Pasing:Wachsende Wut

Im nördlichen Pasing wartet man seit Jahren vergeblich auf ein schlüssiges Konzept, das zugleich die neuen Wohngebiete erschließen und den Verkehr im Quartier beruhigen soll. Nun erhöhen die Stadtteilpolitiker den Druck

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Ideenwerkstätten können eine feine Sache sein. Bürger kommen zusammen, diskutieren, machen Vorschläge. In der berechtigten Hoffnung, dass ihre Anregungen aufgenommen werden von jenen, die zu derlei Veranstaltungen einladen. Ende Mai 2011 war der Gastgeber das städtische Planungsreferat, die Gäste Anwohner des Quartiers nördlich des Pasinger Bahnhofs. Wer damals dabei war, erinnert sich an einen kreativen Abend, der viele Ideen für die Umgestaltung des Bahnhofsbereichs und vor allem die Verkehrsberuhigung im Viertel hervorbrachte. Ein Gebiet, in dem in den kommenden Jahren ein enormer Zuzug zu erwarten ist. Selbst die Pessimisten unter den Anwesenden hätten sich nicht vorstellen können, dass nun im Herbst 2016 noch immer kein Konzept vorliegt. Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing will der Stadt noch einmal Dampf machen. Denn die betroffenen Anwohner der Villenkolonie I, sofern sie nicht resigniert haben, fordern Lösungen ein. Und das mit wachsender Wut.

Wenn das Pasinger Zentrum und die Nordumgehung geschafft sind, dann seid ihr dran - so in etwa hatten es Verantwortliche der Stadt den Menschen im nördlichen Pasing immer wieder zugesagt. Erst mit den Verschwinden der großen Baustellen werde es Klarheit geben über die wirklichen Verkehrsströme, lasse sich die Situation verlässlich "evaluieren". Seit etwa zwei Jahren ist nun das Mammutwerk südlich der Bahn weitgehend abgeschlossen. Doch wurden zwischenzeitlich schon wieder neue Projekte in Angriff genommen beziehungsweise stehen vor dem Start: Ein großes Wohnquartier entlang der Landsberger Straße Richtung Osten bis zum Pasinger Knie ist im Entstehen. An der Paul-Gerhardt-Allee ist das Gewerbe weitgehend verschwunden, dort finden große Erdbewegungen statt. Mehr als 5500 Menschen sollen dort in den kommenden Jahren zuziehen. An der Gottfried-Keller-Straße auf dem ehemaligen Areal der Chemiefabrik Weyl sind in den vergangenen Jahren schon einige hundert Apartments entstanden, weitere könnten folgen.

Pasing Nord Baugrund Weyl-Grundstück

Auf dem Weyl-Gelände nördlich des Pasinger Bahnhofs sind schon hunderte Apartments entstanden, weitere könnten folgen. Anwohner fordern Lösungen.

(Foto: privat)

Wie diese neuen Bewohner im nördlichen Pasing künftig zum Bahnhof gelangen sollen, wie sie überhaupt in und aus ihrem Quartier fahren werden, darüber gibt es unterschiedliche Prognosen, allerdings kein schlüssiges Konzept. Fest steht bislang nur, dass es für sie auf längere Sicht keine ordentliche Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr geben soll. Der geforderte eigene S-Bahn-Halt im Paul-Gerhardt-Karree ist im Moment nicht mehr als eine Chimäre, Shuttle-Busse sollen das Wohngebiet erschließen. Und von neuen Radwegen ist die Rede. Die Bewohner der Zubringer-Straßen zum Pasinger Bahnhof Nord, die zuletzt eine deutliche Zunahme des Verkehrs, vor allem des Schwerverkehrs beobachten mussten, vermissen klare Aussagen darüber, wie die schmalen Wohnstraßen, auf denen viele Schulkinder unterwegs sind, aber auch der sehr beengte Bahnhofsplatz den zu erwartenden Ansturm verkraften sollen. Die Idee von einem "Kammer-Konzept" macht bei den Anwohnern die Runde. Die Wohngebiete nördlich des Bahnhofs soll man nur noch von einer Seite her anfahren können.

Die Fraktionen von SPD und Grünen werden in ihren Anträgen an die Stadt nun konkret. So fordert die SPD in Bezug auf die Neugestaltung des nördlichen Bahnhofsbereichs ein Wettbewerbsverfahren, an dem mehrere Planer teilnehmen sollen. Und wieder: Bürgerbeteiligung. Die Sozialdemokraten wünschen sich eine Begegnungszone mit Tempo 20 für den Bereich Wensauerplatz ab Osel- bis einschließlich Carossastraße, sowie August-Exter-Straße südlich der Floßmannstraße, beziehungsweise Gottfried-Keller-Straße vom Bahnhofsplatz bis zur Carossastraße.

Pasing Nord Bahnhof Fahrradparker

Am Pasinger Bahnhof reichen die Radabstellplätze schon jetzt nicht mehr aus, dabei steht weiterer Zuzug bevor.

(Foto: privat)

Soll der Individualverkehr künftig noch bis zum Bahnhofsportal heranfahren? Die SPD will sich dazu nicht festlegen, in jedem Fall soll dies aber deutlich eingeschränkt werden. Künftig werden drei statt bislang zwei Buslinien die Bahnhofsnordseite anfahren. Die Haltestellen sollen nach Ansicht der SPD in Bahnhofsnähe sein, einen Wendehammer dort lehnt sie allerdings ab. Denn dann wäre der Platz zu knapp, um den Radweg der Achse Hauptbahnhof-Laim-Pasing an den Fahrradtunnel im Pasinger Bahnhof heranzuführen. Der Fraktion ist wichtig, das Wohngebiet Paul-Gerhardt-Allee direkt an diesen Radlweg anzubinden. Die Fahrradabstell-Situation am Bahnhofsportal Nord, die laut SPD derzeit schon "verheerend" ist, müsse auf die Zahl der künftigen Radler in den neuen Wohngebieten abgestimmt werden. Eine Entlastung vom Verkehr könnte dem gesamten Wohngebiet nördlich der Bahn, südlich des Würmkanals, westlich der Offenbachstraße und östlich der Pippinger Straße nach dem Konzept der SPD ein Durchfahrtsverbot für Lkw mit dem Zusatz "Anlieger frei" bringen. Nicht zuletzt müsse die Stadt das lange geforderte Verkehrskonzept vorantreiben.

Die Grünen fokussieren in ihrem Antrag die Brachfläche an der Gottfried-Keller-Straße unmittelbar östlich des Bahnhofsportals, auf der die MVG die Wendeschleife für die Busse geplant hat. Sie wünschen sich dort einen "urbanen Gottfried-Keller-Platz", der den grünen Wensauerplatz entlasten könnte. Der ist aktuell alles andere als ein Ort zum Verweilen.

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