Pasing:Ein Dämon voller Grazie

Gemeinsam malen, kochen und tanzen: Schülerinnen des Sai Nam Pung-Gymnasiums in Bangkok besuchen die Anne-Frank-Schule in Pasing. An drei Nachmittagen tauschen die jungen Frauen Erfahrungen und Wissen aus

Von Jakob Pontius, Pasing

Im Schulgarten der Anne-Frank-Realschule kämpft ein Prinz gegen einen goldenen Hirsch, zahlreiche Schülerinnen beobachten fasziniert das Geschehen. Die ungleichen Kontrahenten beäugen sich misstrauisch und trippeln in einem rituellen Tanz über die Wiese. Schließlich zieht der Prinz namens Rama einen Pfeil aus seinem Köcher, legt ihn an seinen Bogen und tötet das stolze Tier. Die staunenden Mädchen im Publikum schrecken auf - und klatschen. Der Hirsch erhebt sich wieder, nimmt Rama bei der Hand, die beiden verbeugen sich. Sie sind wieder zurück im Hier und Jetzt, zwei ganz und gar menschliche Schülerinnen des Sai Nam Pung-Gymnasiums in Bangkok.

Die beiden Thailänderinnen sind mit 25 Mitschülerinnen und Lehrern für sechs Wochen in Deutschland. Die jungen Frauen sind preisgekürte Tänzerinnen, daheim ist das Sai Nam Pung-Gymnasium als exzellente Tanzschule bekannt. An die Anne-Frank-Schule, eine Mädchenschule, sind die Asiatinnen auf Initiative von Detlef Neufert gekommen, der lange in Thailand lebte und beide Schulen kennt. An drei Nachmittagen dürfen die Pasinger Klassensprecherinnen, Schülersprecherinnen und eine ganze achte Klasse mit den Gästen aus Fernost ihre interkulturelle Kompetenz ausbauen. Sie kochen gemeinsam thailändisch scharf, als "typisch deutsches" Essen wird Pizza bestellt. In Workshops lernen die Deutschen künstlerische Fertigkeiten: Nach einem Malkurs und einem Schmink-Tutorial geht es um thailändischen Tanz.

Auf der improvisierten Wiesenbühne zeigen ein Prinz und eine Prinzessin, ein Dämon in Hirschgestalt und ein Affe, wie sie jeweils ihre Gefühle im Tanz ausdrücken. Arme und Beine flattern zur Freude, für die Liebe geht beschämt eine Hand vor den Mund, und der Blick senkt sich. Auch Trauer und Zorn lassen sich leicht erraten. Die Unterschiede zwischen den Charakteren sind dabei erstaunlich deutlich: Während die Royalen anmutige Bewegungen in die Luft zeichnen, kommt die böse Seele des Dämons im ruckartigen Schritt und einem hinterhältigen Flattern in den Augen der Darstellerin zum Ausdruck. Der Affe dagegen grinst und ist schlicht linkisch - der sympathische Sidekick, sozusagen.

Die Zuschauerinnen versuchen zaghaft, die Tanzschritte zu kopieren. Die Knie werden nach außen gespreizt, die Füße stehen aber nah beieinander. Dann laufen die Mädchen barfuß mit hohen Schritten auf der Stelle. Das sei die Grundfigur zur Oberschenkelkräftigung, erklärt eine mitgereiste Lehrerin. So richtig können sich die jungen Frauen nicht begeistern für die ungewohnten Bewegungen, stattdessen haben es ihnen aber die Kostüme angetan - alle handgeknüpft, aus bunten Stoffen, mit blitzenden Edelsteinen und silbernen Pailletten. Die Kleider müssen vor jedem Auftritt Schicht für Schicht fest um den Körper der Tänzerinnen genäht werden; das kann schon mal zwei Stunden dauern.

Nach den drei Tagen sind beide Seiten hochzufrieden. Es war "eine richtig tolle Erfahrung", resümiert die 15-jährige Babett. Sie hätten die Thailänderinnen als "unglaublich offene und herzliche Menschen" kennengelernt, erzählen die Mädchen. Und die Gäste freuen sich, hier neue Freunde gefunden zu haben. Bleiben werden erst einmal die vielen Selfies, die sie hochgeladen haben. Aber auch die zarten Freundschaftsbande können durchaus halten: Für das nächste Jahr gibt es eine Einladung nach Bangkok, und die Schulleiterin der Anne-Frank-Schule zeigte sich der Idee durchaus zugeneigt.

Die Chance auf ein Wiedersehen gab es aber schon eher: Die Schülerinnen der Sai Nam Pung-Schule tanzten am vergangenen Sonntag auf dem Vesakh-Fest im Westpark. Und am Samstag, 9. Mai, treten sie im Alten Rathaus auf - dann sitzen sogar Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die thailändische Botschafterin im Publikum.

Mitmachen können die deutschen Mädchen dort dann nicht, dafür fehlt ihnen doch die Übung. Aber zuschauen wollen sie - dann können sie auch einmal die ganze Geschichte vom mutigen Prinzen Rama und seinem Kampf mit dem dämonischen Hirsch ansehen. Und schnell noch ein paar Selfies machen.

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