Pasing:"Ein heißer Ritt"

Aufgabe von Joachim Vossen und Lena Eberl ist es, das Städtebauförderprogramm "Aktive Zentren" in Pasing umzusetzen. Große Umbaumaßnahmen sind abgeschlossen, andere stehen noch aus

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Im Stadtteilladen parkt ein Dreirad im Retro-Stil, mit ihm wird regelmäßig Lesestoff zum Bücherschrank am nahen Rathausplatz transportiert. Die Größe des einstigen Optikerladens an der Gleichmannstraße ist überschaubar, und doch ist der Raum multifunktional. Hin und wieder dient er auch als kleine Galerie, an den Wänden hängt Kunst. Dominierend aber ist der lange Tisch in der Mitte, an dem Joachim Vossen und Lena Eberl Platz genommen haben - die beiden sind seit Sommer 2013 Pasings "Stadtteilmanager". Der Wirtschaftsgeograf und seine Kollegin haben den Job, das Städtebauförderprogramm "Aktive Zentren" in Pasing umzusetzen, das erhebliche Umbaumaßnahmen hinter sich und einige noch vor sich hat. Weshalb der Münchner Stadtrat beschloss, das Programm um vier Jahre zu verlängern. Stellt sich also die Frage, was bisher geschah und was in Zukunft ansteht.

Pasing: Das "Café Portofino" gehört zu den schöneren Ecken Pasings.

Das "Café Portofino" gehört zu den schöneren Ecken Pasings.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Das war schon ein heißer Ritt", sagt Vossen, als er auf die Startphase des Programms zu sprechen kommt, das von Bund, Freistaat und Landeshauptstadt quasi als flankierende Maßnahme für Ortszentren, die einem städtebaulichen und wirtschaftlichen Wandel unterworfen sind, gemeinsam finanziert wird. In Pasing setzte dieser Prozess, der "heiße Ritt", so richtig fühlbar um das Jahr 2009 ein. Als Vossens Vorgänger Christian Bitter 2010 als Stadtteilmanager begann, war Pasings Mitte schon Großbaustelle: Nordumgehung (Nup), Arcaden, Hofgärten, der Bahnhof. Es schien, als habe jemand den Knopf gedrückt, und der Motor des Wandels sprang an. Überall Bagger, Bauzäune und Lärm. Fortan jagte eine Info- und Diskussionsveranstaltung die nächste im Stadtteilladen - in der Pasinger Fabrik, im Rathaus oder im Info-Container, den die Stadt auf den Rathausplatz gestellt hatte. Den Pasingern und vor allem den alarmierten Einzelhändlern sollte nahegebracht werden, was um sie herum und mit ihnen geschah. Und dass alles vor allem ein Ziel hatte: die Aufwertung des Zentrums.

Pasing: Über den Pasinger Marienplatz ärgern sich viele.

Über den Pasinger Marienplatz ärgern sich viele.

(Foto: Stephan Rumpf)

Stadtteilmanager Bitter war in seiner Rolle Chefdiplomat, Feuerwehr, Klagemauer, nicht selten auch Watschenmann. Etwa wenn es um die wirren Umleitungen oder die komplett umgestaltete Verkehrsführung im Zentrum ging, die auch heute noch von vielen furchtlos ignoriert wird. Als Vossen und Eberl 2013 antraten, war zumindest das Gröbste geschafft: Nup, Arcaden und Hofgärten eröffnet, das Bahnhofsterminal nahezu fertig. Doch nun folgten der Umbau des Bahnhofvorplatzes, die Neugestaltung der Zentrumsstraßen, durch die nun eine Tram-Schleife gezogen wurde, schließlich das Großprojekt Marienplatz, bei dem auch kein Stein auf dem anderen blieb. Für Pasings Einzelhändler war das die strapaziöseste Zeit, denn die Bauzäune, Sand- und Geröllhaufen schreckten die Kundschaft ab, machten Geschäfte zeitweise sogar unzugänglich, wie sich Vossen erinnert. Er und Eberl versuchten zu vermitteln zwischen Baustellenleitern und Händlern. Schwierig genug, denn, so Vossen: "Finde mal einen Zuständigen im Sub-Sub-Sub-Unternehmer-Dschungel." So manch dünnhäutig gewordener Gewerbetreibender stand damals mit der Stoppuhr neben der Baustelle und führte Protokoll. "Es schien, als habe plötzlich jeder Bauingenieurswesen studiert", sagt Lena Eberl.

Pasing: Die Baustellen, die Pasing verschönern sollen, haben zu Umsatzeinbußen geführt.

Die Baustellen, die Pasing verschönern sollen, haben zu Umsatzeinbußen geführt.

(Foto: Catherina Hess)

Doch waren solche Reaktionen auch nachvollziehbar. Laut Vossen muss man bei Beeinträchtigungen über eine so lange Phase von 40 bis 60 Prozent Gewinneinbußen ausgehen, die der betroffene Einzelhandel zu verkraften habe; etliche Pasinger Händler hätten deshalb versucht, finanzielle Entschädigung von der Stadt zu bekommen. Im Stadtteilladen habe es dazu Infoabende mit Rechtsanwälten gegeben. Konkrete Verluste nachzuweisen, sei ein kompliziertes Verfahren. "In Einzelfällen sind Zahlungen geflossen", weiß Vossen, einige hätten dies mit juristischem Beistand durchgefochten.

Pasing: Klarer Kurs: die Stadtteilmanager Joachim Vossen, Lena Eberl und Ulrike Lierow von der Gesellschaft für Stadterneuerung (von links)

Klarer Kurs: die Stadtteilmanager Joachim Vossen, Lena Eberl und Ulrike Lierow von der Gesellschaft für Stadterneuerung (von links)

(Foto: Catherina Hess)

Zu den Maßnahmen, die Kollateralschäden des Pasinger Umbaus abfedern und dem Zentrum einen Energieschub geben sollten, gehörten auch etliche Aktionen, die aus einem Fonds des Städtebauförderprogramms teilfinanziert wurden. Ulrike Lierow von der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS), die die Aktive-Zentren-Programme in München steuert, zählt auf: Es gab Kunst-Events, Hoffeste, Flohmärkte, den Gesundheitstag, letztere haben sich mittlerweile fest im Pasinger Kalender etabliert. Ein Werbe- und Gestaltungskonzept wurde erstellt, das Ladenbetreiber und Gastronomen finanziell unterstützt. Bis zu 50 Prozent Zuschuss, maximal 6000 Euro, gibt es da etwa für Außenmöbel, Schirme und Markisen oder eine ansprechende Begrünung.

Ein Phänomen, an dem sich schon Christian Bitter abgearbeitet hat, ist das Leerstandsmanagement beziehungsweise der Versuch, den sogenannten Trading-Down-Effekt im Pasinger Zentrum aufzuhalten. Der alteingesessene Einzelhandel verschwindet, Handy-Shops, Nagelstudios, Billigfriseure und Spielsalons ziehen ein. "Diese Entwicklung hat schon lange vor dem Umbau begonnen und ist kein Problem, das nur Pasing hat", sagt Jürgen Kirner. Als Noch-Vorsitzender des Gewerbevereins "Aktives Pasing" war er in den vergangenen Jahren oft Partner der Stadtteilmanager. Auch wenn es darum geht, die Immobilieneigentümer davon zu überzeugen, bei der Vermietung ihrer Ladenflächen nicht nur an Gewinnmaximierung zu denken, sondern auch Einzelhändlern mit kreativen Ideen und hochwertigen Produkten eine Chance zu geben. Doch Kirner, der sein Amt demnächst aus beruflichen Gründen abgeben wird und nun einen Nachfolger sucht, hält die meisten Pasinger Zentrumsvermieter für "unbelehrbar". Soweit würde Joachim Vossen nicht gehen. Er hegt die Hoffnung, dass auch die Eigentümer irgendwann die Wertigkeit dessen begreifen, was da im Pasinger Zentrum in den vergangenen Jahren geschaffen wurde an breiten Straßen mit verkehrsberuhigten Zonen. Die schweigende Mehrheit, so ist er überzeugt, findet Gefallen an der neuen Attraktivität des Zentrums.

Zumal ja noch längst nicht alles fertig ist. Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing hatte, als es um die Verlängerung des Aktive-Zentren-Programms ging, eine lange Liste an Themen Richtung Stadt gesandt, die in den kommenden Jahren auch die Stadtteilmanager begleiten müssen: Da geht es nicht nur um die Beseitigung von Leerständen oder die Vermeidung von Wettbüros, die Sanierung des Viktualienmarktes oder die Neugestaltung des Ensembles Scherer-Schule, Kirchplatz Maria Schutz. Da ist vor allem die Aufwertung des Pasinger Marienplatzes. Erste Anzeichen, wohin es mit dem derzeit noch recht unwirtlichen Ort einmal gehen könnte, hat Stadtteilmanager Vossen schon gesichtet: "Ich meine schon Leute entdeckt zu haben, die dort auf den Stühlen sitzen."

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