Perlach:Niemand rührt am Biotop

Kiesgrube in München, 2016

Am Rande der Stadt, wo die Häuser fast gar nicht mehr zu sehen sind, kann man besonders angenehm spazieren gehen. Die ehemalige Kiesgrube Roth bietet sich für Perlacher und Truderinger besonders an.

(Foto: Robert Haas)

Die ehemalige Kiesgrube Roth liegt in einem wichtigen Trinkwasserschutzgebiet. Dennoch will die Stadt das Gelände nicht ankaufen. Die privaten Eigentümer tragen also weiter die Kosten für Pflege und Sicherung

Von Hubert Grundner, Perlach

Nur einen Katzensprung von den letzten Hochhäusern Neuperlachs entfernt beginnt der Perlacher beziehungsweise Truderinger Wald. Es ist genau diese Nähe zu den Wohngebieten, welche die Gegend zu einem beliebten Ziel für Jogger, Radfahrer und Spaziergänger gemacht hat. Insbesondere die dort gelegene ehemalige Kiesgrube Roth, die sich mittlerweile in ein wertvolles Biotop verwandelt hat, zieht die Menschen an. So kam es nicht von ungefähr, dass vergangenen Januar zuerst der Bund Naturschutz zusammen mit dem Verein "Waldperlach, aktiv, pragmatisch, engagiert" (Wape) und etwas später die Bayernpartei von der Stadt forderten, das Biotop als Naherholungsgebiet zu erhalten. Diesem Ansinnen hat das Kommunalreferat jetzt eine Absage erteilt.

Auslöser der ganzen Diskussion war wohl eine Art Versuchsballon, den die Eigentümer schon vor Jahren steigen ließen. Sie fürchteten, wie sie wissen ließen, dass Umweltsünder den See und damit das Grundwasser verunreinigen könnten. Wegen des hohen Haftungsrisikos möchten sie das Areal daher abgeben oder den Baggersee mit Kies auffüllen. Sprich, wenn die Kommune das Biotop erhalten wolle, könne sie das Areal gerne kaufen. Was offenbar die Bayernpartei als Aufforderung verstand, genau dies von der Stadt zu fordern.

Tatsächlich ergeben sich, wie das Kommunalreferat in seiner Antwort jetzt einräumte, durch den zunehmenden Freizeitdruck auf das Gelände, insbesondere im östlichen Grubenteil mit der offenen Wasserfläche, Konflikte mit dem Trinkwasserschutz: Das Grundstück liegt in der weiteren Schutzzone des Wasserschutzgebietes Trudering/Putzbrunn. Entsprechend der Grundwasserfließrichtung von Süd nach Nord ströme das dort offengelegte Wasser den Versorgungsbrunnen zu. Das Förderwerk Trudering trägt auf diese Weise mit einem Prozent zur jährlichen Trinkwasserversorgung Münchens bei. Mindestens ebenso bedeutsam ist laut Kommunalreferat aber: "Für eine schnelle Grundversorgung der östlichen Stadtteile mit Trinkwasser in Extremsituationen - Trockenheit, Versorgungsprobleme anderer Förderwerke - ist das Förderwerk Trudering unentbehrlich, da es direkt in die Versorgungsleitungen einspeisen kann. Außerdem ist es das einzige Förderwerk im Stadtgebiet, das München mit Trinkwasser versorgt."

Jedenfalls wollten laut Behörde die Grundstückseigentümer das Haftungsrisiko einer Trinkwasserverunreinigung nicht länger tragen. Deshalb hätten sie seit 2013 das Ziel verfolgt, den Baggersee zu verfüllen und entsprechende Anträge gestellt. Ein Haftungsrisiko bestünde wohl tatsächlich, wenn der Verursacher einer Umweltverschmutzung auf dem Gelände beziehungsweise des dortigen Grundwassersees gegebenenfalls nicht ermittelt werden kann. Eine rechtlich fundierte Bewertung, wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, liege jedoch nicht vor, so das Kommunalreferat. "In den mehr als 30 Jahren, seit das Grundwasser hier frei liegt, ergaben sich keine relevanten Ereignisse, die ein hohes Gefährdungsrisiko für die Trinkwasserversorgung erwarten lassen."

Für die ursprünglich beantragte Verfüllung des offenen Teilgeländes müsste die Regierung von Oberbayern eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilen. Und gleichzeitig müsste ein Ersatzhabitat geschaffen werden. Die Eigentümer haben nach Angaben des Kommunalreferats den Antrag auf Verfüllung inzwischen zurückgezogen.

Aus Sicht der Stadt besteht letztlich kein Anlass, den Eigentümern das geschilderte Haftungsrisiko sowie die Kosten für Pflege und Verkehrssicherung des Biotops abzunehmen. Außerdem liefe man bei einem Kauf Gefahr, einen Präzedenzfall zu schaffen. Schließlich gebe es zahlreiche Biotopflächen, die nicht im Eigentum der Stadt sind und durch Private gepflegt werden müssen. Ebenso verbiete es sich aus Gründen des Natur- beziehungsweise des Trinkwasserschutzes, das Areal zu einem Naherholungsgebiet auszubauen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: