgerufen hat, weil sie so gar nicht zu München zu passen scheint. Aber genau das macht diesen Entwurf so reizvoll: Er hebt sich ab von dem, was ansonsten diskutiert wird, von den Versuchen, irgendein nicht allzu auffälliges Gebäude einzupassen oder ein bestehendes möglichst vorsichtig in einen Konzertsaal zu verwandeln.

Dieterle hat sich seit Monaten an der zähen Debatte zum Konzertsaal gestoßen, die "als reine Grundstücksdebatte geführt wird, reduziert auf das Ausschlussprinzip". Er beklagt: "Die Menschen wollen bei so einem Projekt inspiriert werden, aber die bisherige Diskussion hat niemanden inspiriert." Auch ihn nicht. Und so ist Dieterle, der als Professor auch Projektmanagement an der Hochschule für Technik in Stuttgart lehrt, immer wieder durch die Stadt gestreift, geradelt und hat überlegt: Wo passt der Saal hin? Wo der ideale, der wirklich spannende Standort? Und wie lässt sich nebenbei das Problem lösen, dass es noch den Gasteig mit seiner Philharmonie gibt, die Oberbürgermeister Christian Ude unbedingt erhalten will.

Die Lösung fand Dieterle am Fluss, auf der Kiesbank in der Isar. Wenn man dort einen Saal errichten würde, und zwar: nur einen Saal, nicht mehr; mit Eingangsbereich und Garderoben und einem Restaurant oben auf dem Dach, aber ohne die ansonsten übliche Infrastruktur - dann würde dies reichen. Denn es gibt ja, nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt, den Gasteig mit allem, was ein Konzerthaus darüber hinaus noch an Fläche braucht: große und kleinere Probenräume, Lager und Versorgungsräume, Tiefgarage und Verwaltung.

All dies könnte der neue Saal, die Isarphilharmonie, mitbenutzen, und der alte Saal, die vor 25 Jahren eröffnete Philharmonie in dem Klinkerklotz in Haidhausen, könnte bestehen bleiben. Besonders kühn wäre es, diese beiden Säle - so wie es Dieterles Entwürfe vorsehen - mit einer filigranen Seilbahn zu verbinden, oder mit einem "People Mover", wie man sie von Flughäfen kennt, mit einer kleinen Kabinenbahn. Aber, sagt Dieterle, das sei nicht zwingend: "Der Saal würde auch ohne die Seilbahn funktionieren." Die Konzertgäste könnten auch durch einen Tunnel vom Gasteig zum neuen Konzertsaal gelangen oder mit der Tram kommen, die am Deutschen Museum hält, wenige Schritte vom Saal entfernt.

Dieterle hat mit seinen Kollegen bei "Spacial Solutions" zwei Wochen am Konzept gefeilt, als zwischen zwei Wettbewerben mal etwas Zeit zu überbrücken war. Die Konzertsaal-Idee fasziniert ihn, seit er sich am Wettbewerb um den Marstall beteiligt hat, damals nicht mit einem Konzertsaal-Konzept, sondern mit dem Entwurf für eine Event-Halle, die den ersten Preis gewann, aber zu jenem Teil des Wettbewerbs zählte, für den sich die Planer damals nicht so sehr interessierten.

Auch gegen den Konzertsaal im Fluss, die Isarphilharmonie, lassen sich manche Argumente vorbringen: Der Chef der Lokalbaukommission der Stadt München etwa, Cornelius Mager, soll dem Vernehmen nach in der Konzertsaal-Kommission , die unter Leitung des Kunstministeriums derzeit alle 13 möglichen Standorte für einen neuen Saal prüft (siehe Grafik oben), einen ganzen Schwung an Bedenken vorgetragen - allen voran den Naturschutz. Das hat andere Mitglieder in der Kommission durchaus beeindruckt, manche reden nur noch ein wenig spöttisch von der "Sandbank", wenn sie die Isarphilharmonie meinen. Sie sagen: Der Plan habe kaum Chancen. Andere dagegen reden von einer "Sensation", die München verändern würde.

Für die Welt-Aufmerksamkeit

Was also spricht dagegen, einmal die üblichen Denkverbote beiseite zu schieben? Der Naturschutz jedenfalls ist nach Ansicht von Isar-Experten kein Problem: Der Fluss ist in der Stadt lediglich ein Landschaftsschutzgebiet, nicht mehr. Dem Bau neuer Gebäude stünde das nicht prinzipiell im Wege, meinen sie und verweisen darauf, dass Stadtbaurätin Elisabeth Merk gerade in einer Arbeitsgruppe ohnehin überlegen lasse, wie man den Raum an der innerstädtischen Isar weiterentwickeln könne.

Warum also nicht einen Konzertsaal dort bauen? Dieterle ist bewusst, dass er noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Es sei natürlich, "dass es immer Einwände und Problem geben wird - egal bei welchem Standort." Er jedenfalls ist davon überzeugt, dass zu den Einsprüchen, die zu seiner Idee vorgebracht werden, auch sehr viel gute Gegenargumente gibt:

Dass der Bau zu groß und wuchtig sei? Keineswegs, sagt der Architekt und verweist auf die Querschnittspläne, wonach die Isarphilharmonie nicht einmal die Höhe der Bäume an der Muffathalle oder der Wohnhäuser am westlichen Isarufer erreichen würde.

Dass der Bau zu teuer sei? Das Gegenteil sei richtig, sagt Dieterle und verweist darauf, dass - anders als den meisten andere Standorten - viele Räumlichkeiten gar nicht gebaut werden müssten, weil es sie im Gasteig gibt. Er selber mag keine exakten Zahlen nennen. Aber mit 70 oder 80 Millionen Euro käme man vermutlich schon recht weit - mit einem ähnlich großen Betrag also, wie die von Ude favorisierte Sanierung des Gasteig kosten würde; an anderen Standorte würde ein neuer Saal schnell das Doppelte erfordern.

Dass München an dieser Stelle keine zusätzliche Bebauung verträgt? Das lasse sich historisch nicht belegen, sagt Dieterle, und zieht alte Fotos hervor, die zeigen: Vor acht Jahrzehnten war die Halbinsel, auf der heute der Vater-Rhein-Brunnen steht, komplett bebaut.

Und dass die Zufahrt und Anlieferung zur Isarphilharmonie schwierig sei? Auch das mag Dieterle nicht gelten lassen. Es gebe bereits asphaltierte Wege auf der Halbinsel mit dem Vater-Rhein-Brunnen. Ein Zuweg zum Saal werde sich da durchaus abzwacken lassen.

Auch der Bauplatz mitten im Fluss, sagt Dieterle, sei statisch gesehen kein Problem. Der Sockel, der "Footprint", wie er es nennt, würde eine Fläche von etwas zwanzig mal zwanzig Metern beanspruchen, der Eingriff in den Fluss selber wäre gering.

Dieterle jedenfalls glaubt, dass die Isarphilharmonie nicht nur die Konzertbesucher faszinieren würde, sondern auch mögliche Sponsoren: "Die Menschen wollen abgeholt werden. Sie wollen, dass es spannend ist - das gilt auch für die Investoren", meint er. Und spannend müsse so ein Bauprojekt auch sein, um mit dem neuen Konzertsaal weit über Bayern und Deutschland hinaus Wirkung zu erzielen: "Wenn man die Welt-Aufmerksamkeit erlangen will", sagt Dieterle, "muss man etwas schaffen, was sehr, sehr attraktiv ist."

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