Pilotversuch:Vertauschte Rollen

In 80 Modellschulen durften die Jugendlichen erstmals die Referendare bewerten

Von Melanie Staudinger

Schüler empfinden es oft als unfair, dass Lehrer zwar sie, sie aber nicht umgekehrt die Lehrer benoten und bewerten dürften. Wer erinnert sich nicht an einen Wirtschaftsunterricht mit völlig veralteten Mehrwertsteuersätzen, den Erdkunde-Lehrer, der die Entstehung der Vulkane mit einer ziemlich ungelenken Verschränkung seiner Arme erklärt hat, oder an die Mathe-Lehrerin, die beleidigt war, weil man den Sinn von Betragsstrichen unter der Wurzel hinterfragt hat. Ein paar bayerischen Schülern ist es seit Herbst erlaubt, ihren Lehrern Bewertungen zu verpassen - wenn auch nur im übertragenen Sinn.

Nein, eine Benotung für Lehrkräfte durch die Schüler sei das nicht, erklärt eine Sprecherin des Kultusministeriums. Es handle sich beim Projekt "Schüler-Feedback" um ein "systematisches Einholen konstruktiver Rückmeldung". Zwei Mal lassen sich Referendare, also Lehrer in der praktischen Ausbildung, von ihren Schülern schriftlich beurteilen. Dieses Feedback werten sie anschließend aus und entscheiden dann, mit welcher regulären Lehrkraft sie die Ergebnisse besprechen. Eine Note bekommen die Referendare dafür nicht, und auch die Resultate verbleiben bei ihnen und werden nicht vom Kultusministerium eingesammelt.

Diese in die Lehrerausbildung integrierte Befragung ist neu. "Eine Feedback-Kultur gibt es bei uns aber schon länger", sagt Peter Heinz Rothmann, Direktor des Asam-Gymnasiums, einer der 80 am Pilotprojekt beteiligten Schulen. Im Lehrerzimmer gebe es diverse Fragebogen, die Lehrkräfte verwenden. Die Referendare haben ihre Schüler in diesem Schuljahr zum ersten Mal befragt. Und das kam gut an, wie Rothmann berichtet. Zweimal im Jahr soll das Feedback stattfinden, Referendare erkundigen sich bei den Schülern, wie ihnen der Unterricht gefällt und ob sie den Stoff verstanden haben. Gleiches passiert auch am Wittelsbacher-Gymnasium, Albert-Einstein-Gymnasium, Maria-Theresia-Gymnasium und Theresiengymnasium

"Auch den Referendaren hat es im Großen und Ganzen gefallen", berichtet Rothmann. Das Feedback der Schüler helfe bei der Selbstreflexion und gute Bewertungen motivierten zusätzlich. Dennoch sei die Angst vorhanden, dass schlechte Noten den Arbeitsalltag erschweren. "Wenn bisher Kritik von den Schülern kam, hing die meist nicht mit der Person des Lehrers, sondern mit einem gewissen Desinteresse am unterrichteten Fach zusammen", sagt der Direktor. Das insgesamt positive Fazit deckt sich aber mit den Erfahrungen des Kultusministeriums. Die Rückmeldungen der Modellschulen zum neuen Verfahren seien durchgehend positiv, sagt eine Sprecherin.

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