Petition gegen Ladenschluss:Geschäfte im Dunkeln

Petition gegen Ladenschluss: Illustration: Dennis Schmidt

Illustration: Dennis Schmidt

Mehr als 11.000 Menschen haben die Internet-Petition für flexible Ladenöffnungszeiten in München inzwischen unterschrieben - an der bestehenden Gesetzeslage wird sich allerdings so schnell wohl nichts ändern. Doch es gibt schon heute Ausnahmen.

Von Thomas Anlauf

Für Staatsregierung, Gewerkschaften und Kirchen ist und bleibt der Feierabend heilig - zumindest, wenn es um die Verkäufer im Einzelhandel geht. Sie können spätestens um 20 Uhr den Laden zusperren, Sonntagsarbeit ist für Verkäufer nur in wenigen Ausnahmen erlaubt. Wer in Bayern hingegen abends länger arbeiten muss als bis 20 Uhr, hat es nicht leicht. Will er nicht noch vor Dienstbeginn seine Einkäufe erledigen, steht er nach Feierabend vor einem leeren Kühlschrank. Die Online-Petition eines Münchners, die derzeit täglich Hunderte neue Unterschriften erhält, zeigt aber, dass die strenge bayerische Regelung offenbar für viele Menschen überholt ist.

Im Freistaat gilt die Bundesregelung aus dem Jahr 2003, wonach Geschäfte montags bis samstags von 6 bis 20 Uhr geöffnet haben dürfen. Andere Bundesländer haben längst viel liberalere eigene Ladenöffnungsgesetze erlassen. In acht Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) gibt es an Werktagen überhaupt keinen Ladenschluss mehr, die Geschäfte dürfen rund um die Uhr öffnen. Aber auch in München gibt es trotz der strengen Regeln ein paar Möglichkeiten, nachts noch etwas einzukaufen. Man muss nur wissen, wo.

Die Tankstelle

Längst leben viele Tankstellenbetreiber vor allem vom Verkauf von Lebensmitteln, das Tanken wird insbesondere in der Stadt zur Nebensache. Denn das Ladenschluss- und Feiertagsgesetz in seiner Fassung vom 1. Juni 2003 trifft auf Tankstellen nicht zu: Sie können generell rund um die Uhr geöffnet haben. Zwar dürfen die Betreiber nach 20 Uhr nur noch Treibstoff, Kfz-Ersatzteile und Reisebedarf verkaufen. Doch der Begriff Reisebedarf ist ziemlich weit gefasst: Darunter fallen neben Büchern, Filmen, CDs, Reiseandenken und Spielzeug auch "Lebens- und Genussmittel in kleineren Mengen". Was kleinere Mengen auch sein können, sieht man, wenn man am späten Samstagabend in der Tankstelle an der Kapuzinerstraße in München oder an der einsam liegenden Station an der Bundesstraße 471 bei Inning am Ammersee vorbeischaut.

Der Bahnhof

Reisebedarf fast jeder Art gibt es natürlich auch im Münchner Hauptbahnhof. Dort ist das Angebot aber deutlich vielfältiger als an der Tankstelle. Der sogenannte Convenience-Store am Nordeingang des Bahnhofs hat rund um die Uhr geöffnet und bietet das Sortiment eines kleinen Supermarkts. Auch frisches Obst ist im Angebot. Wer später am Abend noch Lust auf Sylt-Gefühle hat, kann sich immerhin bis 23.30 Uhr mit Krabben, Scampi oder Austern eindecken. Wer es etwas deftiger mag, kauft nebenan am 24-Stunden-Stand Sandwiches, Würstl, Leberkäse oder Braten. Im Gegensatz zum "Esspunkt" vor dem Hauptbahnhof hat der Rubenbauer-Stand im Inneren allerdings lediglich von sechs Uhr bis Mitternacht geöffnet. Auch fürs Wohlbefinden gibt es im Zwischengeschoss des Hauptbahnhofs noch ein Geschäft: Die Filiale einer Drogeriekette hat montags bis samstags bis 22 Uhr, sonntags immerhin bis 21 Uhr geöffnet.

Flughafen und Späti

Der Flughafen

Wer im Münchner Süden wohnt, wird wohl kaum auf die Idee kommen, nach Ladenschluss kurz beim Flughafen im Erdinger Moos einkaufen zu gehen. Doch für Freisinger etwa oder auch Fluggäste, die spät am Abend in München landen, ist das durchaus eine Option: Auf Ebene 3 des Airport Centers befindet sich eine Lebensmittelmarktfiliale, die täglich von 5.30 Uhr bis Mitternacht geöffnet hat. Auch Flugbegleiter kaufen dort gerne nach Dienstschluss ein. Ebenfalls im Airport Center befindet sich eine Drogerie mit 500 Quadratmetern Ladenfläche, die täglich immerhin von 7 bis 22 Uhr geöffnet hat.

Der Spätkauf

In Berlin wird er liebevoll "Späti" genannt, der kleine Laden oder Kiosk an der Ecke, der auch nachts noch für Hungrige oder Durstige geöffnet hat. Dieses Geschäftsmodell setzt sich in München erst allmählich durch. Vor drei Wochen hat direkt an der Münchner Freiheit ein Kiosk eröffnet, der täglich 23 Stunden lang Getränke, Tabak und Kleinigkeiten zu essen anbietet. Der grüne Würfel von Alexander Vesely und Matthias Kehr ist jedoch keine Trinkhalle wie im Ruhrpott oder ein Würstelstand nach Wiener Art.

Hier gibt es zum Beispiel selbst gemachte Empanadas und Ciabatta mit Käse. Das Bier ist zwar zum Mitnehmen gedacht, hat aber mit 2,40 Euro pro Flasche fast Kneipenpreise. Günstiger ist da der Kiosk an der Reichenbachbrücke, der seit Jahren täglich von 6 bis 5 Uhr nicht nur Bier, Eis, Wurstsemmeln und Zeitungen verkauft. Mittlerweile haben die Geschäftsführer Harald Guzahn und Markus Thierer mehr als 2200 Produkte im Angebot. Seit dem Frühjahr gibt es auch einen "Späti" an der Baaderstraße: den "Szenedrinks", der freitags und samstags bis 3 Uhr nachts offen hat. Möglich sind die Geschäfte mit den Nachtschwärmern dank der Regelung einer "erlaubnisfreien Gastronomie". Bier, Bonbons, Zigaretten und Softdrinks dürfen auch nach 20 Uhr verkauft, aber nicht im Laden konsumiert werden.

Der Unscheinbare

Neben den wenigen Spätis der Stadt gibt es noch eine Form des abendlichen Einkaufs, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Vor allem im Münchner Bahnhofsviertel finden sich immer mehr kleine Läden, die neben Telefonkarten und Internetmöglichkeiten auch kühle Getränke, Zigaretten und Knabberzeug anbieten. Wer dort im Internet surft, kann sein Getränk gleich im Laden trinken, ansonsten gilt das Gleiche wie bei der "erlaubnisfreien Gaststätte": einkaufen bis spät am Abend. Manche Betreiber dieser kleinen Läden haben sich sogar spezialisiert: In der Gollierstraße gibt es einen äthiopischen Imbiss, in dem es nach exotischen Gewürzen duftet. Auch dort können Späteinkäufer noch nach 20 Uhr Getränke besorgen.

Ladenschluss

Geregelte Ladenschlusszeiten gibt es in Deutschland erst seit dem Jahr 1900. "Von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein", hieß es in einem Gesetz zur Abänderung der Gewerbeordnung. Im Jahr 1919 wurde die Sonntagsruhe eingeführt. Das bundesdeutsche Ladenschlussgesetz trat am 1. Januar 1957 in Kraft: Geschäfte durften seither montags bis freitags von 7 bis 18.30 Uhr und samstags bis 14 Uhr geöffnet sein, ein halbes Jahr später kam einmal im Monat der "lange Samstag" hinzu, an dem bis 18 Uhr eingekauft werden konnte. Im Jahr 1989 wurde zusätzlich der "lange Donnerstag" eingeführt. Die Geschäfte durften dann bundesweit bis 20.30 Uhr offen haben. Erst seit 18 Jahren gilt die Regelung, dass wochentags vor 6 Uhr und nach 20 Uhr die Läden zu sind und die Verkäufer Feierabend haben. 2003 kam die Samstagregelung dazu, wonach auch an diesem Tag die Geschäfte bis 20 Uhr öffnen durften. Erst seit acht Jahren ist der Ladenschluss Ländersache. Seither haben alle Bundesländer bis auf Bayern eigene Gesetze erlassen, in den meisten Ländern gelten seither unbegrenzte Öffnungszeiten zumindest an Werktagen. anl

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