Pasing:"Vollkommen unübersichtlich"

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Nach dem tödlichen Unfall an der Offenbachstraße fordern Anwohner Sicherungsmaßnahmen für die Baustellenausfahrt

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Lauter liebenswerte Nachbarn", heißt es im Online-Prospekt, mit dem die BPD Immobilienentwicklung GmbH ihr Projekt "Refugio" an der Pasinger Offenbachstraße bewirbt. Das ist wahrscheinlich sogar zutreffend, denn es lebt sich grundsätzlich recht gut auf der Nordseite des Pasinger Bahnhofs. Ein Idyll aber, wie die Refugio-Werbung verheißt, ist die Gegend nicht. Vor allem die wachsende Verkehrsbelastung und die Sorge um die Verkehrssicherheit treibt die Nachbarn um. In den Tagen vor Weihnachten, genauer am 22. Dezember, wurden jene bestätigt, die befürchten, dass der Stadtteil den ständigen Zuzug neuer motorisierter Bewohner nur schwer verkraften wird: An der Baustelleneinfahrt zu Refugio wurde eine 76 Jahre alte Fußgängerin von einem Laster überfahren und starb noch an der Unfallstelle. Die Nachbarn haben Kerzen für sie aufgestellt. Und sie erheben schwere Vorwürfe.

Die Kreismarkierungen, die das Unfallkommando auf der Kreuzung Offenbach-Nusselstraße vorgenommen hat, sind noch zu erkennen. Im Polizeibericht hieß es, ein 35 Jahre alter Lkw-Fahrer sei am 22. Dezember gegen 13.20 Uhr von der Baustelle aus nach links in die Offenbachstraße eingebogen. Der Baustellenverkehr ist an dieser Stelle mit einer Ampelanlage geregelt. Laut Polizei hatte der Fahrer Grünlicht, fuhr über den Gehsteig beziehungsweise Radweg, erfasste und überrollte mit seinem Laster die Fußgängerin. Für Anwohner Helmut Costa ist es keine "Verkettung unglücklicher Umstände", die zu dem Unfall geführt hat. Die Situation an der Ampel sei für Radfahrer und Fußgänger "vollkommen unübersichtlich", beklagt er. "Es gibt keine Haltelinie, und die Ampel ist gar nicht sichtbar, wenn ein Lkw davor steht. Die Lkw müssen aufgrund der schlecht geplanten Situation diagonal über die Kreuzung fahren", beobachtet Costa. Sowohl der Betreiber der Baustelle als auch das Kreisverwaltungsreferat hätten hier Vorsorge treffen müssen.

Baustellenzufahrt, Offenbachstraße. (Foto: privat)

Helmut Costa gehört zu jenen, die seit Jahren auf die Gefahrensituation entlang der Offenbachstraße hinweisen. Auf den Radwegen beidseits der Straße sind täglich an die 600 Schulkinder unterwegs. Der Elternbeirat des Pasinger Max-Planck-Gymnasiums hat eine Website entwickelt, auf der vor allem die unübersichtliche Situation einige hundert Meter nördlich von der aktuellen Unfallstelle, an der Anlieferzone der Pasing Arcaden, mit Fotos dokumentiert ist (www.ebmpg.com/tag/schulweg/). 2008 war es dort während der Bauphase am Einkaufszentrum ebenfalls zu einem tödlichen Unfall gekommen. Eine Radlerin war von einem Lkw übersehen worden, der aus der Baustelle fuhr.

Mit den Arcaden-Betreibern, der Polizei, dem Kreisverwaltungsreferat und Stadtteilvertretern hat es mittlerweile viele Gespräche gegeben, um die Gefahrensituation an der Einfahrt zu entschärfen. Laut Costa sei dies auch wiederholt mit den Betreibern der Refugio-Baustelle versucht worden. Er verweist auf E-Mails, persönliche Vorsprachen, auf Fotos, welche die verkehrsgefährdenden Zustände dort belegten. Costa berichtet auch davon, dass die Polizei in mehreren Fällen mit Verwarnungen eingeschritten sei, beziehungsweise den Baubetrieb wegen Verkehrsgefährdungen "bereits mehrmals" habe einstellen lassen. Dazu liegt allerdings noch keine Bestätigung vom Polizeipräsidium München vor.

Am 22. Dezember wurde eine Fußgängerin von einem ausfahrenden Laster überrollt und starb an ihren Verletzungen. (Foto: oh)

Im November und Dezember, erklärt Helmut Costa, habe man dann gedacht, es komme Bewegung in die Sache. Vertreter der BPD Immobilienentwicklung GmbH hätten ihm sowie Andreas Bergmann vom Bezirksausschuss und Maria Ecke-Bünger von der Interessengemeinschaft Offenbach-/Meyerbeerstraße zugesichert, "alles zu tun", um Gefährdungen künftig zu vermeiden. "Leider ist dies nicht geschehen. Jetzt ist es zu spät", sagt Helmut Costa. Bei der BPD war für eine Stellungnahme zum Pasinger Unfall und den Vorwürfen der Anwohner bis Redaktionsschluss niemand zu erreichen. Das Kreisverwaltungsreferat wird laut Sprecherin Kristin Nettelbrecher die Situation an der Baustelle dieser Tage in Augenschein nehmen und bewerten.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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