Pasing:Mehr als Tische und Stühle

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Nach Auftritten rechter Gruppierungen und der Verlegung der Bürgerversammlung wächst in Pasing der Druck, den Saal im Hotel-Gasthof "Zur Post" wieder zu dem zu machen, was er einmal war

Von Jutta Czeguhn und Andrea Schlaier, Pasing

Der Hotel-Gasthof "Zur Post" liegt direkt am Pasinger Marienplatz und damit nicht nur an zentraler Stelle im Viertel. Die Gaststätte ist seit mehr als hundert Jahren fester Treffpunkt für alle möglichen gesellschaftlichen Runden. Einmal im Jahr wurde dort etwa die Bürgerversammlung abgehalten, zumindest bis 2015 war dies der Fall. Heuer im März hatte die Stadt die Veranstaltung in die Aula des Bert-Brecht-Gymnasiums verlegt, um ein Zeichen gegen die Bewirtungspraxis von Post-Pächter Fritz Schön zu setzen, der seinen Saal in der Vergangenheit immer wieder an Gruppen aus dem rechten politischen Spektrum vermietet hatte - sehr zum Ärger seiner Brauerei, dem Anheuser-Busch-Konzern. Für die Stadt und den Bezirksausschuss (BA) Pasing-Obermenzing war das Maß voll, nachdem im vergangenen November Björn Höcke von der AfD Thüringen rechte Parolen im Postsaal verbreitete.

Im Herbst 2017 läuft Schöns Pachtvertrag aus. Die SPD im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing hat nun gefordert, nach dem Pächterwechsel "frühzeitig" Einfluss darauf zu nehmen, "dass der große Saal im Rückgebäude für Veranstaltungen bestehen bleibt"; dem Antrag hat sich das ganze Gremium angeschlossen. SPD-Stadträtin und BA-Mitglied Constanze Söllner-Schaar erinnerte in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses daran, "dass sich auch die Landeshauptstadt bei der letzten Sanierung des Saales finanziell beteiligt hat, mit der Auflage den Saal den Bürgerinnen und Bürgern für eine Bürgerversammlung zur Verfügung zu stellen".

Die komische Oper von Albert Lortzing "Zar und Zimmermann" im Jahr 1948. (Foto: Pasinger Archiv)

Der Gasthof "Zur Post" ist ein Ort mit einer langen, bewegten Geschichte, auf den die traditionsbewussten Pasinger nicht verzichten wollen. Bernhard Möllmann, Viertel-Chronist und Sammler historischer Postkarten, erinnert daran, dass die Tafernwirtschaft an der alten Salz- und Handelsstraße München-Landsberg für Jahrhunderte die einzige Gastwirtschaft in Pasing war: "Schon 1478 wurde sie urkundlich erwähnt. Sie stand ursprünglich auf der südlichen Straßenseite. Als sie 1842 abgebrannt war, wurde sie auf der gegenüberliegenden Seite, wo schon ein großer Biergarten war, neu errichtet." Im Jahr 1898 habe Löwenbräu die Restauration gekauft, und sie erhielt den Namen "Gasthof zur Post", obwohl damals die Postkutschen in Pasing nicht mehr hielten.

Im Jahr 1898 wurde an der Nordseite des Gasthofs jener Saalbau errichtet, der in den Folgejahrzehnten auf vielfältige Weise genutzt werden sollte. Dem enthusiasmierten Reporter des Würmtalboten, Pasings damaliger Tageszeitung, fehlen beinahe die Worte, als er 1906 von einem großen Turnfest im Postsaal berichtet. Angesichts famoser Darbietungen an Reck, Pferd, auf der Bodenmatte und Pantomimischem schreibt er: "So etwas kann nur gesehen, herzlich belacht und bestaunt werden." Wenige Jahrzehnte später gab es immer weniger zu lachen im Postsaal, doch für die Reporter des Würmtalboten weiterhin einiges zu dokumentieren. Zum Beispiel die geifernden Propaganda-Reden während der NS-Zeit, denn der Saal diente laut Bernhard Möllmann den brauen Machthabern sehr oft für Parteiveranstaltungen.

Eine Adresse, die Bedeutung im Viertel hat: der Post-Saal. (Foto: Stephan Rumpf)

Vom Würmtalboten zum Hamburger Wochenblatt Die Zeit, die ihren Reporter Hanns Braun 1946 ins zerstörte Nachkriegs-München entsandte und erstaunt feststellen ließ, dass sich im Vorort Pasing ein "Theatermetropölchen" zu entwickeln begonnen hätte - das Volkstheater hatte dort im Postsaal Unterschlupf gefunden. Der Schreiber preist das Glück, dass es da draußen am Stadtrand aus Vereinszeiten noch Säle mit Bühnenpodien gebe: "Die Dilettanten von einst haben den Berufsspielern von heute die Bretter unter die Füße gelegt." Allerdings hat der Zeit-Mann erhebliche Zweifel, dass das Pasinger Theaterwunder von langer Dauer sein werde.

Was der Zeit-Reporter dann wohl aus den Augen verlor, haben die Ortskundler des Pasinger Archivs für ihr Jahresheft 2013 in Wort und Bild akribisch recherchiert: die Gründung der "Volksoper Pasing GmbH" anno 1948 und ihre kurze, heftige Blüte. 400 Menschen fanden Platz im Post-Saal, saßen auf Stühlen vor einem veritablen Theatervorhang, brachten eigene Kohlen zum Heizen mit und lauschten einem 50-köpfigen Orchester. Gespielt und gesungen wurden komische Opern - Strauss, Kálmán oder Lortzing.

Doch blieben die Träume der Veranstalter von Pasing als "selbsttändiger Opernstadt" letztlich eine Episode, nach ein paar Jahren war Schluss. Der Postsaal wurde 1950 in ein Kino, die"Centrallichtspiele", umfunktioniert. Erst 1981 wurde aus ihm wieder ein Mehrzwecksaal.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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