Pink Christmas am Stephansplatz:Schrille Nacht

Travestiestars tanzen zu Schlagermusik und die Aidshilfe gibt Kondome aus - während Kinder Karussell fahren und die Mütter Kokosmakronen kaufen: Pink Christmas, der schwul-lesbische Weihnachtsmarkt auf dem Stephansplatz, ist politisches Statement und Amüsier-Hotspot zugleich. Und längst eine Attraktion für alle Münchner.

Franz Kotteder

Silvia Francesca, man kann es nicht anders sagen, ist eine echte Rampensau. Wie es sich für einen Schlagerstar gehört, singt sie zu astreiner Playbackmusik, auch wenn sie ein bisschen warten muss, bis der CD-Player anspringt.

Pink Christmas Weihnachtsmarkt am Stephansplatz

Ganz in Rosa und eher krachert statt besinnlich - beim "Pink Christmas" auf dem Stephansplatz zeigt die schwul-lesbische Community ihr Selbstbewusstsein.

(Foto: Florian Peljak)

Aber dann legt die reifere Dame in Pelzmantel und Pelzhaube auf der Vier-Quadratmeter-Bühne richtig los: "Winter in Kanada", ein echter Kracher, bei dem sich die Zehennägel aufbiegen und die flächendeckend verteilten Tannenbäume in Pink ihre rosa Nadeln von sich werfen, bis das Publikum johlt und mitsingt. Da ist Silvia Francesca ganz in ihrem Element, sie schlüpft aus dem Pelzmantel, steht jetzt da im strahlend-weißen Anzug und legt noch einen Gang zu: "Heißer Sand und ein verlorenes Land . . ."

Ja, so sieht es aus, das Rahmenprogramm auf dem Weihnachtsmarkt am Stephansplatz: schrille Schlager, Travestiestars, Christmas-Disco mit DJ James Munich, aber auch Weihnachtslieder mit dem "Regenbogen-Chor". Besinnliches und "Es wird scho glei dumpa" ist hier weniger anzutreffen, man hat es mit einem Weihnachtsmarkt der anderen Art zu tun. Das fängt damit an, dass es eigentlich nur zwei richtige Buden gibt, die diese Bezeichnung auch verdienen. Alles andere sind nämlich Pagodenzelte.

Auch was die Waren angeht, ist hier auf dem Stephansplatz nicht alles so wie auf anderen Christkindlmärkten. Sicher: Plätzchen und Lebkuchen gehören dazu, bunte Christbaumkugeln sicher auch. Wollte man ein repräsentatives Publikum befragen, was es zu kaufen geben sollte, dann wären diese Dinge sicher dabei.

Weniger wahrscheinlich ist, dass Kondome, Gleitgel und Sex-Ratgeber genannt werden. Hier aber, auf dem Stephansplatz, finden sich all diese Dinge einträchtig nebeneinander an einem der 14 Stände, und außerdem wird dort auch noch "(K)ein Aids-Test in drei Minuten" angeboten.

Dies in Kombination mit Kokosmakronen, Nusssternen, Nougattalern und Spekulatius mag erst einmal überraschen, erklärt sich aber schnell, wenn man weiß: Hier ist der Stand des Vereins "Münchner Aids-Hilfe", und der hat nicht nur gesundheitliche Aufklärung im Angebot, sondern auch Backwaren aus dem vereinseigenen "Café Regenbogen" in der Lindwurmstraße.

Die Aids-Hilfe hat "Pink Christmas", den einzigen schwul-lesbischen Christkindlmarkt der Stadt, 2005 gewissermaßen mit aus der Taufe gehoben und ist von Anfang an dabei.

Ableger in Hamburg und Berlin

Man kann mit guten Gründen der Ansicht sein, bei einem Weihnachtsmarkt handle es sich um eine weitgehend geschlechtslose Angelegenheit, bei der die sexuelle Orientierung seiner Besucher egal ist. Hier aber darf, ja muss das schon eine gewisse Rolle spielen, denn mit dem eigenen Weihnachtsmarkt verbindet sich ja auch ein politisches Statement. Die Schwulenbewegung zeigt damit seit sieben Jahren auch Flagge, präsentiert ihr erwachtes Selbstbewusstsein nach Außen.

Pink Christmas Weihnachtsmarkt am Stephansplatz

Nicht nur Schwule und Lesben kommen zu Pink Christmas.

(Foto: Florian Peljak)

Und das auch recht erfolgreich. 2005 fand "Pink Christmas" in recht kleinem Rahmen noch auf dem Holzplatz, mitten im Glockenbachviertel, statt. Inzwischen ist er auf den Stephansplatz vor dem Alten Südfriedhof umgezogen, und die veranstaltende Agentur "Grenzgänger" expandierte mit ihrem Konzept mittlerweile sogar nach Berlin und Hamburg; auch dort gibt es inzwischen "Pink Christmas".

Freilich: Schwule und Lesben stellen keineswegs das Gros der Besucher, zumindest nicht tagsüber, oder wie ein Standlbetreiber sagt: "Die machen ihre Party erst so ab neun Uhr abends, da gibt's dann schon 'ne Menge Homos auf dem Platz."

Ansonsten aber kann man sagen: Zwischen 16 und 19 Uhr sind erstaunlich viele junge Frauen hier, offenbar kennen die weniger Berührungsängste. Auch Paare unterschiedlichen Geschlechts finden sich häufig ein, und Mütter mit Kleinkindern: Schließlich steht ja auch ein winziges Kinderkarussell mit drei Pferdchen am Eingang.

Das Angebot in den Zelten entspricht durchaus dem Publikum. Evelyn Bender etwa hat eine Event- und Catering-Agentur und bietet nicht nur raffinierte Geschenkverpackungen und kleine Snacks oder Gebäck an. "Für mich ist das auch eine gute Gelegenheit, meine Agentur bekannt zu machen", sagt sie. Seit sechs Jahren ist sie dabei, und ihr fällt auf: "Es kommen erstaunlich viele Auswärtige, manche haken auch wie bei einer Kaffeefahrt gleich mehrere Weihnachtsmärkte ab und kommen deshalb auch zu uns."

Ähnliches weiß auch Roland Lackner aus dem Nachbarzelt zu berichten. Der gebürtige Österreicher vertreibt Heilkräuter, Weihrauch und andere Rauchwaren unter dem Namen "Rauchtum" und legt großen Wert darauf, "dass das hier keine Esoterik ist, sondern altem alpenländischem Brauchtum entstammt".

Ein Markt kann eine Brücke sein

Seine Rauchmischungen tragen Namen wie "Schutzengel", "Vergebung", "Feenlicht" oder "Kraft der Liebe", was den Esoterik-Verdacht freilich nicht unbedingt entkräftet. Der Rauch, sagt er, wirke auf das limbische System und werde deshalb auch bei Therapien eingesetzt.

Die meisten Stände freilich bieten ganz bodenständige Waren feil. Es gibt da etwa das "Perlmuttchen", sonst in der Jahnstraße angesiedelt, das hübsche Schmuckunikate, vorwiegend aus bunten Perlen, im Angebot hat.

Oder den "Leopard-Shop" aus Penzberg mit seinen Fellimitaten, der sogar "Warmflaschen mit Schwänzchen und Öhrchen" im Angebot hat, sowie ein Zelt mit etwas schrilleren Waren, die auch gepflegte Drag Queens mit Anspruch zufriedenstellen dürften. Da gibt es etwa ein Samt-Handtäschchen mit der perlenbestickten Aufschrift: "Prince".

Na ja, über so etwas schmunzeln schon auch Mitglieder der schwulen Gemeinde, ebenso wie über den "Tussi on Tour"-Werkzeugkasten, ganz in Rosa gehalten. Das sind aber Ausnahmen, und auch kulinarisch gesehen unterscheidet sich das Angebot kaum von anderen Märkten: Es gibt gebrannte Mandeln, es gibt allerlei Papperlsüßes, und die Bratwurst ist nicht ohne Phosphat zu haben. Der Glühwein und der "Hot Caipi" sind auch nicht wärmer als anderswo.

Nur Silvia Francesca, die singt etwas anders. Und ganz andere Lieder als auf den anderen, den normalen Christkindlmärkten der Stadt. "Ein Lied kann eine Brücke sein", trällert sie den uralten Grand-Prix-Schlager von Joy Fleming über den jetzt randvoll gefüllten Platz.

Möglicherweise kann ja auch so ein Weihnachtsmarkt eine Brücke sein. So jedenfalls haben sich das die Initiatoren vor sieben Jahren vorgestellt. Es scheint zu funktionieren.

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