Pilotystraße:Vom Leerstand zum Sozialprojekt

Pilotystraße: Alles neu: Im Haus an der Pilotystraße gibt es nun ein Wohnprojekt für junge Mütter.

Alles neu: Im Haus an der Pilotystraße gibt es nun ein Wohnprojekt für junge Mütter.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Ein Haus in der Pilotystraße stand über Jahre weitestgehend leer, sodass die Aktivistengruppe "Goldgrund" 2013 mit einer Satireaktion darauf aufmerksam machte.
  • Danach wurde das Haus saniert, nun betreibt die Diakonie dort eine Wohneinrichtung für junge Mütter.

Von Thomas Anlauf

Das alte Haus ist schön herausgeputzt. Nichts erinnert mehr daran, dass das etwa 170 Jahre alte Gebäude vor wenigen Jahren zum Sinnbild des Leerstands städtischer Immobilien in München wurde. Im Herbst 2013 hatten die Aktivisten von "Goldgrund" das Wohnhaus an der Pilotystraße kurzerhand für einen Tag besetzt und mit zahlreichen Künstlern auf den Leerstand aufmerksam gemacht: Gerhard Polt, Till Hofmann, Jochen Busse, Ecco Meinecke und Mehmet Scholl spielten bei dem Satire-Coup mit und brachten Stadtverwaltung und Politik in München reichlich in Verlegenheit. Denn das alte Haus unterstand der Stiftungsverwaltung des Sozialreferats, seit Jahren wohnte nur noch eine Frau in dem heruntergekommenen Haus. Am Freitagnachmittag wurde endlich ein Schlussstrich unter die peinliche Geschichte gezogen: Die Jugendhilfe Oberbayern der Diakonie feierte die offizielle Einweihung einer Wohneinrichtung für Schwangere und junge Mütter sowie deren Kinder.

Bis zu zwölf junge Frauen können nun mit ihren Kleinkindern im sanierten Vordergebäude leben. Jeweils drei Mütter teilen sich eine große Wohnung in einer der vier Etagen, die von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag generalsaniert wurden und nun an die Diakonie vermietet werden. Pro Wohnung stehen fünf Sozialpädagoginnen bereit, die sowohl Ansprechpartner für die Mütter als auch Bezugspersonen für die Kinder sind. Das Betreuungskonzept sei "einzigartig", sagt Andreas Dexheimer, Leiter der Diakonie in München. Vor drei Jahren habe die Stadt gefragt, "ob wir Interesse hätten, in den Räumen etwas Vernünftiges zu machen".

Die Diakonie hatte Interesse: Schon lange war die Sozialhilfeeinrichtung auf der Suche nach einem Haus, in dem ganz junge Mütter, die selbst noch fast Kinder sind, mit ihren Kindern aufgenommen und individuell betreut werden können. "Wir haben jetzt Mütter im Haus, die 14, 15, 16 Jahre alt sind und die selbst noch eine ganz intensive Form der Betreuung brauchen", sagt Dexheimer. In den vier Wohngruppen können die jungen Frauen selbst noch jugendlich sein und gleichzeitig mit ihren kleinen Kindern zusammen leben. Zwar gibt es im ebenfalls generalsanierten Rückgebäude ein Büro und Besprechungsräume, doch die Sozialpädagoginnen arbeiten tagsüber die meiste Zeit mit den jungen Frauen in den Wohnungen. Es sei großartig, wie die Gewofag "aus dieser Bruchbude ein so tolles Haus gemacht hat", sagt Andreas Dexheimer.

Bis es so weit war, knirschte es lange Zeit gewaltig im Münchner Rathaus. Schon seit 2002 sollte das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Ensemble saniert werden, die Bewohner sollten dazu ausziehen. Zuletzt lebte nur noch eine Frau in der Pilotystraße, schon seit 1927 war es die Heimat ihrer Familie. Auch diese Mieterin sollte während der dringend anstehenden Sanierung raus aus der Wohnung ihrer Kindheit, doch nichts passierte und die Jahre vergingen.

Bis die Frau im Jahr 2013 von der "Goldgrund"-Gruppe hörte, die schon in spektakulären Aktionen auf Luxussanierungen aufmerksam gemacht hatte. Sie informierte die Aktivisten um den Kulturmanager Till Hofmann, SZ-Redakteur Alex Rühle und den Münchner Filmemacher Grisi Ganzer, die kurzerhand mit Freunden und Künstlern eine Stadtrundfahrt zu gentrifizierten Gebäuden und schließlich zu dem seit Jahren fast leer stehenden Haus im Lehel organisierten.

Erst jetzt kam Bewegung in die Angelegenheit. Der politische Streit wurde erbittert geführt, schließlich standen im Herbst 2014 die Kommunalwahlen an. "Das hat uns im Wahlkampf weh getan", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zwei Jahre nach der Goldgrund-Aktion. Ihn habe es aber dazu gebracht, beim Thema Leerstand "genauer hinzusehen". Die Sanierung des Hauses an der Pilotystraße war zu dem Zeitpunkt endlich im Gange, auch wenn diese mit veranschlagten 3,2 Millionen Euro um 1,1 Millionen Euro deutlich teurer werden sollte als erwartet. Auch die letzte Mieterin, die alles zum Rollen gebracht hatte, musste für die dringend notwendige Generalsanierung zwischenzeitlich umziehen.

Nun lebt sie wieder dort, wo sie bereits ihre Kindheit verbracht hat. Sie ist zwar die einzige reguläre Bewohnerin des Vordergebäudes und lebt im Parterre des alten Hauses. Aber sie ist nicht mehr allein, sondern umgeben von jungen Frauen und deren kleinen Kindern. Sie sei so etwas wie die gute Seele in dem Haus, sozusagen "die Haus-Oma".

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