Perspektive:Der Traum vom Boulevard

Im Siedlungsgebiet Freimann, brutal von der Autobahn durchschnitten, ist schon einiges repariert worden. Der Harnierplatz aber ist immer noch trist, obwohl es längst Verschönerungspläne gibt

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Dem Männchen mit der Lederhose wird übel mitgespielt: Es japst nach Luft, weil ihm die Autobahn bleischwer auf der Brust lastet; die rechte Hand wird von der Allianz-Arena, die linke von der Frauenkirche niedergedrückt; die Verkehrsbelastung fesselt das linke, die Lokhalle das rechte Bein. Die Zeichnung soll eine Allegorie für den Stadtteil Freimann sein, der sich von den Verhältnissen bedrückt, ja misshandelt fühlt.

Abgedruckt wurde das Bild im November 2003 im Abschlussbericht des Workshops "Wie geht's weiter am Harnierplatz und - mit der Perspektive Freimann?" Am Grundgefühl hat sich seitdem kaum etwas verändert - doch ungebrochen sind Zuversicht und Bestreben der Lokalpolitiker, dieses von der Autobahn so brutal zerschnittene, von der Stadtplanung vernachlässigte und vom Verkehr gebeutelte Siedlungsgebiet lebenswerter zu gestalten. Die SPD-Fraktion hat nun die alten Workshop-Unterlagen herausgeholt, welche die Stadt nie in die Tat umgesetzt hat - und will im Bezirksausschuss darüber abstimmen lassen, dass das Neugestaltungsprojekt für den Harnierplatz westlich des U-Bahn-Halts Freimann wiederbelebt wird. "Er ist das fehlende Glied in der Kette", sagt Werner Lederer-Piloty (SPD), BA-Vorsitzender und Autor des Antrags.

München: Blick Richtung Westen, Edmund-Rumpler-Straße.  Harnierplatz, Freimann, Umgestaltung des Platzes. Bilder zur aktuellen Diskussion: angedachte Flaniermeile.

Das Blech soll weg: der zugeparkte Harnierplatz.

(Foto: Stefanie Preuin)

Die "Perspektive Freimann" von 1999 gilt als mustergültig für einen kollektiv erarbeiteten Stadtteil-Masterplan. Die Schwabinger und Freimanner Politiker trieben Sponsorengeld auf, gründeten eine Projektgesellschaft, trommelten Politiker, Wissenschaftler, Bürger, Firmen- und Behördenvertreter zusammen, die einen Maßnahmenkatalog entwickelten. Ein wichtiger Baustein dabei: Die Aufwertung des Harnierplatzes, wofür 2003 ein gesonderter Workshop ablief. Ergebnis: Der Platz soll Teil eines attraktiven Ost-West-Boulevards sein, der von Alt-Freimann im Osten durch die Autobahn-Unterführung bis zum Bahn-Ausbesserungswerk mit der Lokhalle reicht - und so die zerrissenen Viertel anmutig verbindet. Nun kommt mit dem Erlebnis-Ensemble "Motorworld" bald Leben in die lange leer stehende Lokhalle; die Heinrich-Groh-Straße und der St.-Nikolaus-Platz im Ostteil sowie die Unterführung wurden aufgewertet - doch der Westausgang mit dem Harnierplatz ist noch immer trist und öde.

Perspektive: Auf einer Allegorie für Freimann ist der Harnierplatz unterm Hals eingezeichnet.

Auf einer Allegorie für Freimann ist der Harnierplatz unterm Hals eingezeichnet.

(Foto: oh)

Der Quartiersplatz ist in weiten Teilen eine Art kostenloser Park-And-Ride-Parkplatz für Pendler, die mit der U-Bahn gen Innenstadt weiterfahren. Die Fußgängerwege sind ungünstig angelegt, werden kaum genutzt - insgesamt also ein unattraktiver Ort, obwohl dies eine viel genutzte Passage von und zum Wohngebiet und den Veranstaltungshallen an der Lilienthalallee ist. "Jämmerlich und bedrückend" nennt Lederer-Piloty die Anmutung des Platzes. Er will nun per Antrag erreichen, dass die Stadt die Fläche kauft und mit dem angrenzenden Kreuzungsbereich des Frankplatzes neu gestaltet.

Ein Konzept existiert bereits: Das Workshop-Ergebnis von 2003 sieht vor, Parkplätze aufzulösen, Wegeverbindungen anzupassen, Raum zum Verweilen zu schaffen. "Ein ordentlich gestalteter Harnierplatz wäre ein ähnlich großer Gewinn wie die Aufwertung auf der Ostseite", sagt Alexander Klotz (CSU), Sprecher des Freimanner Regionalausschusses, eines BA-Untergremiums. Einen Kauf der Fläche sieht er aber skeptisch, da die Eigentumsverhältnisse erst geklärt werden müssten. Leder-Piloty ist zuversichtlicher. Nach seiner Kenntnis gehört die ganze Fläche der DB Netz AG. "Da kein Baurecht vorhanden ist, dürfte die Stadt den Platz für einen symbolischen Betrag erwerben können."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: