Paula Bosch:Psychologin im Sternerestaurant

Paula Bosch war die erste deutsche Sommelière. Schon seit 17 Jahren berät sie die Gäste des Sternerestaurants Tantris in Sachen Wein.

Beate Wild

Wieviele Weine sie schon probiert hat, kann Paula Bosch beim besten Willen nicht sagen. "Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft und probiere täglich etwa 50 Weine, das kann man ja ungefähr hochrechnen", sagt sie und lacht. Tut man das, dann kommt man auf über 300.000 Weine. Viele davon waren edle Tröpfchen. Ein absoluter Traumjob, den Frau Bosch da hat, denkt man. Die Dame ist Sommelière im Münchner Sternerestaurant Tantris, schon seit 17 Jahren.

Paula Bosch: Paula Bosch an ihrem Arbeitsplatz, dem Sternerestaurant Tantris.

Paula Bosch an ihrem Arbeitsplatz, dem Sternerestaurant Tantris.

(Foto: Foto: Beate Wild)

Ihren Wunschberuf musste sich Paula Bosch allerdings hart erarbeiten. "Eigentlich wollte ich Kindergärtnerin werden, hab mich dann aber für die Gastronomie entschieden", erzählt die heute 52-Jährige. Nach ihrer Lehre zur Hotelfachfrau in Heidelberg merkte die junge Frau, dass sie alles über Weine wissen wollte. Doch in den 70er Jahren gab es weder eine Ausbildung zum Sommelier, noch waren Frauen als Weinkellner erwünscht. Der Weg dorthin, wo sie jetzt ist, war nicht immer einfach.

Durchsetzen in einer Männerdomäne

Besonders geprägt hat Paula Bosch ihre Zeit in Königstein im Taunus. Dort arbeitete sie nach ihrer Lehre als Serviererin. Der Seniorchef dort hat ihre Liebe zum Wein erkannt und gefördert. "Er hat mir sehr viel über Wein beigebracht", sagt sie dankbar. Dass Frauen damals keineswegs überall gerne gesehen waren, erfuhr Paula Bosch bei einem Vorstellungsgespräch in einem großen Frankfurter Hotel, in dem sie sich als Gehilfin des Chef-Sommeliers bewarb.

"Fräulein, Sie können mir morgens den Kaffee bringen, den Wein möchte ich aber von einem Mann empfohlen bekommen", sagte der Chef zu ihr. Doch andere Männer glaubten an sie, und so fing sie dann auch als Sommeliere in der Bergischen Stube im Hotel Interconti in Köln an, bevor sie anschließend im Victorian in Düsseldorf sieben Jahre als Chef-Sommelière Geschichte schrieb. Dann kam das Angebot vom Tantris, 1991 war das. Paula Bosch kam nach München und machte das Tantris an der Seite von Sternekoch Hans Haas zum hochgeschätzten Tempel für Gourmets und Weinliebhaber.

Paula Bosch, gekleidet in einem schicken Hosenanzug, wirkt gelassen und gar nicht gestresst, obwohl sie bereits seit dem Vormittag im Tantris eingespannt ist. Tagsüber muss sie mit Kunden die Weinauswahl für Feiern besprechen, Nachschub ordern, Vorbereitungen für Veranstaltungen und für den Abend treffen. Bei rund 50.000 Weinflaschen im Tantris-Keller kann man sich in etwa vorstellen, was es alles zu tun gibt, um den Überblick zu behalten. "In den letzten Jahren bin ich etwas ruhiger geworden ", sagt sie. Sie versuche, nicht mehr von morgens früh bis spät in der Nacht im Restaurant zu sein. Inzwischen wird sie auch von zwei Assistentinnen unterstützt, das lässt ihr mehr Freiräume, auch für Weinproben und Weinreisen.

Welchen Lieblingswein hat jemand, der sich so gut mit Wein auskennt? Paula Bosch winkt ab. "Für jemanden wie mich gibt es nicht den einen Lieblingswein, aber am liebsten trinke ich bei Rotweinen immer noch einen guten Bordeaux." Für eine Flasche eines sehr ordentlichen Bordeaux bezahlte man noch vor wenigen Jahren "nur" 30 bis 40 Euro, heute hätten sich die Preise verdoppelt. Sicher, das sei nicht gerade günstig im Vergleich zu Weinen aus den "neuen" Weinländern wie Argentinien, Chile oder Südafrika. Aber ein guter Bordeaux bleibe halt immer noch etwas Besonderes.

Lesen Sie auf Seite 2, warum deutscher Riesling zur Zeit sehr gefragt ist.

Psychologin im Sternerestaurant

Um neue Weine zu entdecken geht Paula Bosch viel auf Reisen. In diesem Jahr war sie etwa schon vier Wochen in Südamerika und drei Wochen in Südafrika. "Ich schaffe drei bis vier Weingüter am Tag", sagt sie. Hört sich nach Stress an. Ja, aber nur so könne man eine Vielzahl von Weinen probieren und mit einer guten Ausbeute zurückkommen.

"Deutscher Riesling ist zur Zeit sehr gefragt"

Und dann sagt Paula Bosch etwas, was den Wein-Laien zunächst erstaunen mag: "Deutscher Riesling ist zur Zeit sehr gefragt." Der deutsche Weißwein sei schon lange besser als sein Ruf. Auf dem internationalen Markt hätte er gute Chancen, weil er sehr günstig sei. "Im Grunde ist deutscher Wein unterbezahlt", analysiert die Expertin. Viele Weinberge in Spitzenlagen sind hierzulande extrem steil, weshalb die Ernte schwierig und teuer ist. Das werde bisher vom Konsumenten nicht bezahlt, für eine Flasche Riesling könne man nur in Ausnahmefällen 40 Euro verlangen.

Paula Bosch sagt dem deutschen Wein eine rosige Zukunft voraus. "Die internationale Presse schreibt lobend über die gute Qualität, von nun an geht es weiter aufwärts", sagt sie. Auch wenn die obersten Preislagen mit besten deutschen Erzeugnissen selten erreicht werden könnten.

Im Tantris kostet der teuerste Wein mehr als 4000 Euro pro Flasche. "Das wollen sich nicht viele Menschen leisten. Großen Anklang finden diese teuren Weine momentan vor allem bei Osteuropäern und Asiaten ", sagt die Sommelière. Trotzdem könne man im Restaurant Tantris auch schon Flaschen ab 35 Euro bestellen. "Die Gäste bestellen zuerst ihr Essen und dann komme ich mit der Weinkarte an den Tisch", erklärt Bosch.

Zuerst fragt sie nach den Präferenzen ihrer Kunden, zeigt ihnen dann Weine in verschiedenen Preisklassen auf der Karte und lässt die Gäste die Wahl treffen. "Ich habe nie einem Gast auch nur einen Euro mehr aus der Tasche gezogen, als er bereit war auszugeben -aber auch keinen weniger", beteuert sie.

Das Interessante an ihrem Beruf sei, dass sie mit den unterschiedlichsten Sorten von Menschen zu tun habe. "Da kommen Promis, Geschäftsleute, aber auch Liebespaare, die ihren Jahrestag feiern und sich mal etwas ganz Besonderes leisten wollen." Die Empfehlung eines Weins sei immer auch ein bisschen Psychologie. "Sie müssen einen Menschen einschätzen können: Will er viel Geld für einen Wein mit großem Namen ausgeben oder sucht er einfach eine gute Flasche aus weniger bekannten Regionen ? Was für Ansprüche hat er, was ist er für ein Typ?"

Wie sieht es mit den Todsünden beim Wein aus? Zu welchen Gerichten darf man welchen Wein auf keinen Fall kombinieren? "Ach wissen Sie", lacht Paula Bosch, "so streng sind die Regeln gar nicht mehr. Einen leichten, tanninarmen Rotwein wie z.B. Pinot Noir, kann man auch durchaus zu Fisch trinken." Nur ein schwerer Rotwein, wie etwa ein Barolo, tauge ausschließlich zu dunklem Fleisch.

Wie sieht es eigentlich mit den neumodischen Plastikkorken bei Weinen aus? Werden diese langsam den guten, alten Kork ersetzen? Die Weinkennerin schüttelt energisch den Kopf, bevor sie antwortet: "Für mich ist nur Kork akzeptabel, weil bislang nur Kork aus bester Qualität eine Weinflasche luftdicht verschließt und es dazu bisher noch keine akzetable Alternative gibt. Für mich sind Silikon-Stopfen das allerschlimmste, sie können sogar Allergien auslösen." Für guten Wein käme nur echter Kork in Frage, auch wenn man das Risiko eingehen müsse, dass die Flasche korkt. "Das betrifft aber maximal fünf Prozent aller Flaschen", sagt sie.

Wie lange sie den Job im Tantris noch machen will, weiß Paula Bosch noch nicht. "Aber ich möchte schon, dass noch was anderes kommt", bleibt sie im Vagen. Derzeit schreibt sie auch an ihrem neuen Weinbuch. Bücher hat sie schon einige geschrieben, auch viele Artikel für Zeitschriften und Zeitungen. Und auch wenn Paula Bosch sagt, dass sie in letzter Zeit etwas kürzer tritt, ist sie trotzdem weiterhin auf ihrer Mission, "den Menschen sehr guten Wein näher zu bringen".

(sueddeutsche.de)

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