Was in der Welt, dir nicht gefällt, mußt du dir gelassen gefallen lassen
Die Worte stammen aus der Feder eines Münchners, der einst als Dichterfürst gefeiert wurde. 1910 ernannte ihn die Stadt zum Ehrenbürger, im selben Jahr verlieh ihm Prinzregent Luitpold den persönlichen Adelstitel und die Schwedische Akademie ihm den Nobelpreis für Literatur. Damals gab es bereits das Bauwerk, das bis heute nach dem Schriftsteller und Dramatiker benannt ist und das der 1914 verstorbene Dichter vermutlich verächtlich als Schlund bezeichnet hätte: die Paul-Heyse-Unterführung.
Sprung ins Jahr 2001: Vier junge Künstler stehen fast neun Jahrzehnte nach Paul Heyses Tod inmitten der Röhre unter dem Gleisgewirr des Hauptbahnhofs, sie tragen Atemschutzmasken zu schwarzen Anzügen und deklamieren in den Verkehrslärm hinein Verse des Dichters. Auf einem Transparent der Gruppe, die sich "Sühne Münchens" nennt, steht "Leise! Paul Heyse". Die vier wollen mit der ungewöhnlichen Lesung an jenem 2. April 2001 an den fast vergessenen Schriftsteller erinnern und gegen den Lärm der Welt protestieren. Doch der Verkehr brüllt, Radfahrer rasen durch den 210 Meter langen Schlauch aus Stahl und Stein, Fußgänger hasten an den Künstlern vorbei, bloß raus aus der Röhre.