Pflegetipps:Das Leder streicheln

Pflegetipps: Grundlagen der Pflege vermittelt das Schuhglanzseminar.

Grundlagen der Pflege vermittelt das Schuhglanzseminar.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Schuhglanzseminar von Ed Meier stoßen vor allem Männer in die Champions League des Putzens und Polierens vor

Von Franziska Gerlach

Fußball? Kino? An manchen Wochenenden ist es auch schön, einfach nur die Füße vor dem Fernseher hochzulegen. Stattdessen tunkt Winfried Kraft gerade ein gelbes Tuch in eine Dose, tupft etwas schwarzes Wachs auf die Spitze eines handgemachten Herrenschuhs, um es anschließend kreisend einzumassieren, zwischendrin tröpfelt er immer wieder Wasser aufs Leder. Kraft gehört zu den Männern, die in ihrer Freizeit Schuhe putzen. Nicht nur freiwillig, sondern auch gerne und unter professioneller Anleitung: beim Schuhglanzseminar von Ed Meier, ehemals Königlich Bayerischer Hoflieferant.

Was Kursleiter Patrick Zwoelfer und Benedict Himpsl, der ihm assistiert, den Teilnehmern am Samstagabend über mehr als drei Stunden hinweg vermitteln, hat mit schnödem Bürsten und Schrubben nichts zu tun, eher mit den Tricks und Kniffen ausgemachter Schuhpflegeexperten. Zwoelfer macht etwa vor, wie man mit dem Schienbeinknochen eines Hirsches Kratzer aus Pferdeleder poliert und welche Farbeffekte sich mit Schuhcremes unterschiedlicher Nuancen erzielen lassen. Er zeigt, dass man Wildleder am besten im Wasserbad von Salzkrusten befreit und wie man das Poliertuch fachgemäß um Zeige- und Mittelfinger wickelt. "Da muss Spannung drauf sein", sagt er. Der Stoff dürfe möglichst keine Falte werfen. Seit September 2007 hält Zwoelfer, der eigentlich IT-Berater ist, die Kurse regelmäßig nach dem Konzept von Peter Eduard Meier ab. Als Chef des Münchner Traditionshauses für Schuhe und Bekleidung begrüßt dieser die Seminargäste in seinem Haus an der Brienner Straße persönlich - und spricht sich, für einen Händler etwas ungewöhnlich, für die lange Erhaltung des Produktes aus: "Es ist kein Schuh ein edlerer Schuh als einer, der schon erste Risse und Kratzer hat, aber sensationell poliert ist."

Wie man Glattleder so glänzen lässt wie Lack, das wollen an diesem Abend 19 Männer lernen. Bevor es an "die Champions League beim Schuhe putzen" geht, wie Zwoefler es nennt - die sogenannte Wasserglanzpolitur - gibt es etwas Theorie. Erste Erkenntnis des Unkundigen: Wer es gut meint mit seinen Schuhen, der gönnt ihnen nach jedem Tag, an dem er sie trägt, eine zweitägige Erholungspause zum Trocknen. Immerhin, so Zwoelfer, gebe die menschliche Fußsohle täglich 60 Milliliter Flüssigkeit ab. Eine zweite: Bevor man erstmals in neue Schuhe schlüpft, müssen sie geputzt werden - denn nur so lasse sich Schutz aufbauen. Kinderleicht? Als die Männer später selbst ran müssen, bringt ein Mittdreißiger seinen Schuh partout nicht zum Glänzen. "Nicht so fest, weniger Druck", sagt Zwoelfer, der seinen Schülern über die Schulter schaut. Das Leder müsse gestreichelt werden wie eine Frau. Das sorgt bei der Männerrunde, die den Kurs gemeinsam besucht, kurzzeitig für Erheiterung. Die meisten aber scheinen die unaufgeregte Atmosphäre zu genießen, die entsteht, wenn man den Lappen im Rhythmus mit dem Tischnachbarn übers Leder kreisen lässt. Einmal an nichts anderes zu denken als den nächsten Handgriff, das hat fast schon etwas Meditatives. Schuhe putzen, das Yoga der Männer? Winfried Kraft jedenfalls findet Entspannung in der Tätigkeit, die andere als notwendiges Übel erachten, an manchen Wochenenden nimmt er sich acht Paar Schuhe vor. "Das relaxed mich", sagt er. München-Tourist Philippe Kerger gefällt noch ein anderer Aspekt, als sich seine Finger schließlich an die gleichförmigen Bewegungen gewöhnt haben. "Man sieht ein Resultat."

Viele genehmigen sich zur Schuhpflege auch ein Glas Rotwein oder stecken sich eine Zigarre an, zelebrieren die Prozedur regelrecht, erzählt Benedict Himpsl, während Zwoefler am anderen Ende des Raumes in die Grundlagen des Schuhhandwerks einführt. Mancher Seminarteilnehmer bringt bereits einiges an Wissen mit über Herstellung und Historie, andere wussten bislang nicht, wie ein Schuh aufgebaut ist. Fragen kommen so ganz unterschiedliche auf, als sich die Männer zum Praxisteil an einem großen Tisch eingefunden haben. Ob man die Hochglanzpolitur auf dem kompletten Schuh anwenden solle, will etwa einer wissen. Diese sei nur an der Spitze und den Fersen zu empfehlen, sagt Zwoelfer. In den Gehfalten reichten ein bis zwei Schichten. Die aber müssen schon sein. Sonst sei der Kontrast zu stark.

Dass nur Männer am Seminar teilnehmen, ist im Übrigen eher die Ausnahme. "80 zu 20", sagt Zwoelfer, sei das übliche Verhältnis von Männern zu Frauen. Als ein Damenkränzchen den Kurs zu einem 70. Geburtstag bucht, passt er das Programm an die Pflege von Damenschuhen und Handtaschen an. "Die Hälfte der Frauen hatte aber die Schuhe ihrer Männer zum Putzen dabei."

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