Penzberger Imam:"Ich bin doch kein trojanisches Pferd"

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Der Penzberger Imam - ein verkappter Islamist? Das Verwaltungsgericht wirft Benjamin Idriz Islamismus vor. Dieser ist geschockt.

M. Maier-Albang und M. Drobinski

Am Mittwochvormittag saß Benjamin Idriz, der Imam von Penzberg, gerade an den letzten Zeilen eines Artikels; er handelt davon, wie Muslime der Gefahr des Islamismus begegnen sollen. Da kam der Anruf seines Anwalts Hildebrecht Braun. Es war ein lange erwarteter Anruf.

Imam Benjamin Idriz erklärte sich mit Anwalt Hildebrecht Braun und Bayram Yerli in dem Lokal Hundskugel den Journalisten. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Am 9. Mai 2009, fast ein Jahr ist das nun her, hatte Braun beim Bayerischen Verwaltungsgericht in München ein "Eilverfahren" angestrengt; es sollte erwirken, dass die islamische Gemeinde Penzberg aus dem bayerischen Verfassungsschutzbericht 2008 gestrichen wird.

Endlich war der Beschluss da. "Wir waren überzeugt, dass es in unserem Sinne ausfällt, wir hatten die Hoffnung in unserer Seele", sagt Idriz jetzt. Die Hoffnung aber blieb unerfüllt. Viel schlimmer: Idriz steht nun als einer da, der zwar offiziell für einen weltoffenen und toleranten Islam eintritt, in Wahrheit aber der türkischen "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) und den Muslimbrüdern nahe steht, die der Verfassungsschutz für verfassungsfeindlich hält.

Man kann es auch so sagen: Das Gericht geht davon aus, dass Idriz die Öffentlichkeit belügt. Und zu Recht im Verfassungsschutzbericht steht.

Wenn der Richterspruch Bestand hat, ist es vernichtend für den jungen Imam aus Mazedonien, den viele - bis weit in die CSU hinein - für einen Hoffnungsträger halten.

Für einen, der demokratische Gesinnung und Frömmigkeit verbindet, der für einen aufgeklärten, europäischen Islam steht: Noch am Mittwochabend saß Idriz als hoch geehrter Gast in der evangelischen Akademie Tutzing in der ersten Reihe, als dort Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für die Einrichtung der Islamkonferenz den Toleranzpreis der Akademie erhielt.

Entsprechend getroffen reagiert Idriz am Tag nach der Entscheidung. Er hat die Journalisten in Münchens älteste Gaststätte geladen, die Hundskugel. Er spricht von einem "politischen Urteil", ist so verletzt, dass sein Anwalt ihn bremsen muss.

Mehr als 600 Anlagen und Dokumente habe man dem Gericht übergeben, mehr als 75 Seiten Stellungnahmen erarbeitet. Doch das Gericht habe diese Argumente "fast völlig ignoriert", klagt er. Stattdessen habe es teilweise wörtlich die Äußerungen des Verfassungsschutzes übernommen. Das Gericht, sagt Idriz, "verliert damit seine Neutralität".

Anwalt Braun wirft dem Verfassungsschutz vor, die Gemeinde mit einem "unfriendly fire" zu beschießen. "Die wissen seit 16 Jahren, dass die in Penzberg sich gegen Gewalt und gegen Intoleranz einsetzen. Innenminister Joachim Herrmann müsste ihnen eigentlich täglich Blumen schicken."

Die Vorwürfe sind so schwerwiegend wie schwer zu beurteilen. Idriz und auch der Moscheevorstand Bayram Yerli sollen in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zu Milli Görüs und zu Ibrahim El Zayat, dem Chef der Islamischen Gemeinde Deutschlands (IGD) stehen.

Der eloquente Makler El Zayat gilt als wichtige Persönlichkeit in der islamistischen Szene, seit einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen ihn, ohne dass bislang etwas dabei herausgekommen wäre.

Der Verfassungsschutz führt an, dass Yerli bis 2005 IGMG-Mitglied gewesen sei, er verweist auf ein Plakat, das kurz in der Penzberger Moschee hing und für einen Koranrezitationswettbewerb der IGMG warb, er nennt acht abgehörte Telefonate, in denen unter anderem El Zayat gedroht habe, Idriz "drei bis vier Geldquellen" zu schließen.

"Idioten" und "Schwachkopf"

Die Penzberger halten diese Vorwürfe für konstruiert. Man habe nie mit Milli Görüs zusammengearbeitet, nie von El Zayat Geld erhalten und sich ausdrücklich von allen extremistischen Gruppen distanziert.

Das Plakat sei unerlaubt aufgehängt worden - und die Telefonate belegten kein Abhängigkeitsverhältnis, sondern vielmehr eine Konkurrenz zwischen Idriz und El Zayat: Dass Idriz mit dem IGD-Chef streite, verschwiegen die im Urteil wiedergegebenen Passagen. El Zayat beschimpft den Penzberger sogar als "Idioten" und "Schwachkopf". Reden so Brüder im Geiste übereinander?

Anwalt Braun strebt nun eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren an, um zu beweisen, dass die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2008 rechtswidrig war, und zu erwirken, dass die Penzberger aus dem Verfassungsschutzbericht 2009 verschwinden. Notfalls will Braun bis vor das Verfassungsgericht gehen, weil er hier das Recht auf Religionsfreiheit eingeschränkt sieht.

So lange Idriz die Vorwürfe nicht entkräften kann, haftet an ihm der Makel - sein Projekt, in München ein Zentrum für die Ausbildung von Imamen zu bauen, dürfte erst einmal stocken. "Ich bin ein optimistischer Mensch", sagt Idriz tapfer. In den kommenden Tagen wolle er den Fraktionen im Rathaus schreiben, Gespräche führen.

"Ich bin kein trojanisches Pferd", sagt er.

© SZ vom 07.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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