Perlach:Aus fürs Boardinghaus

Bürogebäud im Gewerbegebiet Perlach-Süd mit der Anschrift: Hofer Straße 21-25. Der Komplex soll zu einem Boardinghaus umgebaut werden.

Nun doch wieder ein Büro-Objekt: Der Komplex an der Hofer Straße 21 bis 25 war bis vor kurzem noch als riesiges Boardinghaus geplant.

(Foto: Florian Peljak)

Investor lässt Pläne fallen, in Perlach 1100 Schlafplätze zu errichten. Die Lokalpolitiker fordern nun ein Gesamtkonzept für die Viertel beiderseits der Bahngleise und eine Lösung der Verkehrsprobleme

Von Hubert Grundner, Perlach

Die aus Sicht von Perlacher Anwohnern und Lokalpolitikern größte Gefahr scheint fürs Erste abgewendet: Der Investor hat die Pläne für ein Boardinghaus an der Hofer Straße 21-25, das Schlafplätze für rund 1100 Arbeiter bieten sollte, fallengelassen. Das berichtete der Vorsitzende des Unterauschusses Bau, Wolfgang Thalmeir (CSU), in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach. Stattdessen solle nun wieder über eine Büronutzung nachgedacht werden.

Die schiere Größe des Projekts ließ die Betroffenen regelrecht erschrecken, als es vergangenes Jahr bekannt wurde. Was allem die Krone aufgesetzt hätte, wäre die Nachbarschaft zu den Bordellen und Nachtclubs im Gewerbegebiet Perlach-Süd gewesen. Das ganze Umfeld, fürchteten die Kritiker, drohe dadurch im Sumpf eines beständig expandierenden Rotlichtmilieus zu versinken. Von der ursprünglichen Absicht, dort attraktive, moderne Unternehmen anzusiedeln, hätte man sich womöglich verabschieden müssen.

Tatsächlich waren es aber weniger diese Überlegungen, die zum Aus des Boardinghauses geführt haben: Laut Stadtbaurätin Elisabeth Merk war das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass Personen die Einrichtung für längere Aufenthalte nutzen würden. "Damit würde wohnähnliche Nutzung stattfinden, die in einem Gewerbegebiet unzulässig ist", hieß es in Merks Antwort auf eine Anfrage der CSU-Stadträte Beatrix Burkhardt und Hans Podiuk schon im März. Der Einwand der Stadtteilpolitiker, dass allein schon die ungenügende Verkehrserschließung ein Boardinghaus an der Stelle verbiete, kam hingegen nicht zum Tragen. Im Gegenteil: Mit Verweis auf Verkehrszählungen in den Jahren 2011 bis 2013 urteilte die Verwaltung, dass das örtliche Straßennetz leistungsfähig genug sei, um den erwartbaren zusätzlichen Autoverkehr aufzunehmen. Komplett anderer Meinung sind dagegen die Lokalpolitiker in Ramersdorf-Perlach: Die Auskunft des Planungsreferats sei sachlich falsch und für das Gremium nicht akzeptabel. "Die Antwort wirkt für die Anwohner der Weidener Straße in Anbetracht der seit Jahren bestehenden Verkehrsbelastung geradezu zynisch", moniert das Gremium. Die zuständigen Behörden der Stadt kümmerten sich, sei es aus Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, sei es aus Ignoranz, um die Probleme der Anwohner eigentlich gar nicht. Und auch die mehrfach geforderten Lösungen und Vorschläge des BA ignorierten sie.

Zwar belegten die angeführten Zahlen unter Umständen, dass die Schwellenwerte der Verkehrsbelastung für ein Gewerbegebiet nicht erreicht seien. Die Weidener Straße sei aber faktisch ein reines Wohn- und kein Gewerbegebiet. "Hier wohnen und schlafen Menschen. Hier befinden sich weder Büros noch sonstige gewerbliche Betriebe, sondern überwiegend Wohnungen", argumentieren die Lokalpolitiker. Die Bewohner der Weidener Straße hätten einfach nur das Pech, dass nach jahrelangen städtebaulichen Versäumnissen ihre Straße als einzige Verbindung zu einem an sich abgehängten Gewerbegebiet verblieben sei. Das aber war weder so vorgesehen noch wäre dies planungsrechtlich genehmigungsfähig gewesen.

Zusätzlich werde die Situation in naher Zukunft durch das Strukturkonzept Hachinger Tal verschärft werden, befürchten die Lokalpolitiker. So sollen fast 1000 neue Wohnungen im Bereich der südlichen Unterhachinger Straße gebaut werden, und auch weitere Gewerbebetriebe seien dort im Entstehen.

Das Aus für das Boardinghaus würden die Lokalpolitiker deshalb gerne für eine Art Neuanfang nutzen. Dazu gehört eine Idee, die beim jüngsten Jahrestreffen im Planungsreferat vorgetragen wurde. Demnach sollte, sofern sie denn kommt, eine Bauleitplanung im Bereich nördlich der Bahngleise auch den Bereich südlich davon miteinbeziehen. Beide Gebiete wären als planungsrechtliche Einheit zu betrachten. Außerdem fordert der Bezirksausschuss das Planungsreferat auf, eine aktuelle Analyse der Verkehrsströme durch die Weidener Straße zu veranlassen, damit die Ursache des Verkehrs und mögliche Schleichweg-Verbindungsstrecken erkannt werden könnten.

Im nächsten Schritt solle das Referat raumübergreifende Planungen zur Lösung der Verkehrsprobleme in Auftrag geben. Einzubeziehen seien dabei die geplanten Überbrückungen beziehungsweise Untertunnelungen der Bahnübergänge an der Unterhachinger sowie der Fasangartenstraße und die aktuellen Planungen des Strukturkonzepts Hachinger Tal. Schließlich wurde das Planungsreferat erneut aufgefordert, die "Münchner Lösung" zu realisieren: Darunter ist der Bau einer Verbindungsstrecke zwischen Unterhachinger und Unterbiberger Straße zur Erschließung des Gewerbegebiets Perlach-Süd zu verstehen.

Außer dem Ende der Boardinghaus-Pläne dürfen die Lokalpolitiker respektive die Stadt München inzwischen noch einen weiteren Erfolg verbuchen, und zwar im Kampf gegen das Rotlicht-Milieu. Zwar hatte das Verwaltungsgericht bereits im Sommer 2016 einer Eigentümergemeinschaft untersagt, den Bordellbetrieb an der Hofer Straße 19 und 19 b auszubauen. Vorgesehen war eine Erweiterung um fast 50 Zimmer. Allerdings wollten die Eigner das Urteil in nächster Instanz anfechten und in Berufung gehen. Nach Auskunft von Pressesprecherin Claudia Frieser hat aber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof inzwischen mit zwei Beschlüssen vom 28. Dezember 2017 die Anträge der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Gegen diese Entscheidungen gibt es kein Rechtsmittel, die Urteile des Verwaltungsgerichts sind damit rechtskräftig.

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