Perlach:Katastrophen als Normalfall

Perlach: Im Ernstfall hören mehr als 100 Helfer des Technischen Hilfswerks auf sein Kommando: Ernst Meister, der Ortsbeauftragte im Ortsverband München-Ost.

Im Ernstfall hören mehr als 100 Helfer des Technischen Hilfswerks auf sein Kommando: Ernst Meister, der Ortsbeauftragte im Ortsverband München-Ost.

(Foto: Robert Haas)

Wenn es brenzlig wird, rücken die Mitglieder des Technischen Hilfswerks (THW) als Retter an - nun feiert der Ortsverband München-Ost sein 40-jähriges Bestehen

Interview von Hubert Grundner, Perlach

Für die Mitglieder des Technischen Hilfswerks (THW) gibt es heuer gleich drei gute Gründe zum Feiern: Der Ortsverband München-Ost begeht sein 40-jähriges Bestehen, seit 20 Jahren hat er sein Domizil in Perlach an der Unterbiberger Straße, und außerdem existiert seine Jugendgruppe mittlerweile seit 20 Jahren. Das alles gilt es, an diesem Freitag, 15. April, bei einem Festakt einschließlich Fahrzeugweihe zusammen mit geladenen Gästen im Kulturzentrum am Hanns-Seidel-Platz zu würdigen. Die Struktur, Aufgaben und Einsätze dieser doch ganz besonderen Organisation erläutert der Ortsbeauftragte des THW München-Ost, Ernst Meister, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

SZ: Herr Meister, wo und wann sind Sie zum THW gekommen?

Ernst Meister: Das war kurz vor meiner Volljährigkeit, 1986. Der Dienst in der Bundeswehr stand bevor. Andererseits waren Familienangehörige von mir bereits beim THW dabei - da fiel mir die Wahl natürlich leicht. Ich fing dann hier in München Ost an, also am alten Standort am Schreberweg.

Mussten Sie dafür bestimmte berufliche Qualifikationen mitbringen?

Nein. Ich war zwar in der Lehre als Gas- und Wasser-Installateur. Eine handwerkliche Ausbildung ist aber nicht Voraussetzung, um beim THW mitzumachen, auch wenn sie natürlich hilfreich ist. Unter unseren etwa 100 Aktiven findet man alle möglichen Berufe. Zurzeit zählen wir 137 Helfer, davon sind 16 Frauen.

Zum 1. Juli 2011 ist die Wehrpflicht ausgesetzt worden. Bis dahin konnte der Wehrdienst durch eine mehrjährige Verpflichtung beim THW ersetzt werden. Gab es dadurch Nachwuchsprobleme?

Ja, das war ein spürbarer Einschnitt, dieser automatische Zuwachs war damit erst einmal weg. Wir mussten uns deshalb neue Strategien überlegen, um Ehrenamtliche zu gewinnen - und vor allem Jugendliche für das THW zu interessieren. Glücklicherweise ist uns das gelungen. Momentan zählt unsere Jugendgruppe 29 Mitglieder, darunter neun Mädchen. Unser Jüngster ist neun Jahre alt. Aus der Jugendgruppe sind auch viele unserer heutigen Helfer hervorgegangen. Das sieht so aus, dass die Jugendlichen im Laufe ihres 17. Lebensjahres unsere Grundausbildung absolvieren und nach erfolgreicher Prüfung auf die technischen Züge verteilt werden.

Wie sieht der Dienst bei Ihnen aus?

Mittwochs ist der Verwaltungsabend, freitags ist Jugenddienst und samstags finden primär Ausbildungen statt. Ansonsten sind wir ja alle berufstätig. Bei uns absolviert ein aktiver Helfer im Schnitt circa 340 Stunden im Jahr. Insgesamt wurden im Ortsverband München-Ost im Jahr 2015 circa 42 000 Stunden geleistet.

Welcher Einsatz ist Ihnen noch besonders in Erinnerung?

Das war am 27. August 2012, beim Bombenfund in Schwabing. Unsere Helfer hatten die Bombe mit Sandsäcken und Strohballen umbaut. Nach der Sprengung kam es ja zu einigen Bränden. Dabei ging auch unser eigener Kompressor in Flammen auf, der vor einem entfernten Laden stand. Dieser ist leider von der Rückseite aus zur Straße hin ausgebrannt. Trotz der Kritik, die es danach gab, bin ich überzeugt, dass die Experten damals das Richtige getan haben. Ansonsten kann ich mich zum Beispiel noch gut an die Hochwasser im Juni 2013 in Kolbermoor, Straubing und Erding erinnern, wo wir Schutzwälle gebaut haben.

Was sind auf der anderen Seite typische Routine-Einsätze des THW?

Das sind meist sogenannte Ladungsbergungen. Sprich, wenn ein Lkw etwa bei einem Unfall seine Ladung verloren hat und jetzt die Straße geräumt oder der Transporter selbst mit schwerem Gerät geborgen werden muss. Im Grunde aber gibt es keine Routine-Einsätze. Es ist meist so, dass uns von Fall zu Fall ein anderes Überraschungspaket erwartet. So wie zum Beispiel am Nikolaustag 2012, da haben wir auf der Salzburger Autobahn kurz vor Hofolding Weihnachtspost geborgen, die nach Österreich gehen sollte.

Das THW soll nicht nur technische, sondern auch humanitäre Hilfe leisten. Wie sieht die aus, was wird da im Einzelnen getan?

Momentan sind wir bei der Unterbringung von Flüchtlingen engagiert. Zum Beispiel haben wir zuletzt in Hallen auf dem Messegelände 1300 Betten als Notunterkünfte aufgebaut. Ab und an helfen wir aber auch im Ausland. Zum Beispiel waren wir im Jahr 2014 bei den Überschwemmungen in Bosnien-Herzegowina im Einsatz.

Ihre Organisation nennt sich mit vollem Namen Bundesanstalt Technisches Hilfswerk und ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Was bedeutet das konkret?

Zunächst einmal hat die Bundesanstalt ihren Hauptsitz in Bonn, ihre Finanzierung erfolgt primär durch den Bund. Weltweit einmalig ist die Konstruktion des THW aber aus einem anderen Grund: Es ist ja die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes und wird dennoch fast vollständig von Ehrenamtlichen getragen. Von den derzeit bundesweit rund 80 000 Helfern arbeiten nur circa ein Prozent als Hauptamtliche.

Wie wird jetzt das Jubiläum gefeiert?

Am Freitag gibt es zunächst einen internen Festakt mit geladenen Gästen. Wir wollen aber auch mit den Perlachern feiern und veranstalten deshalb hier am Standort am 2. Juli einen Tag der offenen Tür. Am Programm feilen wir noch.

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