Petuelpark:Idylle über der Abgashölle

Der Petuelpark bietet, was die Anwohner des Richard-Strauss-Tunnels noch erhoffen: Erholung und grüne Landschaften.

Christina Warta, Fotos: Robert Haas

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Petuelpark, München

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Der Petuelpark bietet, was die Anwohner des Richard-Strauss-Tunnels noch erhoffen: Erholung und grüne Landschaften.

Der mit Silberfarbe gestrichene Kasten aus grobem Holz steht etwas versteckt in einem Viereck aus Buchenhecken. Fast wäre man vorbeiflaniert, doch da ist ein leises Rauschen, das einem bekannt vorkommt und das doch nicht hierher passt. Man tritt heran, geht einmal um das Ding herum, findet zwei Gucklöcher - und dann sieht man sie: die Autos, die Laster, wie sie durch den Petueltunnel brausen.

Fotos: Robert Haas

Texte: Christina Warta

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Der Tunnel liegt unter den Füßen, darüber breitet sich seit nunmehr fünf Jahren der Petuelpark aus. Im Norden der Stadt, zwischen Schwabing und Milbertshofen, ist längst grüne Realität, worauf die Menschen rund um Effnerplatz und Richard-Strauss-Straße nach der Eröffnung des Tunnels noch eine Zeitlang warten müssen: Aus einer überlasteten, Ruß, Gestank und Lärm produzierenden Verkehrsschneise ist eine stille, bewachsene Idylle geworden.

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Im Grunde begann die Geschichte des 900 Meter langen und nur 60 Meter breiten Petuelparks vor 13 Jahren. 1996 fand der Bürgerentscheid zur Untertunnelung des Mittleren Rings statt: Etwas mehr als die Hälfte der Münchner, 50,6 Prozent, sprachen sich für die drei Tunnels am Petuelring, der Richard-Strauss-Straße und unter dem Luise-Kiesselbach-Platz aus. Dass nur 32 Prozent der Wahlberechtigten an dem Entscheid teilnahmen, änderte nichts am Ergebnis. Die Stadt begann mit der Planung der teuren Untertunnelung am Petuelring.

90.000 Autos rollten damals tagein, tagaus über diesen Straßenabschnitt, verpesteten die Luft, stauten sich an Ampeln. Die Straße war eine kaum überwindbare Grenze zwischen den benachbarten Stadtvierteln Schwabing und Milbertshofen. Für viele Eltern in der Gegend schien es undenkbar, ihre Kinder morgens allein zur Schule zu schicken - aus Angst vor dem Verkehr, der unweit auf dem Ring toste.

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Das ist nun anders. Ein Bach gluckert leise vor sich hin, eine Schwanenfamilie mit drei Jungen paddelt gegen den Strom. Der Nymphenburg-Biederstein-Kanal rann einst in einer grauen Betonrinne dahin, nun plätschert das natürlich gestaltete Flüsschen durch den Süden des Parks, gesäumt von Schilf und Sumpfschwertlilien. Radler rollen auf den gekiesten Wegen, Mütter schieben Kinderwägen auf und ab, Jugendlichen liegen in der Wiese.

Der Petuelpark ist zum Bindeglied zwischen Nord und Süd geworden, zur Erholungsoase für die Anwohner, zum Freizeitareal für die Schüler des angrenzenden Lion-Feuchtwanger-Gymnasiums. Ein Schmuckstück mit Vorzeigecharakter.

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"Der Ring war schlimm, die Baustelle war der Horror", sagt eine Frau, die im mittleren der drei großen Wohnblocks lebt. "Jetzt ist es einfach schön hier, die Lebensqualität ist völlig anders." Reinhard Mairhofer, der in der Bäckerei nebenan einen Kaffee trinkt, hatte früher sogar zwei Wohnungen - eine am Petuelring, in der er wegen des Autolärms aber nicht wohnen wollte, und eine in Moosach.

Heute ist es anders: "Wir hören nicht mal mehr den Alarm bei Unfällen." Die Wohnung in Moosach hat er verkauft, jetzt lebt er direkt am Petuelpark. "Viele wollen wieder her", erzählt er von seinen Bekannten, die irgendwann entnervt von der Verkehrsachse weggezogen sind. "Es sind jetzt auch viele Familien mit Kindern hergekommen", sagt er.

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Kein Wunder: Die Anlage ist für Kinder und Jugendliche ideal. Auf der Nordseite des langgestreckten Areals haben die Landschaftsarchitekten Stefanie Jühling und Otto Bertram mehrere Spielplätze, einen Bolz- und einen Streetballplatz sowie eine Skateanlage aneinandergereiht. Lärm spielt dort keine allzu große Rolle, denn die Plätze grenzen an das Sportgelände des TSV Milbertshofen.

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Auch die Schüler des Lion-Feuchtwanger-Gymnasiums nutzen den Park in der Mittagspause. "Wir hatten früher nur einen Ausgang nach Norden", sagt Joachim Hocke, der stellvertretende Schulleiter. Jetzt gibt es auch im Süden, zum Park hin, einen Zugang.

Die Luft sei früher katastrophal gewesen, sagt Hocke, "da waren alle Grenzwerte überschritten, wir konnten kaum ein Fenster aufmachen". Jetzt fällt das Atmen leichter, und am Bach bekommen die Schüler nun Biologieunterricht live: Da werden Pflanzen und Tiere bestimmt oder die Wasserqualität gemessen. "Die Generation, die jetzt unsere Schule besucht, die kennt es quasi gar nicht mehr anders", sagt Hocke.

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Auch in der Stiftung Pfennigparade, die mehr als 1000 körperbehinderte Menschen betreut, hat man sich längst an die komfortable Gartenanlage direkt vor der Haustür gewöhnt. "Das ist richtig schön geworden", sagt Thomas Weber von der PR-Abteilung. "Gerade in den Abendstunden sieht man viele Rollstuhlfahrer im Park." Der ist barrierefrei, alle Bereiche sind für Rollstuhlfahrer zugänglich. "Das hat das Lebensgefühl der Leute hier verändert", sagt Weber, "das hat ja auch etwas mit Wertschätzung zu tun."

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Unten an den Böschungen sitzen schon vormittags die ersten Menschen in der Sonne, aalen sich auf den Holzliegen oder plaudern zwischen Sonnenbraut und Lilien. Wasser plätschert aus Düsen oder strömt still dekorative Kanäle entlang.

Die Atmosphäre ist unaufgeregt und entspannt, und natürlich erregen auch die Kunstobjekte, die der Münchner Künstler Stephan Huber auswählte und die überall verteilt sind, niemanden mehr. Allenfalls die vergessenen Stiefel von Roman Signer auf der Kiesinsel, aus denen Wasser wie aus einem Geysir herausschießt, sorgen bei Kindern für Begeisterung. Das Reiterstandbild von Pia Stadtbäumer, die Rednerpulte von Harald Klingelhöller, das Lichtkonzept von Dietmar Tanderl - sie gehören zum Park wie Bänke und Bäume.

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Nur mit dem Maueranstrich des Tunnelkörpers, der bis zu drei Meter hoch aus dem Erdreich ragt, ist irgendwas passiert. Die kräftigrote Farbe wird langsam von oben nach unten gewaschen. "Wir sagen Berliner Mauer dazu", erklärt Zuljfo Durmisi, der gegenüber eine Bäckerei betreibt, amüsiert.

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Ob sich die hohen Ausgaben für den Tunnelbau und den Park am Ende gelohnt haben? Rund um den Petuelpark hört man von den Menschen auf diese Frage nur eine Antwort: Natürlich. 204 Millionen Euro hat die Untertunnelung gekostet. Und 10,9 Millionen, sagte Baureferentin Rosemarie Hingerl bei der Eröffnung 2004, habe die Stadt in den Park investiert.

Die Sorge, nun würden auch die Mieten rund um das schöne Areal sprunghaft ansteigen, hat sich zumindest bei den laufenden Mietverhältnissen noch nicht bewahrheitet. Das Wohnungsamt hatte die Gegend um den Petuelring für den Mietspiegel früher als "normal" eingestuft und tut dies auch heute noch. "Die Mieten sind schon gestiegen", sagt Anwohner Mairhofer, "aber sie sind im Rahmen geblieben." Doch Tobias Vollmar vom Mieterverein ahnt: "Bei Neuvermietungen könnte es sein, dass sich die Miete eher sprunghaft entwickelt."

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Doch es gibt etwas, das die Menschen im Petuelpark offenbar noch stärker umtreibt als die Mieten: die Hunde. Sie werden Gassi geführt und hinterlassen dabei immer wieder ihre Häufchen. Eine Plage sei das, sagt eine Anwohnerin, und dass man sich in der Liegewiese ganz genau umschauen müsse, bevor man sich niederlasse.

"Wenn er Geld braucht, der Herr Oberbürgermeister, dann muss er nur die Hundehalter hier kontrollieren", echauffiert sich Reinhard Mairhofer. Doch zu sehr will er sich nicht aufregen. Ist doch viel zu angenehm hier draußen, zwischen all dem Grün. Er richtet den Blick nach Osten, denkt kurz über den Effnerplatz nach und sagt dann: "Unser Park hier ist der schönste. Ich frag mich nur, warum man in dem Bach nicht fischen darf."

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