Pasing:Irritation als Chance

Der Ältestenrat der Stadt will den Gobelin aus der NS-Zeit im Pasinger Rathaussaal hängen lassen. Jetzt kommt es darauf an, wie die geplante Hinweistafel gestaltet wird

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Wie geht man um mit Werken aus der NS-Zeit, die das Weltbild dieses Regimes illustrieren beziehungsweise von Künstlern stammen, die sich an die Nazis verkauft haben? Im Fall von Bruno Goldschmitt und seines Gobelins "Die Gründung Münchens unter Heinrich dem Löwen 1158", der seit 1952 im Sitzungssaal des Pasinger Rathauses hängt, gibt es unterschiedliche Haltungen, was damit geschehen soll. Freimut Scholz, ein pensionierter Kunsterzieher und Stadthistoriker, der den propagandistischen Gehalt des Wandteppichs und die Verstrickungen Goldschmitts in der NS-Zeit an die Öffentlichkeit brachte, möchte, dass der Gobelin abgehängt und eingelagert wird. Auch Blanka Wilchfort ist dieser Meinung. Von ihr stammt das Denkmal "Der leere Stuhl" am Osteingang des Rathauses, das an die ermordeten und vertriebenen Pasinger Juden erinnert. Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing und der Ältestenrat des Stadtrat als Gremium, das in solchen Fällen zu entscheiden hat, votierten für eine Hinweistafel, die neben dem Gobelin angebracht wird und seinen kunstgeschichtlichen wie zeitgeschichtlichen Kontext thematisiert.

Heinrich der Löwe auf dem Gobelin Gründung der Stadt München von Bruno Goldschmitt 1937

Heinrich der Löwe in martialischer Haltung.

(Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte)

Dieser Weg erscheint auch Marlies Poss der richtige. Die Bildhauerin hat zusammen mit ihrer Künstlerkollegin Wilchfort das Denkmal für die Pasinger Juden geschaffen. Poss erklärt zum umstrittenen Gobelin: "Eine Möglichkeit ist natürlich, das Ding abzunehmen und in ein passendes Museum zu hängen. Ich persönlich bin eher der Meinung, dass gerade in Pasing mit seiner Nazi-Vergangenheit der Gobelin in passender Form kommentiert und den Bürgern als Denk-Mal in Erinnerung bleiben sollte." Poss stellt sich allerdings nicht einen Textkommentar im üblichen Sinn vor, denn dieser würde von den Wenigsten gelesen. Sie plädiert für eine künstlerische Gestaltung, die dem Betrachter eine "zeitgemäße kritische Position deutlich vor Augen führt". Sie selbst hat vor Jahren in der Fachhochschule am Pasinger Stadtpark die dort im Treppenhaus angebrachte Ehrentafel gestaltet, die an die im Ersten Weltkrieg gefallen Studenten und Lehrer erinnert. Eine Acryltafel mit dem Schriftzug "herausgerissen" erinnert nun, wie diese Leben durch den Krieg zerstört wurden.

Brückenbau, Ausschnitt aus dem Gobelin von Bruno Goldschnitt "Grünung der Stadt München durch Heinrich den Löwen", 1938, hängt heute im Ratssaal des Pasinger Rathauses

Brücken-Balken, die an ein liegendes Hakenkreuz erinnern?

(Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte)

Einer, der sich dafür einsetzte, dass das Mahnmal für die Pasinger Juden am Rathaus seinen Platz gefunden hat, ist Stadtrat Marian Offman (CSU). Dass diese Erinnerungsskulptur nun auch künftig unweit eines Werks aus der NS-Zeit stehen soll, kommentiert Offman so: "Ich trage die Entscheidung des Ältestenrats mit. Allerdings mit einem gewissen Bauchgrimmen. Es finden sich auf den Gobelins keine konkreten Nazisymbole, aber natürlich irritieren die heroischen und völkischen Darstellungsformen." Diese Irritation erlebe er aber auch beim Anblick der vom Nazi-Architekten Paul Troost im Umfeld des Königsplatzes errichteten "Parteibauten" und insbesondere auch beim Haus der Kunst. "Wir müssen mit den Hinterlassenschaften der Nazizeit leben; so weit als möglich unsere Position dazu dokumentieren und deutliche Nazisymbole, wie dies gesetzlicher festgelegt ist, entfernen", erklärt Offman. Die Architektur des NS-Dokumentationszentrums sei ein gutes Beispiel dafür, was Nazi-Bauten entgegengestellt werden könne.

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